nicht fehlt, der Occident und Orient sich in Einer und derselbigen Bildung nahe gerückt sind, und überall, wo Entgegengesetzte sich berühren, neues Leben entzündet wird. Der Geist der neueren Welt hat in der Schonungs¬ losigkeit, womit er auch die schönsten aber endlichen Formen, nach Zurückziehung ihres Lebensprincips, in sich zerfallen ließ, hin¬ länglich seine Absicht offenbart, das Unend¬ liche in ewig neuen Formen zu gebähren. Daß er das Christenthum nicht als einzelne empirische Erscheinung, sondern als jene ewige Idee selbst wolle, hat er eben so klar bezeugt. Die nicht auf die Vergangenheit eingeschränk¬ ten, sondern auf eine ungemessene Zeit sich er¬ streckenden Bestimmungen des Christenthums lassen sich deutlich genug in der Poesie und Philosophie erkennen. Jene fodert die Reli¬ gion als die oberste, ja einzige Möglichkeit auch der poetischen Versöhnung: diese hat mit dem wahrhaft spekulativen Standpunct auch den der Religion wieder errungen, den Empirismus und ihm gleichen Naturalismus
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nicht fehlt, der Occident und Orient ſich in Einer und derſelbigen Bildung nahe geruͤckt ſind, und uͤberall, wo Entgegengeſetzte ſich beruͤhren, neues Leben entzuͤndet wird. Der Geiſt der neueren Welt hat in der Schonungs¬ loſigkeit, womit er auch die ſchoͤnſten aber endlichen Formen, nach Zuruͤckziehung ihres Lebensprincips, in ſich zerfallen ließ, hin¬ laͤnglich ſeine Abſicht offenbart, das Unend¬ liche in ewig neuen Formen zu gebaͤhren. Daß er das Chriſtenthum nicht als einzelne empiriſche Erſcheinung, ſondern als jene ewige Idee ſelbſt wolle, hat er eben ſo klar bezeugt. Die nicht auf die Vergangenheit eingeſchraͤnk¬ ten, ſondern auf eine ungemeſſene Zeit ſich er¬ ſtreckenden Beſtimmungen des Chriſtenthums laſſen ſich deutlich genug in der Poeſie und Philoſophie erkennen. Jene fodert die Reli¬ gion als die oberſte, ja einzige Moͤglichkeit auch der poetiſchen Verſoͤhnung: dieſe hat mit dem wahrhaft ſpekulativen Standpunct auch den der Religion wieder errungen, den Empirismus und ihm gleichen Naturalismus
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[209/0218]
nicht fehlt, der Occident und Orient ſich in
Einer und derſelbigen Bildung nahe geruͤckt
ſind, und uͤberall, wo Entgegengeſetzte ſich
beruͤhren, neues Leben entzuͤndet wird. Der
Geiſt der neueren Welt hat in der Schonungs¬
loſigkeit, womit er auch die ſchoͤnſten aber
endlichen Formen, nach Zuruͤckziehung ihres
Lebensprincips, in ſich zerfallen ließ, hin¬
laͤnglich ſeine Abſicht offenbart, das Unend¬
liche in ewig neuen Formen zu gebaͤhren.
Daß er das Chriſtenthum nicht als einzelne
empiriſche Erſcheinung, ſondern als jene ewige
Idee ſelbſt wolle, hat er eben ſo klar bezeugt.
Die nicht auf die Vergangenheit eingeſchraͤnk¬
ten, ſondern auf eine ungemeſſene Zeit ſich er¬
ſtreckenden Beſtimmungen des Chriſtenthums
laſſen ſich deutlich genug in der Poeſie und
Philoſophie erkennen. Jene fodert die Reli¬
gion als die oberſte, ja einzige Moͤglichkeit
auch der poetiſchen Verſoͤhnung: dieſe hat
mit dem wahrhaft ſpekulativen Standpunct
auch den der Religion wieder errungen, den
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/218>, abgerufen am 22.11.2024.
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