ganze ungetheilte Wesen des Absoluten in sich aufzunehmen. Alle ver- schiedenen Gegenstände als verschiedene sind nur Formen ohne Wesen- heit -- Wesenheit hat nur Eines, und durch dieses Eine, was fähig ist, es als das Allgemeine in sich, seine Form, als Besonderes aufzu- nehmen. Es gibt also z. B. eine Philosophie der Natur, weil in das Besondere der Natur das Absolute gebildet, weil es demnach eine absolute und ewige Idee der Natur gibt. Ebenso eine Philosophie der Geschichte, eine Philosophie der Kunst 1.
Es ist hiermit 2) die Realität einer Philosophie der Kunst be- wiesen, eben dadurch, daß ihre Möglichkeit bewiesen ist; es sind eben damit auch ihre Grenzen zugleich und ihre Verschiedenheit namentlich von der bloßen Theorie der Kunst gezeigt. Nämlich nur sofern die Wissen- schaft der Natur oder Kunst in ihr das Absolute darstellt, ist diese Wissen- schaft wirkliche Philosophie, Philosophie der Natur, Philosophie der Kunst. In jedem andern Fall, wo die besondere Potenz als beson- dere behandelt und für sie als besondere Gesetze aufgestellt werden, wo es also keineswegs um die Philosophie als Philosophie, die schlechthin allgemein ist, sondern um besondere Kenntniß des Gegenstandes, also einen endlichen Zweck, zu thun ist -- in jedem solchen Fall kann die Wissenschaft nicht Philosophie, sondern nur Theorie eines besonderen Gegenstandes, wie Theorie der Natur, Theorie der Kunst, heißen. Diese Theorie könnte allerdings ihre Principien wieder von der Philosophie entlehnen, wie z. B. die Theorie der Natur von der Naturphilosophie, aber eben deßwegen, weil sie nur entlehnt, ist sie nicht Philosophie.
Ich construire demnach in der Philosophie der Kunst zunächst nicht die Kunst als Kunst, als dieses Besondere, sondern ich construire das Universum in der Gestalt der Kunst, und Philosophie der Kunst ist Wissenschaft des All in der Form oder Potenz der Kunst. Erst mit diesem Schritt erheben wir uns in Ansehung dieser Wissenschaft auf das Gebiet einer absoluten Wissenschaft der Kunst.
1 Man vergl. auch hierzu und dem unmittelbar Folgenden die angeführte Ab- handlung, oben S. 107. D. H.
ganze ungetheilte Weſen des Abſoluten in ſich aufzunehmen. Alle ver- ſchiedenen Gegenſtände als verſchiedene ſind nur Formen ohne Weſen- heit — Weſenheit hat nur Eines, und durch dieſes Eine, was fähig iſt, es als das Allgemeine in ſich, ſeine Form, als Beſonderes aufzu- nehmen. Es gibt alſo z. B. eine Philoſophie der Natur, weil in das Beſondere der Natur das Abſolute gebildet, weil es demnach eine abſolute und ewige Idee der Natur gibt. Ebenſo eine Philoſophie der Geſchichte, eine Philoſophie der Kunſt 1.
Es iſt hiermit 2) die Realität einer Philoſophie der Kunſt be- wieſen, eben dadurch, daß ihre Möglichkeit bewieſen iſt; es ſind eben damit auch ihre Grenzen zugleich und ihre Verſchiedenheit namentlich von der bloßen Theorie der Kunſt gezeigt. Nämlich nur ſofern die Wiſſen- ſchaft der Natur oder Kunſt in ihr das Abſolute darſtellt, iſt dieſe Wiſſen- ſchaft wirkliche Philoſophie, Philoſophie der Natur, Philoſophie der Kunſt. In jedem andern Fall, wo die beſondere Potenz als beſon- dere behandelt und für ſie als beſondere Geſetze aufgeſtellt werden, wo es alſo keineswegs um die Philoſophie als Philoſophie, die ſchlechthin allgemein iſt, ſondern um beſondere Kenntniß des Gegenſtandes, alſo einen endlichen Zweck, zu thun iſt — in jedem ſolchen Fall kann die Wiſſenſchaft nicht Philoſophie, ſondern nur Theorie eines beſonderen Gegenſtandes, wie Theorie der Natur, Theorie der Kunſt, heißen. Dieſe Theorie könnte allerdings ihre Principien wieder von der Philoſophie entlehnen, wie z. B. die Theorie der Natur von der Naturphiloſophie, aber eben deßwegen, weil ſie nur entlehnt, iſt ſie nicht Philoſophie.
Ich conſtruire demnach in der Philoſophie der Kunſt zunächſt nicht die Kunſt als Kunſt, als dieſes Beſondere, ſondern ich conſtruire das Univerſum in der Geſtalt der Kunſt, und Philoſophie der Kunſt iſt Wiſſenſchaft des All in der Form oder Potenz der Kunſt. Erſt mit dieſem Schritt erheben wir uns in Anſehung dieſer Wiſſenſchaft auf das Gebiet einer abſoluten Wiſſenſchaft der Kunſt.
1 Man vergl. auch hierzu und dem unmittelbar Folgenden die angeführte Ab- handlung, oben S. 107. D. H.
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iſt, es als das Allgemeine in ſich, ſeine Form, als Beſonderes aufzu-
nehmen. Es gibt alſo z. B. eine Philoſophie der Natur, weil in
das Beſondere der Natur das Abſolute gebildet, weil es demnach eine
abſolute und ewige Idee der Natur gibt. Ebenſo eine Philoſophie der
Geſchichte, eine Philoſophie der Kunſt 1.
Es iſt hiermit 2) die Realität einer Philoſophie der Kunſt be-
wieſen, eben dadurch, daß ihre Möglichkeit bewieſen iſt; es ſind eben
damit auch ihre Grenzen zugleich und ihre Verſchiedenheit namentlich von
der bloßen Theorie der Kunſt gezeigt. Nämlich nur ſofern die Wiſſen-
ſchaft der Natur oder Kunſt in ihr das Abſolute darſtellt, iſt dieſe Wiſſen-
ſchaft wirkliche Philoſophie, Philoſophie der Natur, Philoſophie
der Kunſt. In jedem andern Fall, wo die beſondere Potenz als beſon-
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wo es alſo keineswegs um die Philoſophie als Philoſophie, die ſchlechthin
allgemein iſt, ſondern um beſondere Kenntniß des Gegenſtandes, alſo
einen endlichen Zweck, zu thun iſt — in jedem ſolchen Fall kann die
Wiſſenſchaft nicht Philoſophie, ſondern nur Theorie eines beſonderen
Gegenſtandes, wie Theorie der Natur, Theorie der Kunſt, heißen. Dieſe
Theorie könnte allerdings ihre Principien wieder von der Philoſophie
entlehnen, wie z. B. die Theorie der Natur von der Naturphiloſophie,
aber eben deßwegen, weil ſie nur entlehnt, iſt ſie nicht Philoſophie.
Ich conſtruire demnach in der Philoſophie der Kunſt zunächſt nicht
die Kunſt als Kunſt, als dieſes Beſondere, ſondern ich conſtruire
das Univerſum in der Geſtalt der Kunſt, und Philoſophie der
Kunſt iſt Wiſſenſchaft des All in der Form oder Potenz
der Kunſt. Erſt mit dieſem Schritt erheben wir uns in Anſehung
dieſer Wiſſenſchaft auf das Gebiet einer abſoluten Wiſſenſchaft der
Kunſt.
1 Man vergl. auch hierzu und dem unmittelbar Folgenden die angeführte Ab-
handlung, oben S. 107. D. H.
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/44>, abgerufen am 16.02.2025.
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