wenn es dem Begriff nach möglich wäre, daß diese oder jene unterläge, so wäre es nicht poetisch möglich; denn es wäre nicht ohne absolute Disharmonie möglich.
Daß die Freiheit von der Nothwendigkeit überwunden würde, ist ein durchaus widriger Gedanke, aber ebensowenig können wir wollen, daß die Nothwendigkeit von der Freiheit überwunden werde, weil uns dieß den Anblick der höchsten Gesetzlosigkeit gibt. Es bleibt also in diesem Widerspruch schon von selbst nichts übrig als daß beide, Noth- wendigkeit und Freiheit, aus diesem Streit zugleich als siegend und als besiegt, und demnach in jeder Rücksicht gleich hervorgehen. Aber eben dieß ist ohne Zweifel die höchste Erscheinung der Kunst, daß die Freiheit sich zur Gleichheit mit der Nothwendigkeit erhebe, und der Freiheit da- gegen, ohne daß diese etwas dadurch verliere, die Nothwendigkeit gleich erscheine; denn nur in diesem Verhältniß wird jene wahre und absolute Indifferenz, die im Absoluten ist, und die nicht auf einem Zugleich- sondern auf einem Gleichseyn beruht, objektiv. Denn Freiheit und Nothwendigkeit können, sowenig als Endliches und Unendliches, anders als in der gleichen Absolutheit eins werden.
Die höchste Erscheinung der Kunst ist also, da Freiheit und Nothwendigkeit die höchsten Ausdrücke des Gegensatzes sind, der der Kunst überhaupt zu Grunde liegt, -- diejenige, worin die Noth- wendigkeit siegt, ohne daß die Freiheit unterliegt, und hinwiederum die Freiheit obsiegt, ohne daß die Nothwendigkeit besiegt wird.
Es fragt sich nun, wie auch dieses möglich sey.
Nothwendigkeit und Freiheit müssen, als allgemeine Begriffe, in der Kunst nothwendig symbolisch erscheinen, und da nur die menschliche Natur, indem sie von der einen Seite der Nothwendigkeit unterworfen ist, von der anderen der Freiheit fähig ist, so müssen beide an und durch die menschliche Natur symbolisirt werden, die selbst wieder durch Individuen dargestellt werden muß, die als Naturen, in welchen Frei- heit und Nothwendigkeit in Verbindung sind, Personen heißen. Aber eben auch nur in der menschlichen Natur finden sich die Bedingungen der Möglichkeit, daß die Nothwendigkeit siege, ohne daß die Freiheit
wenn es dem Begriff nach möglich wäre, daß dieſe oder jene unterläge, ſo wäre es nicht poetiſch möglich; denn es wäre nicht ohne abſolute Disharmonie möglich.
Daß die Freiheit von der Nothwendigkeit überwunden würde, iſt ein durchaus widriger Gedanke, aber ebenſowenig können wir wollen, daß die Nothwendigkeit von der Freiheit überwunden werde, weil uns dieß den Anblick der höchſten Geſetzloſigkeit gibt. Es bleibt alſo in dieſem Widerſpruch ſchon von ſelbſt nichts übrig als daß beide, Noth- wendigkeit und Freiheit, aus dieſem Streit zugleich als ſiegend und als beſiegt, und demnach in jeder Rückſicht gleich hervorgehen. Aber eben dieß iſt ohne Zweifel die höchſte Erſcheinung der Kunſt, daß die Freiheit ſich zur Gleichheit mit der Nothwendigkeit erhebe, und der Freiheit da- gegen, ohne daß dieſe etwas dadurch verliere, die Nothwendigkeit gleich erſcheine; denn nur in dieſem Verhältniß wird jene wahre und abſolute Indifferenz, die im Abſoluten iſt, und die nicht auf einem Zugleich- ſondern auf einem Gleichſeyn beruht, objektiv. Denn Freiheit und Nothwendigkeit können, ſowenig als Endliches und Unendliches, anders als in der gleichen Abſolutheit eins werden.
Die höchſte Erſcheinung der Kunſt iſt alſo, da Freiheit und Nothwendigkeit die höchſten Ausdrücke des Gegenſatzes ſind, der der Kunſt überhaupt zu Grunde liegt, — diejenige, worin die Noth- wendigkeit ſiegt, ohne daß die Freiheit unterliegt, und hinwiederum die Freiheit obſiegt, ohne daß die Nothwendigkeit beſiegt wird.
Es fragt ſich nun, wie auch dieſes möglich ſey.
Nothwendigkeit und Freiheit müſſen, als allgemeine Begriffe, in der Kunſt nothwendig ſymboliſch erſcheinen, und da nur die menſchliche Natur, indem ſie von der einen Seite der Nothwendigkeit unterworfen iſt, von der anderen der Freiheit fähig iſt, ſo müſſen beide an und durch die menſchliche Natur ſymboliſirt werden, die ſelbſt wieder durch Individuen dargeſtellt werden muß, die als Naturen, in welchen Frei- heit und Nothwendigkeit in Verbindung ſind, Perſonen heißen. Aber eben auch nur in der menſchlichen Natur finden ſich die Bedingungen der Möglichkeit, daß die Nothwendigkeit ſiege, ohne daß die Freiheit
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wenn es dem Begriff nach möglich wäre, daß dieſe oder jene unterläge,
ſo wäre es nicht poetiſch möglich; denn es wäre nicht ohne abſolute
Disharmonie möglich.
Daß die Freiheit von der Nothwendigkeit überwunden würde, iſt
ein durchaus widriger Gedanke, aber ebenſowenig können wir wollen,
daß die Nothwendigkeit von der Freiheit überwunden werde, weil uns
dieß den Anblick der höchſten Geſetzloſigkeit gibt. Es bleibt alſo in
dieſem Widerſpruch ſchon von ſelbſt nichts übrig als daß beide, Noth-
wendigkeit und Freiheit, aus dieſem Streit zugleich als ſiegend und als
beſiegt, und demnach in jeder Rückſicht gleich hervorgehen. Aber eben
dieß iſt ohne Zweifel die höchſte Erſcheinung der Kunſt, daß die Freiheit
ſich zur Gleichheit mit der Nothwendigkeit erhebe, und der Freiheit da-
gegen, ohne daß dieſe etwas dadurch verliere, die Nothwendigkeit gleich
erſcheine; denn nur in dieſem Verhältniß wird jene wahre und abſolute
Indifferenz, die im Abſoluten iſt, und die nicht auf einem Zugleich-
ſondern auf einem Gleichſeyn beruht, objektiv. Denn Freiheit und
Nothwendigkeit können, ſowenig als Endliches und Unendliches, anders
als in der gleichen Abſolutheit eins werden.
Die höchſte Erſcheinung der Kunſt iſt alſo, da Freiheit und
Nothwendigkeit die höchſten Ausdrücke des Gegenſatzes ſind, der
der Kunſt überhaupt zu Grunde liegt, — diejenige, worin die Noth-
wendigkeit ſiegt, ohne daß die Freiheit unterliegt, und hinwiederum die
Freiheit obſiegt, ohne daß die Nothwendigkeit beſiegt wird.
Es fragt ſich nun, wie auch dieſes möglich ſey.
Nothwendigkeit und Freiheit müſſen, als allgemeine Begriffe, in
der Kunſt nothwendig ſymboliſch erſcheinen, und da nur die menſchliche
Natur, indem ſie von der einen Seite der Nothwendigkeit unterworfen
iſt, von der anderen der Freiheit fähig iſt, ſo müſſen beide an und
durch die menſchliche Natur ſymboliſirt werden, die ſelbſt wieder durch
Individuen dargeſtellt werden muß, die als Naturen, in welchen Frei-
heit und Nothwendigkeit in Verbindung ſind, Perſonen heißen. Aber
eben auch nur in der menſchlichen Natur finden ſich die Bedingungen
der Möglichkeit, daß die Nothwendigkeit ſiege, ohne daß die Freiheit
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/366>, abgerufen am 25.11.2024.
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