und der Freiheit ausdrücke, ist im Allgemeinen schon beim lyrischen und epischen Gedicht bewiesen worden. Aber die Poesie hat überhaupt und in ihren höchsten Formen insbesondere diesen Gegensatz ohne Zweifel in der höchsten Potenz, also als Gegensatz von Nothwendigkeit und Freiheit darzustellen.
Im lyrischen Gedicht ist, wie gesagt, dieser Widerstreit, aber so daß er als Streit und als Aufhebung des Streits nur im Subjekt ist und ins Subjekt zurückfällt; daher im Ganzen das lyrische Gedicht wieder vorzugsweise den Charakter der Freiheit an sich hat.
Im epischen Gedicht ist überhaupt kein Widerstreit; hier herrscht die Nothwendigkeit als die Identität, nur daß sie, wie schon bemerkt, eben weil kein Streit ist, auch nicht als Nothwendigkeit, inwiefern diese Schicksal ist, sondern in der Identität mit der Freiheit, sogar zum Theil als Zufall, erscheinen kann. Das epische Gedicht geht durchaus mehr auf den Erfolg als auf die That. Im Erfolg kommt die Nothwendigkeit oder das Glück der Freiheit zu Hülfe, und führt aus was die Freiheit nicht ausführen kann. Hier also ist die Nothwendigkeit mit der Freiheit einstimmig ohne alle Differenz. Deßwegen kann der Held im Epos nicht unglücklich enden, ohne die Natur dieser Dichtart aufzuheben. Achill, wenn die Hauptperson der Ilias, kann nicht über- wunden werden, sowie Hektor, weil er überwunden werden kann, nicht der Held der Ilias seyn kann. Aeneas ist nur als Eroberer von La- tium und Gründer von Rom Held einer Epopee.
Wenn wir behaupten, daß im Epos die Identität oder die Noth- wendigkeit das Herrschende sey, so könnte man einwenden, daß sie ihre Kraft weit mehr beweisen würde, wenn sie das, was die Freiheit nicht wollte, ausführte, als wenn sie umgekehrt mit der Freiheit eins ist und ausführt, was diese beginnt. Allein 1) kann die Nothwendigkeit im Epos nicht mit der Freiheit im Bunde erscheinen, ohne von der andern Seite gegen sie zu wirken. Achill ist nicht Sieger, ohne daß Hektor unter- liegt. 2) Wenn die Nothwendigkeit auf die angegebene Weise im Streit gegen die Freiheit erschiene, daß sie dasjenige wollte, dem diese wider- strebt, so würde der Held der Nothwendigkeit entweder unterliegen,
und der Freiheit ausdrücke, iſt im Allgemeinen ſchon beim lyriſchen und epiſchen Gedicht bewieſen worden. Aber die Poeſie hat überhaupt und in ihren höchſten Formen insbeſondere dieſen Gegenſatz ohne Zweifel in der höchſten Potenz, alſo als Gegenſatz von Nothwendigkeit und Freiheit darzuſtellen.
Im lyriſchen Gedicht iſt, wie geſagt, dieſer Widerſtreit, aber ſo daß er als Streit und als Aufhebung des Streits nur im Subjekt iſt und ins Subjekt zurückfällt; daher im Ganzen das lyriſche Gedicht wieder vorzugsweiſe den Charakter der Freiheit an ſich hat.
Im epiſchen Gedicht iſt überhaupt kein Widerſtreit; hier herrſcht die Nothwendigkeit als die Identität, nur daß ſie, wie ſchon bemerkt, eben weil kein Streit iſt, auch nicht als Nothwendigkeit, inwiefern dieſe Schickſal iſt, ſondern in der Identität mit der Freiheit, ſogar zum Theil als Zufall, erſcheinen kann. Das epiſche Gedicht geht durchaus mehr auf den Erfolg als auf die That. Im Erfolg kommt die Nothwendigkeit oder das Glück der Freiheit zu Hülfe, und führt aus was die Freiheit nicht ausführen kann. Hier alſo iſt die Nothwendigkeit mit der Freiheit einſtimmig ohne alle Differenz. Deßwegen kann der Held im Epos nicht unglücklich enden, ohne die Natur dieſer Dichtart aufzuheben. Achill, wenn die Hauptperſon der Ilias, kann nicht über- wunden werden, ſowie Hektor, weil er überwunden werden kann, nicht der Held der Ilias ſeyn kann. Aeneas iſt nur als Eroberer von La- tium und Gründer von Rom Held einer Epopee.
Wenn wir behaupten, daß im Epos die Identität oder die Noth- wendigkeit das Herrſchende ſey, ſo könnte man einwenden, daß ſie ihre Kraft weit mehr beweiſen würde, wenn ſie das, was die Freiheit nicht wollte, ausführte, als wenn ſie umgekehrt mit der Freiheit eins iſt und ausführt, was dieſe beginnt. Allein 1) kann die Nothwendigkeit im Epos nicht mit der Freiheit im Bunde erſcheinen, ohne von der andern Seite gegen ſie zu wirken. Achill iſt nicht Sieger, ohne daß Hektor unter- liegt. 2) Wenn die Nothwendigkeit auf die angegebene Weiſe im Streit gegen die Freiheit erſchiene, daß ſie dasjenige wollte, dem dieſe wider- ſtrebt, ſo würde der Held der Nothwendigkeit entweder unterliegen,
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und der Freiheit ausdrücke, iſt im Allgemeinen ſchon beim lyriſchen
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in der höchſten Potenz, alſo als Gegenſatz von Nothwendigkeit und
Freiheit darzuſtellen.
Im lyriſchen Gedicht iſt, wie geſagt, dieſer Widerſtreit, aber ſo
daß er als Streit und als Aufhebung des Streits nur im Subjekt iſt
und ins Subjekt zurückfällt; daher im Ganzen das lyriſche Gedicht
wieder vorzugsweiſe den Charakter der Freiheit an ſich hat.
Im epiſchen Gedicht iſt überhaupt kein Widerſtreit; hier herrſcht
die Nothwendigkeit als die Identität, nur daß ſie, wie ſchon bemerkt,
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Schickſal iſt, ſondern in der Identität mit der Freiheit, ſogar zum
Theil als Zufall, erſcheinen kann. Das epiſche Gedicht geht durchaus
mehr auf den Erfolg als auf die That. Im Erfolg kommt die
Nothwendigkeit oder das Glück der Freiheit zu Hülfe, und führt aus
was die Freiheit nicht ausführen kann. Hier alſo iſt die Nothwendigkeit
mit der Freiheit einſtimmig ohne alle Differenz. Deßwegen kann der
Held im Epos nicht unglücklich enden, ohne die Natur dieſer Dichtart
aufzuheben. Achill, wenn die Hauptperſon der Ilias, kann nicht über-
wunden werden, ſowie Hektor, weil er überwunden werden kann, nicht
der Held der Ilias ſeyn kann. Aeneas iſt nur als Eroberer von La-
tium und Gründer von Rom Held einer Epopee.
Wenn wir behaupten, daß im Epos die Identität oder die Noth-
wendigkeit das Herrſchende ſey, ſo könnte man einwenden, daß ſie ihre
Kraft weit mehr beweiſen würde, wenn ſie das, was die Freiheit nicht
wollte, ausführte, als wenn ſie umgekehrt mit der Freiheit eins iſt und
ausführt, was dieſe beginnt. Allein 1) kann die Nothwendigkeit im Epos
nicht mit der Freiheit im Bunde erſcheinen, ohne von der andern Seite
gegen ſie zu wirken. Achill iſt nicht Sieger, ohne daß Hektor unter-
liegt. 2) Wenn die Nothwendigkeit auf die angegebene Weiſe im Streit
gegen die Freiheit erſchiene, daß ſie dasjenige wollte, dem dieſe wider-
ſtrebt, ſo würde der Held der Nothwendigkeit entweder unterliegen,
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/364>, abgerufen am 22.11.2024.
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