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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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das Handeln absolut betrachtet, und wie es in seinem An-sich ist,
darstellen.

Handeln, absolut oder objektiv betrachtet, ist Geschichte. Die Auf-
gabe der zweiten Art ist also: ein Bild der Geschichte zu seyn,
wie sie an sich oder im Absoluten
ist.

Daß diese Dichtart das Epos ist, wird sich am bestimmtesten
daraus ergeben, daß alle aus dem angegebenen Charakter abzuleitenden
Bestimmungen sich in dem Epos vereinigen und zusammentreffen.

1) Nicht daß überhaupt nur Handlung, Geschichte dargestellt wird,
sondern daß sie in der Identität der Absolutheit erscheint, ist
das Auszeichnende des Epos. Das Handeln objektiv angesehen oder
als Geschichte ist in dem An-sich als reine Identität, ohne Gegensatz
des Unendlichen und Endlichen. Denn in dem An-sich, von dem alles
Handeln die bloße Erscheinung ist, ist das Endliche im Unendlichen,
und also außer Differenz mit ihm. Das Letztere ist nur möglich, wo das
Endliche etwas für sich, real ist, also inwiefern das Unendliche im End-
lichen repräsentirt ist. Der Gegensatz der Besonderheit und Allgemeinheit
drückt sich in Bezug auf das Handeln als der der Freiheit und der Noth-
wendigkeit aus. Auch diese also sind in dem An-sich des Handelns eins.
Ist also im Epos kein Gegensatz des Unendlichen und Endlichen, so kann
auch kein Streit zwischen Freiheit und Nothwendigkeit in ihm dargestellt
seyn. Beide erscheinen eingewickelt in einer gemeinschaftlichen Einheit.

Der Streit der Freiheit und Nothwendigkeit wird nur durch das
Schicksal entschieden, und ruft es gleichsam hervor. Alle Entgegensetzung
von Nothwendigkeit und Freiheit liegt nur in der Besonderheit, in der
Differenz. Durch das Differenzverhältniß der Besonderheit erhält die
Identität zu ihr das Verhältniß des Grunds, und erscheint demnach als
Schicksal. In dem An-sich des Handelns, als der absoluten Identität,
ist kein Schicksal.

Die erste Bestimmung des Epos also ist so zu fassen: es stellt
die Handlung in der Identität der Freiheit und Nothwen-
digkeit dar, ohne Gegensatz des Unendlichen und Endlichen,
ohne Streit und eben deßwegen ohne Schicksal
.

das Handeln abſolut betrachtet, und wie es in ſeinem An-ſich iſt,
darſtellen.

Handeln, abſolut oder objektiv betrachtet, iſt Geſchichte. Die Auf-
gabe der zweiten Art iſt alſo: ein Bild der Geſchichte zu ſeyn,
wie ſie an ſich oder im Abſoluten
iſt.

Daß dieſe Dichtart das Epos iſt, wird ſich am beſtimmteſten
daraus ergeben, daß alle aus dem angegebenen Charakter abzuleitenden
Beſtimmungen ſich in dem Epos vereinigen und zuſammentreffen.

1) Nicht daß überhaupt nur Handlung, Geſchichte dargeſtellt wird,
ſondern daß ſie in der Identität der Abſolutheit erſcheint, iſt
das Auszeichnende des Epos. Das Handeln objektiv angeſehen oder
als Geſchichte iſt in dem An-ſich als reine Identität, ohne Gegenſatz
des Unendlichen und Endlichen. Denn in dem An-ſich, von dem alles
Handeln die bloße Erſcheinung iſt, iſt das Endliche im Unendlichen,
und alſo außer Differenz mit ihm. Das Letztere iſt nur möglich, wo das
Endliche etwas für ſich, real iſt, alſo inwiefern das Unendliche im End-
lichen repräſentirt iſt. Der Gegenſatz der Beſonderheit und Allgemeinheit
drückt ſich in Bezug auf das Handeln als der der Freiheit und der Noth-
wendigkeit aus. Auch dieſe alſo ſind in dem An-ſich des Handelns eins.
Iſt alſo im Epos kein Gegenſatz des Unendlichen und Endlichen, ſo kann
auch kein Streit zwiſchen Freiheit und Nothwendigkeit in ihm dargeſtellt
ſeyn. Beide erſcheinen eingewickelt in einer gemeinſchaftlichen Einheit.

Der Streit der Freiheit und Nothwendigkeit wird nur durch das
Schickſal entſchieden, und ruft es gleichſam hervor. Alle Entgegenſetzung
von Nothwendigkeit und Freiheit liegt nur in der Beſonderheit, in der
Differenz. Durch das Differenzverhältniß der Beſonderheit erhält die
Identität zu ihr das Verhältniß des Grunds, und erſcheint demnach als
Schickſal. In dem An-ſich des Handelns, als der abſoluten Identität,
iſt kein Schickſal.

Die erſte Beſtimmung des Epos alſo iſt ſo zu faſſen: es ſtellt
die Handlung in der Identität der Freiheit und Nothwen-
digkeit dar, ohne Gegenſatz des Unendlichen und Endlichen,
ohne Streit und eben deßwegen ohne Schickſal
.

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[646/0322] das Handeln abſolut betrachtet, und wie es in ſeinem An-ſich iſt, darſtellen. Handeln, abſolut oder objektiv betrachtet, iſt Geſchichte. Die Auf- gabe der zweiten Art iſt alſo: ein Bild der Geſchichte zu ſeyn, wie ſie an ſich oder im Abſoluten iſt. Daß dieſe Dichtart das Epos iſt, wird ſich am beſtimmteſten daraus ergeben, daß alle aus dem angegebenen Charakter abzuleitenden Beſtimmungen ſich in dem Epos vereinigen und zuſammentreffen. 1) Nicht daß überhaupt nur Handlung, Geſchichte dargeſtellt wird, ſondern daß ſie in der Identität der Abſolutheit erſcheint, iſt das Auszeichnende des Epos. Das Handeln objektiv angeſehen oder als Geſchichte iſt in dem An-ſich als reine Identität, ohne Gegenſatz des Unendlichen und Endlichen. Denn in dem An-ſich, von dem alles Handeln die bloße Erſcheinung iſt, iſt das Endliche im Unendlichen, und alſo außer Differenz mit ihm. Das Letztere iſt nur möglich, wo das Endliche etwas für ſich, real iſt, alſo inwiefern das Unendliche im End- lichen repräſentirt iſt. Der Gegenſatz der Beſonderheit und Allgemeinheit drückt ſich in Bezug auf das Handeln als der der Freiheit und der Noth- wendigkeit aus. Auch dieſe alſo ſind in dem An-ſich des Handelns eins. Iſt alſo im Epos kein Gegenſatz des Unendlichen und Endlichen, ſo kann auch kein Streit zwiſchen Freiheit und Nothwendigkeit in ihm dargeſtellt ſeyn. Beide erſcheinen eingewickelt in einer gemeinſchaftlichen Einheit. Der Streit der Freiheit und Nothwendigkeit wird nur durch das Schickſal entſchieden, und ruft es gleichſam hervor. Alle Entgegenſetzung von Nothwendigkeit und Freiheit liegt nur in der Beſonderheit, in der Differenz. Durch das Differenzverhältniß der Beſonderheit erhält die Identität zu ihr das Verhältniß des Grunds, und erſcheint demnach als Schickſal. In dem An-ſich des Handelns, als der abſoluten Identität, iſt kein Schickſal. Die erſte Beſtimmung des Epos alſo iſt ſo zu faſſen: es ſtellt die Handlung in der Identität der Freiheit und Nothwen- digkeit dar, ohne Gegenſatz des Unendlichen und Endlichen, ohne Streit und eben deßwegen ohne Schickſal.

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/322>, abgerufen am 25.11.2024.