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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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gerichtet ist. Sie ist Ausdruck der vernichteten Ost- und Westpolarität;
und je selbständiger ein Organ producirt wird, desto gewisser ist jener
Gegensatz ohne wirkliche Entgegensetzung erreicht. Es gibt eine Sphäre
der Metamorphose, wo das Auge z. B. (als Lichtorgan der höchste
Ausdruck der Ost-West-Indifferenz) nur einfach oder noch zerstreut
und zahlreich ohne bestimmte Symmetrie producirt ist, sowie es eben-
falls merkwürdig ist, daß in denjenigen Organen, welche die unmittel-
bare Beziehung auf den allgemeinen Ost-Westpolarismus haben, z. B.
Respirationsorgane und Herz, Leber und Milz, jener Gegensatz in
eine wirkliche Entgegensetzung ausschlägt.

Drittens: Entschiedne Unterordnung der beiden Systeme, des
der Nahrung und Reproduktion und des der freien Bewegung, unter
das oberste, dessen Sitz der Kopf ist. Diese verschiedenen Systeme haben
an sich eine symbolische Bedeutung, erlangen sie aber erst vollkommen
in einer Unterordnung, wie die der menschlichen Gestalt. Diese ver-
hält sich zu den Thiergestalten wieder wie das Urbild, von der jene
bloß die auf verschiedene Weise verschobenen Abbilder zeigen. -- Die
Bedeutung der einzelnen Systeme ist diese: Der Mensch ist, wie alle
organischen Wesen insofern ein Mittelwesen, als er ursprünglich zwi-
schen Flüssigem und Festem gestellt ist. Die andern Gattungen leben nur
auf dem Grund des Luftmeers, der Mensch erhebt sich am freiesten
in ihm. Wie nun die Natur des Menschen an und für sich selbst eine
Verbindung des Himmels mit der Erde ausdrückt, so ist diese, zugleich
mit dem Uebergang von dem einen zum andern, auch durch seine Ge-
stalt ausgedrückt. Das Haupt bedeutet den Himmel und fürnehmlich
die Sonne. Wie jener die Erde durch seine Einflüsse regiert, so das
Haupt den ganzen Leib durch die seinigen, und was die Sonne im
Planetensystem ist, ist das Haupt unter den übrigen Gliedern. Die
Brust und die dazu gehörigen Organe bezeichnen den Uebergang vom
Himmel zur Erde, und bedeuten insofern die Luft. Das Athmen, in
welchem die Brust wechselsweise steigt und sinkt, zeigt das erste Wechsel-
verhältniß zwischen Himmel und Erde an. In dem Herz löst sich
zuerst die Starrheit des bloß auf Selbstheit gerichteten Triebs in relative

gerichtet iſt. Sie iſt Ausdruck der vernichteten Oſt- und Weſtpolarität;
und je ſelbſtändiger ein Organ producirt wird, deſto gewiſſer iſt jener
Gegenſatz ohne wirkliche Entgegenſetzung erreicht. Es gibt eine Sphäre
der Metamorphoſe, wo das Auge z. B. (als Lichtorgan der höchſte
Ausdruck der Oſt-Weſt-Indifferenz) nur einfach oder noch zerſtreut
und zahlreich ohne beſtimmte Symmetrie producirt iſt, ſowie es eben-
falls merkwürdig iſt, daß in denjenigen Organen, welche die unmittel-
bare Beziehung auf den allgemeinen Oſt-Weſtpolarismus haben, z. B.
Reſpirationsorgane und Herz, Leber und Milz, jener Gegenſatz in
eine wirkliche Entgegenſetzung ausſchlägt.

Drittens: Entſchiedne Unterordnung der beiden Syſteme, des
der Nahrung und Reproduktion und des der freien Bewegung, unter
das oberſte, deſſen Sitz der Kopf iſt. Dieſe verſchiedenen Syſteme haben
an ſich eine ſymboliſche Bedeutung, erlangen ſie aber erſt vollkommen
in einer Unterordnung, wie die der menſchlichen Geſtalt. Dieſe ver-
hält ſich zu den Thiergeſtalten wieder wie das Urbild, von der jene
bloß die auf verſchiedene Weiſe verſchobenen Abbilder zeigen. — Die
Bedeutung der einzelnen Syſteme iſt dieſe: Der Menſch iſt, wie alle
organiſchen Weſen inſofern ein Mittelweſen, als er urſprünglich zwi-
ſchen Flüſſigem und Feſtem geſtellt iſt. Die andern Gattungen leben nur
auf dem Grund des Luftmeers, der Menſch erhebt ſich am freieſten
in ihm. Wie nun die Natur des Menſchen an und für ſich ſelbſt eine
Verbindung des Himmels mit der Erde ausdrückt, ſo iſt dieſe, zugleich
mit dem Uebergang von dem einen zum andern, auch durch ſeine Ge-
ſtalt ausgedrückt. Das Haupt bedeutet den Himmel und fürnehmlich
die Sonne. Wie jener die Erde durch ſeine Einflüſſe regiert, ſo das
Haupt den ganzen Leib durch die ſeinigen, und was die Sonne im
Planetenſyſtem iſt, iſt das Haupt unter den übrigen Gliedern. Die
Bruſt und die dazu gehörigen Organe bezeichnen den Uebergang vom
Himmel zur Erde, und bedeuten inſofern die Luft. Das Athmen, in
welchem die Bruſt wechſelsweiſe ſteigt und ſinkt, zeigt das erſte Wechſel-
verhältniß zwiſchen Himmel und Erde an. In dem Herz löst ſich
zuerſt die Starrheit des bloß auf Selbſtheit gerichteten Triebs in relative

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[605/0281] gerichtet iſt. Sie iſt Ausdruck der vernichteten Oſt- und Weſtpolarität; und je ſelbſtändiger ein Organ producirt wird, deſto gewiſſer iſt jener Gegenſatz ohne wirkliche Entgegenſetzung erreicht. Es gibt eine Sphäre der Metamorphoſe, wo das Auge z. B. (als Lichtorgan der höchſte Ausdruck der Oſt-Weſt-Indifferenz) nur einfach oder noch zerſtreut und zahlreich ohne beſtimmte Symmetrie producirt iſt, ſowie es eben- falls merkwürdig iſt, daß in denjenigen Organen, welche die unmittel- bare Beziehung auf den allgemeinen Oſt-Weſtpolarismus haben, z. B. Reſpirationsorgane und Herz, Leber und Milz, jener Gegenſatz in eine wirkliche Entgegenſetzung ausſchlägt. Drittens: Entſchiedne Unterordnung der beiden Syſteme, des der Nahrung und Reproduktion und des der freien Bewegung, unter das oberſte, deſſen Sitz der Kopf iſt. Dieſe verſchiedenen Syſteme haben an ſich eine ſymboliſche Bedeutung, erlangen ſie aber erſt vollkommen in einer Unterordnung, wie die der menſchlichen Geſtalt. Dieſe ver- hält ſich zu den Thiergeſtalten wieder wie das Urbild, von der jene bloß die auf verſchiedene Weiſe verſchobenen Abbilder zeigen. — Die Bedeutung der einzelnen Syſteme iſt dieſe: Der Menſch iſt, wie alle organiſchen Weſen inſofern ein Mittelweſen, als er urſprünglich zwi- ſchen Flüſſigem und Feſtem geſtellt iſt. Die andern Gattungen leben nur auf dem Grund des Luftmeers, der Menſch erhebt ſich am freieſten in ihm. Wie nun die Natur des Menſchen an und für ſich ſelbſt eine Verbindung des Himmels mit der Erde ausdrückt, ſo iſt dieſe, zugleich mit dem Uebergang von dem einen zum andern, auch durch ſeine Ge- ſtalt ausgedrückt. Das Haupt bedeutet den Himmel und fürnehmlich die Sonne. Wie jener die Erde durch ſeine Einflüſſe regiert, ſo das Haupt den ganzen Leib durch die ſeinigen, und was die Sonne im Planetenſyſtem iſt, iſt das Haupt unter den übrigen Gliedern. Die Bruſt und die dazu gehörigen Organe bezeichnen den Uebergang vom Himmel zur Erde, und bedeuten inſofern die Luft. Das Athmen, in welchem die Bruſt wechſelsweiſe ſteigt und ſinkt, zeigt das erſte Wechſel- verhältniß zwiſchen Himmel und Erde an. In dem Herz löst ſich zuerſt die Starrheit des bloß auf Selbſtheit gerichteten Triebs in relative

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/281>, abgerufen am 25.11.2024.