§. 119. Die Malerei in der Plastik ist das Basrelief. -- Denn das Basrelief stellt seine Gegenstände einerseits zwar auf körperliche Weise, andererseits doch nach dem Schein vor, und bedarf wie die Malerei des Grundes oder der Zugabe des Raums.
Die Beschränkung, welche der Malerei eben dadurch gesetzt ist, daß sie außer den Gegenständen auch den Raum darzustellen hat, in welchem diese erscheinen, ist hier noch nicht überwunden, oder, wenn man will, die Plastik kehrt in diese Schranke freiwillig zurück. Sowohl dadurch als durch die Darstellung des Scheins ist das Basrelief als die Malerei in der Plastik anzusehen.
Anmerkung. Etwas von der Unterscheidung des Haut- und Basrelief ist zu erwähnen. Beide sind dadurch unterschieden, daß bei jenem, dem erhabeneren Relief, die Figuren stark und über die Hälfte ihrer Dicke aus dem Grund hervorstehen, in diesem aber nicht einmal mit der Hälfte ihrer Dicke sich von dem Grund abheben. Da diese beiden Arten sich nicht wesentlich von einander unterscheiden, so kann das eigentliche Basrelief oder die flach erhabene Arbeit als das, was die besondere Eigenschaft der Gattung am ausgezeichnetsten darstellt, als Repräsentant derselben, genommen werden.
§. 120. Das Basrelief ist selbst innerhalb der Plastik als eine ganz ideale Kunstform zu betrachten. -- Folgt schon daraus, daß = Malerei. Wir werden seine Natur vollkommen erschöpft haben, wenn wir diesen idealen Charakter nach seinen einzel- nen Bestimmungen darlegen.
Man kann schon zum voraus vermuthen, daß das Basrelief in seiner Art noch idealer seyn müsse als selbst die Malerei, da es von der höheren Kunstform, der Plastik, zur tieferen zurückstrebt. Es hat zwar allerdings darin, daß es uns nur die Hälfte der Figuren, nicht, wie die Plastik, die ganzen, rund gearbeiteten darstellt, sowie in der flachen Erhöhung einen Grund für sich in der Natur. Wenn wir nicht um eine Figur rund herumgehen, sehen wir nur die uns zugekehrte Hälfte, selbst wenn die Figur freisteht, wenigstens vor dem gleichför- migen Hintergrund der Luft. Daß die Figuren nicht erhabener, sondern
§. 119. Die Malerei in der Plaſtik iſt das Basrelief. — Denn das Basrelief ſtellt ſeine Gegenſtände einerſeits zwar auf körperliche Weiſe, andererſeits doch nach dem Schein vor, und bedarf wie die Malerei des Grundes oder der Zugabe des Raums.
Die Beſchränkung, welche der Malerei eben dadurch geſetzt iſt, daß ſie außer den Gegenſtänden auch den Raum darzuſtellen hat, in welchem dieſe erſcheinen, iſt hier noch nicht überwunden, oder, wenn man will, die Plaſtik kehrt in dieſe Schranke freiwillig zurück. Sowohl dadurch als durch die Darſtellung des Scheins iſt das Basrelief als die Malerei in der Plaſtik anzuſehen.
Anmerkung. Etwas von der Unterſcheidung des Haut- und Basrelief iſt zu erwähnen. Beide ſind dadurch unterſchieden, daß bei jenem, dem erhabeneren Relief, die Figuren ſtark und über die Hälfte ihrer Dicke aus dem Grund hervorſtehen, in dieſem aber nicht einmal mit der Hälfte ihrer Dicke ſich von dem Grund abheben. Da dieſe beiden Arten ſich nicht weſentlich von einander unterſcheiden, ſo kann das eigentliche Basrelief oder die flach erhabene Arbeit als das, was die beſondere Eigenſchaft der Gattung am ausgezeichnetſten darſtellt, als Repräſentant derſelben, genommen werden.
§. 120. Das Basrelief iſt ſelbſt innerhalb der Plaſtik als eine ganz ideale Kunſtform zu betrachten. — Folgt ſchon daraus, daß = Malerei. Wir werden ſeine Natur vollkommen erſchöpft haben, wenn wir dieſen idealen Charakter nach ſeinen einzel- nen Beſtimmungen darlegen.
Man kann ſchon zum voraus vermuthen, daß das Basrelief in ſeiner Art noch idealer ſeyn müſſe als ſelbſt die Malerei, da es von der höheren Kunſtform, der Plaſtik, zur tieferen zurückſtrebt. Es hat zwar allerdings darin, daß es uns nur die Hälfte der Figuren, nicht, wie die Plaſtik, die ganzen, rund gearbeiteten darſtellt, ſowie in der flachen Erhöhung einen Grund für ſich in der Natur. Wenn wir nicht um eine Figur rund herumgehen, ſehen wir nur die uns zugekehrte Hälfte, ſelbſt wenn die Figur freiſteht, wenigſtens vor dem gleichför- migen Hintergrund der Luft. Daß die Figuren nicht erhabener, ſondern
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§. 119. Die Malerei in der Plaſtik iſt das Basrelief.
— Denn das Basrelief ſtellt ſeine Gegenſtände einerſeits zwar auf
körperliche Weiſe, andererſeits doch nach dem Schein vor, und bedarf
wie die Malerei des Grundes oder der Zugabe des Raums.
Die Beſchränkung, welche der Malerei eben dadurch geſetzt iſt,
daß ſie außer den Gegenſtänden auch den Raum darzuſtellen hat, in
welchem dieſe erſcheinen, iſt hier noch nicht überwunden, oder, wenn
man will, die Plaſtik kehrt in dieſe Schranke freiwillig zurück. Sowohl
dadurch als durch die Darſtellung des Scheins iſt das Basrelief als
die Malerei in der Plaſtik anzuſehen.
Anmerkung. Etwas von der Unterſcheidung des Haut- und
Basrelief iſt zu erwähnen. Beide ſind dadurch unterſchieden, daß
bei jenem, dem erhabeneren Relief, die Figuren ſtark und über die Hälfte
ihrer Dicke aus dem Grund hervorſtehen, in dieſem aber nicht einmal
mit der Hälfte ihrer Dicke ſich von dem Grund abheben. Da dieſe
beiden Arten ſich nicht weſentlich von einander unterſcheiden, ſo kann
das eigentliche Basrelief oder die flach erhabene Arbeit als das, was
die beſondere Eigenſchaft der Gattung am ausgezeichnetſten darſtellt,
als Repräſentant derſelben, genommen werden.
§. 120. Das Basrelief iſt ſelbſt innerhalb der Plaſtik
als eine ganz ideale Kunſtform zu betrachten. — Folgt
ſchon daraus, daß = Malerei. Wir werden ſeine Natur vollkommen
erſchöpft haben, wenn wir dieſen idealen Charakter nach ſeinen einzel-
nen Beſtimmungen darlegen.
Man kann ſchon zum voraus vermuthen, daß das Basrelief in
ſeiner Art noch idealer ſeyn müſſe als ſelbſt die Malerei, da es von
der höheren Kunſtform, der Plaſtik, zur tieferen zurückſtrebt. Es hat
zwar allerdings darin, daß es uns nur die Hälfte der Figuren, nicht,
wie die Plaſtik, die ganzen, rund gearbeiteten darſtellt, ſowie in der
flachen Erhöhung einen Grund für ſich in der Natur. Wenn wir nicht
um eine Figur rund herumgehen, ſehen wir nur die uns zugekehrte
Hälfte, ſelbſt wenn die Figur freiſteht, wenigſtens vor dem gleichför-
migen Hintergrund der Luft. Daß die Figuren nicht erhabener, ſondern
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/275>, abgerufen am 22.11.2024.
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