Ganz auf dieselbe Art, wie bey einem freyen Selbstumgang in der Natur ver- hält man sich beym eigentlichen Zwecke des Spatzierengehns im Freyen, wo man mit unbefangenem Gemüth sich bloß den Ein- drücken von den Erscheinungen der Natur überläßt. Auch da steht der Geist mit der Natur noch in Wechselwirkung, berührt sie nicht unmittelbar, sondern nur mittel- bar durch die Art seiner geistigen Existenz, seiner Stimmung, seiner Jdeen und Ge- fühle, die er, nur jeder in einem eigenen Maaß, zum Anblick derselben mitbringt. Denn bloßes, blindes Anschauen der Na- tur würde ohne damit verknüpfte Gefühle und Jdeen, wodurch die Betrachtung derselben erst Sinn und Bedeutung erhält und deren mannigfaltigeres Spiel bey ei-
Ganz auf dieſelbe Art, wie bey einem freyen Selbſtumgang in der Natur ver- haͤlt man ſich beym eigentlichen Zwecke des Spatzierengehns im Freyen, wo man mit unbefangenem Gemuͤth ſich bloß den Ein- druͤcken von den Erſcheinungen der Natur uͤberlaͤßt. Auch da ſteht der Geiſt mit der Natur noch in Wechſelwirkung, beruͤhrt ſie nicht unmittelbar, ſondern nur mittel- bar durch die Art ſeiner geiſtigen Exiſtenz, ſeiner Stimmung, ſeiner Jdeen und Ge- fuͤhle, die er, nur jeder in einem eigenen Maaß, zum Anblick derſelben mitbringt. Denn bloßes, blindes Anſchauen der Na- tur wuͤrde ohne damit verknuͤpfte Gefuͤhle und Jdeen, wodurch die Betrachtung derſelben erſt Sinn und Bedeutung erhaͤlt und deren mannigfaltigeres Spiel bey ei-
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Ganz auf dieſelbe Art, wie bey einem
freyen Selbſtumgang in der Natur ver-
haͤlt man ſich beym eigentlichen Zwecke des
Spatzierengehns im Freyen, wo man mit
unbefangenem Gemuͤth ſich bloß den Ein-
druͤcken von den Erſcheinungen der Natur
uͤberlaͤßt. Auch da ſteht der Geiſt mit
der Natur noch in Wechſelwirkung, beruͤhrt
ſie nicht unmittelbar, ſondern nur mittel-
bar durch die Art ſeiner geiſtigen Exiſtenz,
ſeiner Stimmung, ſeiner Jdeen und Ge-
fuͤhle, die er, nur jeder in einem eigenen
Maaß, zum Anblick derſelben mitbringt.
Denn bloßes, blindes Anſchauen der Na-
tur wuͤrde ohne damit verknuͤpfte Gefuͤhle
und Jdeen, wodurch die Betrachtung
derſelben erſt Sinn und Bedeutung erhaͤlt
und deren mannigfaltigeres Spiel bey ei-
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Schelle, Karl Gottlob: Die Spatziergänge oder die Kunst spatzieren zu gehen. Leipzig, 1802, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelle_spatziergaenge_1802/79>, abgerufen am 17.05.2024.
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