los von einer Pflanze zur andern, nimmt jede Blume mit Neugierde und Theil- nahme in Augenschein, und genießt, so wie er nur anfängt die allgemeinen Gesetze ihres Baues zu fassen, bey der Beobach- tung derselben ohne die geringste Anstren- gung, ein eben so großes Vergnügen, als ob er noch so viel Mühe und Zeit darauf verwendet hätte. Es liegt in dieser müßi- gen Beschäftigung ein Reitz, den man freylich nur in der vollkommenen Stille aller Leidenschaften empfinden kann, der aber dann auch allein hinreicht, das Leben glücklich und angenehm zu machen. So- bald sich indeß hierzu irgend ein Beweg- grund des Eigennutzes und der Eitelkeit gesellt, es sey nun, um sich ein Ansehen zu geben, oder ein Buch zu schreiben; kurz sobald man nur lernen will, um An- dere zu unterrichten, sich mit Pflanzen nur beschäftigt, um Schriftsteller oder öf-
los von einer Pflanze zur andern, nimmt jede Blume mit Neugierde und Theil- nahme in Augenſchein, und genießt, ſo wie er nur anfaͤngt die allgemeinen Geſetze ihres Baues zu faſſen, bey der Beobach- tung derſelben ohne die geringſte Anſtren- gung, ein eben ſo großes Vergnuͤgen, als ob er noch ſo viel Muͤhe und Zeit darauf verwendet haͤtte. Es liegt in dieſer muͤßi- gen Beſchaͤftigung ein Reitz, den man freylich nur in der vollkommenen Stille aller Leidenſchaften empfinden kann, der aber dann auch allein hinreicht, das Leben gluͤcklich und angenehm zu machen. So- bald ſich indeß hierzu irgend ein Beweg- grund des Eigennutzes und der Eitelkeit geſellt, es ſey nun, um ſich ein Anſehen zu geben, oder ein Buch zu ſchreiben; kurz ſobald man nur lernen will, um An- dere zu unterrichten, ſich mit Pflanzen nur beſchaͤftigt, um Schriftſteller oder oͤf-
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los von einer Pflanze zur andern, nimmt
jede Blume mit Neugierde und Theil-
nahme in Augenſchein, und genießt, ſo
wie er nur anfaͤngt die allgemeinen Geſetze
ihres Baues zu faſſen, bey der Beobach-
tung derſelben ohne die geringſte Anſtren-
gung, ein eben ſo großes Vergnuͤgen, als
ob er noch ſo viel Muͤhe und Zeit darauf
verwendet haͤtte. Es liegt in dieſer muͤßi-
gen Beſchaͤftigung ein Reitz, den man
freylich nur in der vollkommenen Stille
aller Leidenſchaften empfinden kann, der
aber dann auch allein hinreicht, das Leben
gluͤcklich und angenehm zu machen. So-
bald ſich indeß hierzu irgend ein Beweg-
grund des Eigennutzes und der Eitelkeit
geſellt, es ſey nun, um ſich ein Anſehen
zu geben, oder ein Buch zu ſchreiben;
kurz ſobald man nur lernen will, um An-
dere zu unterrichten, ſich mit Pflanzen
nur beſchaͤftigt, um Schriftſteller oder oͤf-
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Schelle, Karl Gottlob: Die Spatziergänge oder die Kunst spatzieren zu gehen. Leipzig, 1802, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelle_spatziergaenge_1802/274>, abgerufen am 24.11.2024.
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