Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

digungen an denen, die ihm Güte erzeigten.
Sieger, die den Kriegsgletscher zu schnell
schmelzen lassen, bringen selbst die Wasser-
stürze hervor, die sie selbst überschwemmen,
und leiten Ströme auf zur Ungebühr an-
gelegte Mühlen, die nicht weiter mahlen
sollten.

Nach den Zeitungen hat Frankreich
durch den Frieden vom 21sten Novbr. 1815
gewonnen 168 # Meilen Land, 500,000
Menschen und 2,717,000 Fr. Ertrag. Und
klingt es nicht wunderlich, wenn es heißt:
"es könne in einiger Hinsicht jedoch zum
Trost gereichen, daß Frankreich diese Bedin-
gungen nicht ertrotzt hat, sondern daß sie
von den Verbundeten vorgeschrieben sind,"
wem fällt dabey nicht ein: tant mieux pour
eux, tant pis pour nous?

Wie konnte man den Franzosen einen
Frieden geben, der sie in allen ihren bösen
Eigenschaften bestärken, und den entthron-
ten, nach Elba verbannten Napoleon zum
Lachen bewegen muß, ob er gleich, wofern
er nicht mit einer schrecklichen Mentalreser-
vation von der Herrscherbühne abgetreten
ist, über sein letztes Benehmen ernstlich
weinen sollte. Das menschliche Herz ist

G g 2

digungen an denen, die ihm Guͤte erzeigten.
Sieger, die den Kriegsgletſcher zu ſchnell
ſchmelzen laſſen, bringen ſelbſt die Waſſer-
ſtuͤrze hervor, die ſie ſelbſt uͤberſchwemmen,
und leiten Stroͤme auf zur Ungebuͤhr an-
gelegte Muͤhlen, die nicht weiter mahlen
ſollten.

Nach den Zeitungen hat Frankreich
durch den Frieden vom 21ſten Novbr. 1815
gewonnen 168 □ Meilen Land, 500,000
Menſchen und 2,717,000 Fr. Ertrag. Und
klingt es nicht wunderlich, wenn es heißt:
„es koͤnne in einiger Hinſicht jedoch zum
Troſt gereichen, daß Frankreich dieſe Bedin-
gungen nicht ertrotzt hat, ſondern daß ſie
von den Verbundeten vorgeſchrieben ſind,“
wem faͤllt dabey nicht ein: tant mieux pour
eux, tant pis pour nous?

Wie konnte man den Franzoſen einen
Frieden geben, der ſie in allen ihren boͤſen
Eigenſchaften beſtaͤrken, und den entthron-
ten, nach Elba verbannten Napoleon zum
Lachen bewegen muß, ob er gleich, wofern
er nicht mit einer ſchrecklichen Mentalreſer-
vation von der Herrſcherbuͤhne abgetreten
iſt, uͤber ſein letztes Benehmen ernſtlich
weinen ſollte. Das menſchliche Herz iſt

G g 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0484" n="467"/>
digungen an denen, die ihm Gu&#x0364;te erzeigten.<lb/>
Sieger, die den Kriegsglet&#x017F;cher zu &#x017F;chnell<lb/>
&#x017F;chmelzen la&#x017F;&#x017F;en, bringen &#x017F;elb&#x017F;t die Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rze hervor, die &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;ber&#x017F;chwemmen,<lb/>
und leiten Stro&#x0364;me auf zur Ungebu&#x0364;hr an-<lb/>
gelegte Mu&#x0364;hlen, die nicht weiter mahlen<lb/>
&#x017F;ollten.</p><lb/>
          <p>Nach den Zeitungen hat Frankreich<lb/>
durch den Frieden vom 21&#x017F;ten Novbr. 1815<lb/>
gewonnen 168 &#x25A1; Meilen Land, 500,000<lb/>
Men&#x017F;chen und 2,717,000 Fr. Ertrag. Und<lb/>
klingt es nicht wunderlich, wenn es heißt:<lb/>
&#x201E;es ko&#x0364;nne in einiger Hin&#x017F;icht jedoch zum<lb/>
Tro&#x017F;t gereichen, daß Frankreich die&#x017F;e Bedin-<lb/>
gungen nicht ertrotzt hat, &#x017F;ondern daß &#x017F;ie<lb/>
von den Verbundeten vorge&#x017F;chrieben &#x017F;ind,&#x201C;<lb/>
wem fa&#x0364;llt dabey nicht ein: <hi rendition="#aq">tant mieux pour<lb/>
eux, tant pis pour nous?</hi></p><lb/>
          <p>Wie konnte man den Franzo&#x017F;en einen<lb/>
Frieden geben, der &#x017F;ie in allen ihren bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Eigen&#x017F;chaften be&#x017F;ta&#x0364;rken, und den entthron-<lb/>
ten, nach Elba verbannten Napoleon zum<lb/>
Lachen bewegen muß, ob er gleich, wofern<lb/>
er nicht mit einer &#x017F;chrecklichen Mentalre&#x017F;er-<lb/>
vation von der Herr&#x017F;cherbu&#x0364;hne abgetreten<lb/>
i&#x017F;t, u&#x0364;ber &#x017F;ein letztes Benehmen ern&#x017F;tlich<lb/>
weinen &#x017F;ollte. Das men&#x017F;chliche Herz i&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[467/0484] digungen an denen, die ihm Guͤte erzeigten. Sieger, die den Kriegsgletſcher zu ſchnell ſchmelzen laſſen, bringen ſelbſt die Waſſer- ſtuͤrze hervor, die ſie ſelbſt uͤberſchwemmen, und leiten Stroͤme auf zur Ungebuͤhr an- gelegte Muͤhlen, die nicht weiter mahlen ſollten. Nach den Zeitungen hat Frankreich durch den Frieden vom 21ſten Novbr. 1815 gewonnen 168 □ Meilen Land, 500,000 Menſchen und 2,717,000 Fr. Ertrag. Und klingt es nicht wunderlich, wenn es heißt: „es koͤnne in einiger Hinſicht jedoch zum Troſt gereichen, daß Frankreich dieſe Bedin- gungen nicht ertrotzt hat, ſondern daß ſie von den Verbundeten vorgeſchrieben ſind,“ wem faͤllt dabey nicht ein: tant mieux pour eux, tant pis pour nous? Wie konnte man den Franzoſen einen Frieden geben, der ſie in allen ihren boͤſen Eigenſchaften beſtaͤrken, und den entthron- ten, nach Elba verbannten Napoleon zum Lachen bewegen muß, ob er gleich, wofern er nicht mit einer ſchrecklichen Mentalreſer- vation von der Herrſcherbuͤhne abgetreten iſt, uͤber ſein letztes Benehmen ernſtlich weinen ſollte. Das menſchliche Herz iſt G g 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/484
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/484>, abgerufen am 17.05.2024.