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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Umstand dabey hat etwas milderndes, der
nehmlich, daß ihr Sterben vor mir sie
vor den tausend Unannehmlichkeiten der
Rechts- und Unrechts-Menschen bewahrt
hat, denen ein Mann, wenn er auch schon
recht alt ist, besser begegnen und widerstehen
kann, wie eine hochbetagte, durch mancher-
ley schmerzhafte Krankheit geschwächte Frau.
Diese Unannehmlichkeiten hoff ich noch glück-
lich zu besiegen, aber die Trauer um Sie
wird nie von mir weichen, so sehr auch
meine Freunde auf das Recht der Zeit über
Leiden und Freuden rechnen. Am 24sten
Juny sah und hört ich die Erde auf ihren
einfachen Sarg herabtönen. Möchte man
doch auch mich meiner Vorschrift gemäß, so
in dem bereits fertigstehenden Sarge der.
Erde übergeben, die unser aller Mutter ist,
durch die aber der gerade Weg zum Vater
geht, der ewig ist.

Nach einem frommen Leben starb meine
Babet bald nach dem Eintritt ins 80ste
Jahr so schnell, daß zwischen einem kleinen
Gespräch mit mir und ihrem Tode kaum
eine Minute verstrich. Bey einer gewissen
Anhänglichkeit an das Leben, die ihr eigen
war, halt ich den schnellen Gang aus dem

Umſtand dabey hat etwas milderndes, der
nehmlich, daß ihr Sterben vor mir ſie
vor den tauſend Unannehmlichkeiten der
Rechts- und Unrechts-Menſchen bewahrt
hat, denen ein Mann, wenn er auch ſchon
recht alt iſt, beſſer begegnen und widerſtehen
kann, wie eine hochbetagte, durch mancher-
ley ſchmerzhafte Krankheit geſchwaͤchte Frau.
Dieſe Unannehmlichkeiten hoff ich noch gluͤck-
lich zu beſiegen, aber die Trauer um Sie
wird nie von mir weichen, ſo ſehr auch
meine Freunde auf das Recht der Zeit uͤber
Leiden und Freuden rechnen. Am 24ſten
Juny ſah und hoͤrt ich die Erde auf ihren
einfachen Sarg herabtoͤnen. Moͤchte man
doch auch mich meiner Vorſchrift gemaͤß, ſo
in dem bereits fertigſtehenden Sarge der.
Erde uͤbergeben, die unſer aller Mutter iſt,
durch die aber der gerade Weg zum Vater
geht, der ewig iſt.

Nach einem frommen Leben ſtarb meine
Babet bald nach dem Eintritt ins 80ſte
Jahr ſo ſchnell, daß zwiſchen einem kleinen
Geſpraͤch mit mir und ihrem Tode kaum
eine Minute verſtrich. Bey einer gewiſſen
Anhaͤnglichkeit an das Leben, die ihr eigen
war, halt ich den ſchnellen Gang aus dem

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[456/0473] Umſtand dabey hat etwas milderndes, der nehmlich, daß ihr Sterben vor mir ſie vor den tauſend Unannehmlichkeiten der Rechts- und Unrechts-Menſchen bewahrt hat, denen ein Mann, wenn er auch ſchon recht alt iſt, beſſer begegnen und widerſtehen kann, wie eine hochbetagte, durch mancher- ley ſchmerzhafte Krankheit geſchwaͤchte Frau. Dieſe Unannehmlichkeiten hoff ich noch gluͤck- lich zu beſiegen, aber die Trauer um Sie wird nie von mir weichen, ſo ſehr auch meine Freunde auf das Recht der Zeit uͤber Leiden und Freuden rechnen. Am 24ſten Juny ſah und hoͤrt ich die Erde auf ihren einfachen Sarg herabtoͤnen. Moͤchte man doch auch mich meiner Vorſchrift gemaͤß, ſo in dem bereits fertigſtehenden Sarge der. Erde uͤbergeben, die unſer aller Mutter iſt, durch die aber der gerade Weg zum Vater geht, der ewig iſt. Nach einem frommen Leben ſtarb meine Babet bald nach dem Eintritt ins 80ſte Jahr ſo ſchnell, daß zwiſchen einem kleinen Geſpraͤch mit mir und ihrem Tode kaum eine Minute verſtrich. Bey einer gewiſſen Anhaͤnglichkeit an das Leben, die ihr eigen war, halt ich den ſchnellen Gang aus dem

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/473>, abgerufen am 22.11.2024.