körperlicher Thätigkeit, weil, wenn eine oder die andere ganz wegfällt, die Kette zer- reißt, vermittelst welcher man mit andern Menschen zusammen hält. Wie mäßige Ermüdung, dergleichen ich mir durch kleine Arbeiten im selbst angelegten (seit Ostern 1814 verlaßnen) Gärtchen zu schaffen suche, das Einschlafen befördert, das ich für keine Kleinigkeit halte und bisher genossen habe, so denke ich, muß die fortwährende Leibes- und Geistes-Beschäftigung das Sterben er- leichtern, oder eigentlich unmerklich machen, und wohl mir, wenn auch mir das herrliche Loos fiele, im letzten Moment sagen zu können nach Simeon: "Herr, nun lässest du "deinen Diener in Frieden fahren," nach- dem seine Augen genug gesehen haben von dieser Welt, um gerne zur andern überzu- gehen, und nach Paul Gerhardt zu singen:
Wo ich bisher gesessen, war nicht mein rechtes Haus: Mein Ziel ist ausgemessen und gern tret ich hinaus, leg, was ich hier gebrauchet, sehr ruhig alles ab, und wenn ich ausgehauchet, verscharr man mich ins Grab.
koͤrperlicher Thaͤtigkeit, weil, wenn eine oder die andere ganz wegfaͤllt, die Kette zer- reißt, vermittelſt welcher man mit andern Menſchen zuſammen haͤlt. Wie maͤßige Ermuͤdung, dergleichen ich mir durch kleine Arbeiten im ſelbſt angelegten (ſeit Oſtern 1814 verlaßnen) Gaͤrtchen zu ſchaffen ſuche, das Einſchlafen befoͤrdert, das ich fuͤr keine Kleinigkeit halte und bisher genoſſen habe, ſo denke ich, muß die fortwaͤhrende Leibes- und Geiſtes-Beſchaͤftigung das Sterben er- leichtern, oder eigentlich unmerklich machen, und wohl mir, wenn auch mir das herrliche Loos fiele, im letzten Moment ſagen zu koͤnnen nach Simeon: „Herr, nun laͤſſeſt du „deinen Diener in Frieden fahren,“ nach- dem ſeine Augen genug geſehen haben von dieſer Welt, um gerne zur andern uͤberzu- gehen, und nach Paul Gerhardt zu ſingen:
Wo ich bisher geſeſſen, war nicht mein rechtes Haus: Mein Ziel iſt ausgemeſſen und gern tret ich hinaus, leg, was ich hier gebrauchet, ſehr ruhig alles ab, und wenn ich ausgehauchet, verſcharr man mich ins Grab.
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koͤrperlicher Thaͤtigkeit, weil, wenn eine
oder die andere ganz wegfaͤllt, die Kette zer-
reißt, vermittelſt welcher man mit andern
Menſchen zuſammen haͤlt. Wie maͤßige
Ermuͤdung, dergleichen ich mir durch kleine
Arbeiten im ſelbſt angelegten (ſeit Oſtern
1814 verlaßnen) Gaͤrtchen zu ſchaffen ſuche,
das Einſchlafen befoͤrdert, das ich fuͤr keine
Kleinigkeit halte und bisher genoſſen habe,
ſo denke ich, muß die fortwaͤhrende Leibes-
und Geiſtes-Beſchaͤftigung das Sterben er-
leichtern, oder eigentlich unmerklich machen,
und wohl mir, wenn auch mir das herrliche
Loos fiele, im letzten Moment ſagen zu
koͤnnen nach Simeon: „Herr, nun laͤſſeſt du
„deinen Diener in Frieden fahren,“ nach-
dem ſeine Augen genug geſehen haben von
dieſer Welt, um gerne zur andern uͤberzu-
gehen, und nach Paul Gerhardt zu ſingen:
Wo ich bisher geſeſſen,
war nicht mein rechtes Haus:
Mein Ziel iſt ausgemeſſen
und gern tret ich hinaus,
leg, was ich hier gebrauchet,
ſehr ruhig alles ab,
und wenn ich ausgehauchet,
verſcharr man mich ins Grab.
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/421>, abgerufen am 25.11.2024.
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