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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Meine Rasirmesser stecken noch in dem al-
ten Futteral, dessen sich mein Vater be-
diente. Aus dieser Anhänglichkeit entspringt
gewiß auch das Vergnügen, welches mir das
Besorgen kleiner Hausgeschäfte macht, mit
denen ich mich öfterer und mehr beschäftigen
möchte, wenn meine Frau nicht ihrem De-
partement mit einer Art von Eifersucht vor-
gestanden hätte, oder die Prediger-Wittwe,
die seit länger als ein Viertel Jahrhundert
bey uns ist, es mir erlaubte. Jm Knaben-
alter gab ich dem Stubenmädchen meine
Frühstücksemmel, wenn es mir das Bett
selbst zu machen gestattete. Zum Küchenzet-
tel geb ich gern mein votum consultati-
vum,
vergeß aber bis zur Tischzeit mehren-
theils seinen Jnhalt, besonders wenn er
keins von meinen Lieblingsgerichten, die zu
der strengsten Hausmannskost gehören, ent-
hält. Die Tasse, aus der ich, nach viele
Jahre lang abgeschafftem, jetzt (1813) aber
wieder mit großem Appetit genossenen Nach-
mittagscaffe, zwischen 6 und 7 Thee mit
Honig trinke, wasch ich mehrentheils selbst
aus.

Meine Anlage zum Auffinden der comi-
schen Seite, oft bey für ganz ernsthaft ge-

Meine Raſirmeſſer ſtecken noch in dem al-
ten Futteral, deſſen ſich mein Vater be-
diente. Aus dieſer Anhaͤnglichkeit entſpringt
gewiß auch das Vergnuͤgen, welches mir das
Beſorgen kleiner Hausgeſchaͤfte macht, mit
denen ich mich oͤfterer und mehr beſchaͤftigen
moͤchte, wenn meine Frau nicht ihrem De-
partement mit einer Art von Eiferſucht vor-
geſtanden haͤtte, oder die Prediger-Wittwe,
die ſeit laͤnger als ein Viertel Jahrhundert
bey uns iſt, es mir erlaubte. Jm Knaben-
alter gab ich dem Stubenmaͤdchen meine
Fruͤhſtuͤckſemmel, wenn es mir das Bett
ſelbſt zu machen geſtattete. Zum Kuͤchenzet-
tel geb ich gern mein votum conſultati-
vum,
vergeß aber bis zur Tiſchzeit mehren-
theils ſeinen Jnhalt, beſonders wenn er
keins von meinen Lieblingsgerichten, die zu
der ſtrengſten Hausmannskoſt gehoͤren, ent-
haͤlt. Die Taſſe, aus der ich, nach viele
Jahre lang abgeſchafftem, jetzt (1813) aber
wieder mit großem Appetit genoſſenen Nach-
mittagscaffe, zwiſchen 6 und 7 Thee mit
Honig trinke, waſch ich mehrentheils ſelbſt
aus.

Meine Anlage zum Auffinden der comi-
ſchen Seite, oft bey fuͤr ganz ernſthaft ge-

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[338/0355] Meine Raſirmeſſer ſtecken noch in dem al- ten Futteral, deſſen ſich mein Vater be- diente. Aus dieſer Anhaͤnglichkeit entſpringt gewiß auch das Vergnuͤgen, welches mir das Beſorgen kleiner Hausgeſchaͤfte macht, mit denen ich mich oͤfterer und mehr beſchaͤftigen moͤchte, wenn meine Frau nicht ihrem De- partement mit einer Art von Eiferſucht vor- geſtanden haͤtte, oder die Prediger-Wittwe, die ſeit laͤnger als ein Viertel Jahrhundert bey uns iſt, es mir erlaubte. Jm Knaben- alter gab ich dem Stubenmaͤdchen meine Fruͤhſtuͤckſemmel, wenn es mir das Bett ſelbſt zu machen geſtattete. Zum Kuͤchenzet- tel geb ich gern mein votum conſultati- vum, vergeß aber bis zur Tiſchzeit mehren- theils ſeinen Jnhalt, beſonders wenn er keins von meinen Lieblingsgerichten, die zu der ſtrengſten Hausmannskoſt gehoͤren, ent- haͤlt. Die Taſſe, aus der ich, nach viele Jahre lang abgeſchafftem, jetzt (1813) aber wieder mit großem Appetit genoſſenen Nach- mittagscaffe, zwiſchen 6 und 7 Thee mit Honig trinke, waſch ich mehrentheils ſelbſt aus. Meine Anlage zum Auffinden der comi- ſchen Seite, oft bey fuͤr ganz ernſthaft ge-

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/355>, abgerufen am 23.11.2024.