schwer wurde, denn hatten wir gleich kei- nen häufigen Umgang mit einander gepflo- gen, so hatten wir doch, wenn wir uns sa- hen, stets nach unserm Herzen über alles ge- sprochen. Jch pflegte ihm manchmal vorzu- werfen, daß er mich beynah wie eine Re- spektsperson behandle, welches der Freund- schaft, die auf das Gleichheitsrecht besteht, nicht angemessen oder zuträglich zu seyn schei- net, man muß aber in solchen Fällen den Glauben, von seinem sich zurückhaltenden Freunde herzlich wieder geliebt zu seyn, zu Hülfe nehmen, und hoffentlich hab ich recht gethan, diesen Glauben an Nicolovius nicht fahren zu lassen.
Während meiner vielwöchentlichen Krank- heit war die Stadt ganz fremdenleer gewor- den, und also auch das ganze Hofwesen in sein Centrum, die Residenz, zurückgekehrt.
Mit Vergnügen erinnre ich mich man- cher Natur- und Kunstprodukte, die ich ge- sehen habe, und wünsche mit unter, sie auch wiedersehen zu können. Einen Hof wünsch' ich aber nicht wieder zu schauen, denn ich glaube, an einem, den man mir als einen vorzüglichen gerühmet, doch wahre Wesen- losigkeit bemerkt zu haben. Die Welt-
ſchwer wurde, denn hatten wir gleich kei- nen haͤufigen Umgang mit einander gepflo- gen, ſo hatten wir doch, wenn wir uns ſa- hen, ſtets nach unſerm Herzen uͤber alles ge- ſprochen. Jch pflegte ihm manchmal vorzu- werfen, daß er mich beynah wie eine Re- ſpektsperſon behandle, welches der Freund- ſchaft, die auf das Gleichheitsrecht beſteht, nicht angemeſſen oder zutraͤglich zu ſeyn ſchei- net, man muß aber in ſolchen Faͤllen den Glauben, von ſeinem ſich zuruͤckhaltenden Freunde herzlich wieder geliebt zu ſeyn, zu Huͤlfe nehmen, und hoffentlich hab ich recht gethan, dieſen Glauben an Nicolovius nicht fahren zu laſſen.
Waͤhrend meiner vielwoͤchentlichen Krank- heit war die Stadt ganz fremdenleer gewor- den, und alſo auch das ganze Hofweſen in ſein Centrum, die Reſidenz, zuruͤckgekehrt.
Mit Vergnuͤgen erinnre ich mich man- cher Natur- und Kunſtprodukte, die ich ge- ſehen habe, und wuͤnſche mit unter, ſie auch wiederſehen zu koͤnnen. Einen Hof wuͤnſch’ ich aber nicht wieder zu ſchauen, denn ich glaube, an einem, den man mir als einen vorzuͤglichen geruͤhmet, doch wahre Weſen- loſigkeit bemerkt zu haben. Die Welt-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0334"n="317"/>ſchwer wurde, denn hatten wir gleich kei-<lb/>
nen haͤufigen Umgang mit einander gepflo-<lb/>
gen, ſo hatten wir doch, wenn wir uns ſa-<lb/>
hen, ſtets nach unſerm Herzen uͤber alles ge-<lb/>ſprochen. Jch pflegte ihm manchmal vorzu-<lb/>
werfen, daß er mich beynah wie eine Re-<lb/>ſpektsperſon behandle, welches der Freund-<lb/>ſchaft, die auf das Gleichheitsrecht beſteht,<lb/>
nicht angemeſſen oder zutraͤglich zu ſeyn ſchei-<lb/>
net, man muß aber in ſolchen Faͤllen den<lb/>
Glauben, von ſeinem ſich zuruͤckhaltenden<lb/>
Freunde herzlich wieder geliebt zu ſeyn, zu<lb/>
Huͤlfe nehmen, und hoffentlich hab ich recht<lb/>
gethan, dieſen Glauben an Nicolovius nicht<lb/>
fahren zu laſſen.</p><lb/><p>Waͤhrend meiner vielwoͤchentlichen Krank-<lb/>
heit war die Stadt ganz fremdenleer gewor-<lb/>
den, und alſo auch das ganze Hofweſen in<lb/>ſein Centrum, die Reſidenz, zuruͤckgekehrt.</p><lb/><p>Mit Vergnuͤgen erinnre ich mich man-<lb/>
cher Natur- und Kunſtprodukte, die ich ge-<lb/>ſehen habe, und wuͤnſche mit unter, ſie auch<lb/>
wiederſehen zu koͤnnen. Einen Hof wuͤnſch’<lb/>
ich aber nicht wieder zu ſchauen, denn ich<lb/>
glaube, an einem, den man mir als einen<lb/>
vorzuͤglichen geruͤhmet, doch wahre <hirendition="#g">Weſen-<lb/>
loſigkeit</hi> bemerkt zu haben. Die Welt-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[317/0334]
ſchwer wurde, denn hatten wir gleich kei-
nen haͤufigen Umgang mit einander gepflo-
gen, ſo hatten wir doch, wenn wir uns ſa-
hen, ſtets nach unſerm Herzen uͤber alles ge-
ſprochen. Jch pflegte ihm manchmal vorzu-
werfen, daß er mich beynah wie eine Re-
ſpektsperſon behandle, welches der Freund-
ſchaft, die auf das Gleichheitsrecht beſteht,
nicht angemeſſen oder zutraͤglich zu ſeyn ſchei-
net, man muß aber in ſolchen Faͤllen den
Glauben, von ſeinem ſich zuruͤckhaltenden
Freunde herzlich wieder geliebt zu ſeyn, zu
Huͤlfe nehmen, und hoffentlich hab ich recht
gethan, dieſen Glauben an Nicolovius nicht
fahren zu laſſen.
Waͤhrend meiner vielwoͤchentlichen Krank-
heit war die Stadt ganz fremdenleer gewor-
den, und alſo auch das ganze Hofweſen in
ſein Centrum, die Reſidenz, zuruͤckgekehrt.
Mit Vergnuͤgen erinnre ich mich man-
cher Natur- und Kunſtprodukte, die ich ge-
ſehen habe, und wuͤnſche mit unter, ſie auch
wiederſehen zu koͤnnen. Einen Hof wuͤnſch’
ich aber nicht wieder zu ſchauen, denn ich
glaube, an einem, den man mir als einen
vorzuͤglichen geruͤhmet, doch wahre Weſen-
loſigkeit bemerkt zu haben. Die Welt-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/334>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.