nigsbergs Schicksal so entschieden war, daß der daselbst kommandirende General Rüchel, der manche Vertheidigungsanstalten mit vie- len Kosten vergeblich getroffen, gar nicht nöthig gehabt hätte, ein Paar Tage vor dem Einrücken der Franzosen, eine große Anzahl Häuser und Windmühlen sans rime et sans raison abbrennen zu lassen. L'Estocq zog sich mit seinem kleinen Truppencorps nach dem letzten Flick des einst weiten preu- ßischen Kriegsmantels; am 16. sah ich um 6 Uhr Morgens die Franzosen in großen Haufen mit schöner Kriegsmusik meine Woh- nung vorbey ziehen, und alles trat nunmehr unter die physische Gewalt eines Volks, des- sen Kraft, Geist und Gewandheit man be- wundern muß, wenn gleich der sehr häufig übermüthige Misbrauch jener Eigenschaften den, der ihn sieht, und den, den er trifft, empört und zu Grunde richtet.
Da ich an Königsbergs Eroberung durch die Franzosen noch zweifelte, als ich am 14. von unsern Stadtwällen canoniren sah, so hatt' ich auch keine künstliche Sicherungs- mittel gegen einen feindlichen Besuch ange- wandt, alles stand auf seiner bisherigen
nigsbergs Schickſal ſo entſchieden war, daß der daſelbſt kommandirende General Ruͤchel, der manche Vertheidigungsanſtalten mit vie- len Koſten vergeblich getroffen, gar nicht noͤthig gehabt haͤtte, ein Paar Tage vor dem Einruͤcken der Franzoſen, eine große Anzahl Haͤuſer und Windmuͤhlen ſans rime et ſans raiſon abbrennen zu laſſen. L’Eſtocq zog ſich mit ſeinem kleinen Truppencorps nach dem letzten Flick des einſt weiten preu- ßiſchen Kriegsmantels; am 16. ſah ich um 6 Uhr Morgens die Franzoſen in großen Haufen mit ſchoͤner Kriegsmuſik meine Woh- nung vorbey ziehen, und alles trat nunmehr unter die phyſiſche Gewalt eines Volks, deſ- ſen Kraft, Geiſt und Gewandheit man be- wundern muß, wenn gleich der ſehr haͤufig uͤbermuͤthige Misbrauch jener Eigenſchaften den, der ihn ſieht, und den, den er trifft, empoͤrt und zu Grunde richtet.
Da ich an Koͤnigsbergs Eroberung durch die Franzoſen noch zweifelte, als ich am 14. von unſern Stadtwaͤllen canoniren ſah, ſo hatt’ ich auch keine kuͤnſtliche Sicherungs- mittel gegen einen feindlichen Beſuch ange- wandt, alles ſtand auf ſeiner bisherigen
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nigsbergs Schickſal ſo entſchieden war, daß
der daſelbſt kommandirende General Ruͤchel,
der manche Vertheidigungsanſtalten mit vie-
len Koſten vergeblich getroffen, gar nicht
noͤthig gehabt haͤtte, ein Paar Tage vor
dem Einruͤcken der Franzoſen, eine große
Anzahl Haͤuſer und Windmuͤhlen ſans rime
et ſans raiſon abbrennen zu laſſen. L’Eſtocq
zog ſich mit ſeinem kleinen Truppencorps
nach dem letzten Flick des einſt weiten preu-
ßiſchen Kriegsmantels; am 16. ſah ich um
6 Uhr Morgens die Franzoſen in großen
Haufen mit ſchoͤner Kriegsmuſik meine Woh-
nung vorbey ziehen, und alles trat nunmehr
unter die phyſiſche Gewalt eines Volks, deſ-
ſen Kraft, Geiſt und Gewandheit man be-
wundern muß, wenn gleich der ſehr haͤufig
uͤbermuͤthige Misbrauch jener Eigenſchaften
den, der ihn ſieht, und den, den er trifft,
empoͤrt und zu Grunde richtet.
Da ich an Koͤnigsbergs Eroberung durch
die Franzoſen noch zweifelte, als ich am 14.
von unſern Stadtwaͤllen canoniren ſah, ſo
hatt’ ich auch keine kuͤnſtliche Sicherungs-
mittel gegen einen feindlichen Beſuch ange-
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/286>, abgerufen am 27.11.2024.
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