Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

und sein Nachlaß sicherte mich, an wirth-
schaftliche Genügsamkeit (Frugalität) gewohn-
ten Menschen gegen eigentliches Nothleiden.
Jch lebte auf Stolzenberg sehr glücklich mit
einigen Freunden, unter denen ich nur den
lieben, guten, obgleich über Religion und
Maurerey ein wenig schwärmerisch denken-
den und den Stein der Weisen mitsuchen-
den, im April 1805. gestorbenen General Gra-
fen Krokow, und den auch nicht mehr
lebenden Exkaufmann Eckholdt, nennen
will, hielt mich aber immer entfernt von
größern Gesellschaften und Bekanntschaften,
in die ich durch die Loge, in der mir einige
Gelegenheitsreden großen Credit geschafft
hatten, hätte kommen können.

Man sollte sich von Jugend an zu freyen
Vorträgen gewöhnen, um nicht, wenn man
dazu verpflichtet ist, verlegen zu erscheinen.
Solcher Ungewohnheit wegen trug ich bey
meinem Dienstanfange sehr schlecht im Col-
legio vor, und es zitterte mir nach langer
Entwöhnung in der Hand das Concept der
ersten Rede, die ich doch nur ablas, umge-
ben von mir lauter bekannten, milddenken-
den Brüdern. Das Unschickliche und Ver-
gebliche des unbehaglichen Seelenzustandes

und ſein Nachlaß ſicherte mich, an wirth-
ſchaftliche Genuͤgſamkeit (Frugalitaͤt) gewohn-
ten Menſchen gegen eigentliches Nothleiden.
Jch lebte auf Stolzenberg ſehr gluͤcklich mit
einigen Freunden, unter denen ich nur den
lieben, guten, obgleich uͤber Religion und
Maurerey ein wenig ſchwaͤrmeriſch denken-
den und den Stein der Weiſen mitſuchen-
den, im April 1805. geſtorbenen General Gra-
fen Krokow, und den auch nicht mehr
lebenden Exkaufmann Eckholdt, nennen
will, hielt mich aber immer entfernt von
groͤßern Geſellſchaften und Bekanntſchaften,
in die ich durch die Loge, in der mir einige
Gelegenheitsreden großen Credit geſchafft
hatten, haͤtte kommen koͤnnen.

Man ſollte ſich von Jugend an zu freyen
Vortraͤgen gewoͤhnen, um nicht, wenn man
dazu verpflichtet iſt, verlegen zu erſcheinen.
Solcher Ungewohnheit wegen trug ich bey
meinem Dienſtanfange ſehr ſchlecht im Col-
legio vor, und es zitterte mir nach langer
Entwoͤhnung in der Hand das Concept der
erſten Rede, die ich doch nur ablas, umge-
ben von mir lauter bekannten, milddenken-
den Bruͤdern. Das Unſchickliche und Ver-
gebliche des unbehaglichen Seelenzuſtandes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0213" n="196"/>
und &#x017F;ein Nachlaß &#x017F;icherte mich, an wirth-<lb/>
&#x017F;chaftliche Genu&#x0364;g&#x017F;amkeit (Frugalita&#x0364;t) gewohn-<lb/>
ten Men&#x017F;chen gegen eigentliches Nothleiden.<lb/>
Jch lebte auf Stolzenberg &#x017F;ehr glu&#x0364;cklich mit<lb/>
einigen Freunden, unter denen ich nur den<lb/>
lieben, guten, obgleich u&#x0364;ber Religion und<lb/>
Maurerey ein wenig &#x017F;chwa&#x0364;rmeri&#x017F;ch denken-<lb/>
den und den Stein der Wei&#x017F;en mit&#x017F;uchen-<lb/>
den, im April 1805. ge&#x017F;torbenen General Gra-<lb/>
fen <hi rendition="#g">Krokow,</hi> und den auch nicht mehr<lb/>
lebenden Exkaufmann <hi rendition="#g">Eckholdt,</hi> nennen<lb/>
will, hielt mich aber immer entfernt von<lb/>
gro&#x0364;ßern Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften und Bekannt&#x017F;chaften,<lb/>
in die ich durch die Loge, in der mir einige<lb/>
Gelegenheitsreden großen Credit ge&#x017F;chafft<lb/>
hatten, ha&#x0364;tte kommen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Man &#x017F;ollte &#x017F;ich von Jugend an zu freyen<lb/>
Vortra&#x0364;gen gewo&#x0364;hnen, um nicht, wenn man<lb/>
dazu verpflichtet i&#x017F;t, verlegen zu er&#x017F;cheinen.<lb/>
Solcher Ungewohnheit wegen trug ich bey<lb/>
meinem Dien&#x017F;tanfange &#x017F;ehr &#x017F;chlecht im Col-<lb/>
legio vor, und es zitterte mir nach langer<lb/>
Entwo&#x0364;hnung in der Hand das Concept der<lb/>
er&#x017F;ten Rede, die ich doch nur ablas, umge-<lb/>
ben von mir lauter bekannten, milddenken-<lb/>
den Bru&#x0364;dern. Das Un&#x017F;chickliche und Ver-<lb/>
gebliche des unbehaglichen Seelenzu&#x017F;tandes<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0213] und ſein Nachlaß ſicherte mich, an wirth- ſchaftliche Genuͤgſamkeit (Frugalitaͤt) gewohn- ten Menſchen gegen eigentliches Nothleiden. Jch lebte auf Stolzenberg ſehr gluͤcklich mit einigen Freunden, unter denen ich nur den lieben, guten, obgleich uͤber Religion und Maurerey ein wenig ſchwaͤrmeriſch denken- den und den Stein der Weiſen mitſuchen- den, im April 1805. geſtorbenen General Gra- fen Krokow, und den auch nicht mehr lebenden Exkaufmann Eckholdt, nennen will, hielt mich aber immer entfernt von groͤßern Geſellſchaften und Bekanntſchaften, in die ich durch die Loge, in der mir einige Gelegenheitsreden großen Credit geſchafft hatten, haͤtte kommen koͤnnen. Man ſollte ſich von Jugend an zu freyen Vortraͤgen gewoͤhnen, um nicht, wenn man dazu verpflichtet iſt, verlegen zu erſcheinen. Solcher Ungewohnheit wegen trug ich bey meinem Dienſtanfange ſehr ſchlecht im Col- legio vor, und es zitterte mir nach langer Entwoͤhnung in der Hand das Concept der erſten Rede, die ich doch nur ablas, umge- ben von mir lauter bekannten, milddenken- den Bruͤdern. Das Unſchickliche und Ver- gebliche des unbehaglichen Seelenzuſtandes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/213
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/213>, abgerufen am 01.05.2024.