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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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damaligen Kammerherrn von Rhüdiger ein
Paar Begebenheiten voraus, die damals je-
der so unglaublich fand, wie ich seine Vor-
herkündigung, im hohen Alter mit der kö-
niglichen Familie in nahe persönliche Be-
kanntschaft zu kommen, die sich indessen doch
im Jahr 1806. wirklich ereignete. *)

*) Jm Jntelligenzblatt einer Literaturzeitung stand
vor einiger Zeit, daß Melanchton auch chiroman-
tisirt habe, und man suchte aus seinen Briefen
darzuthun, er habe dieses nur zum Scherz ge-
ther um seinen Freunden gelegentlich etwas an-
genehmes sagen zu können. Kann er aber nicht auch
im Ernst daran geglaubt haben? Bey Dingen,
denen seit vielen Jahrhunderten noch keiner auf
die rechte Spur hat kommen können, die doch
aber nicht für völlig unwahrscheinlich oder gar
unmöglich zu halten sind, ist keinem klugen, und
vorzüglich keinem gelehrten Manne zu verdenken,
wenn er seinen innern Glauben, seine Ahnung,
nicht einstlich geltend zu machen sucht, um seine
Klugheit und Gelehrsamkeit nicht um ihren Cre-
dit zu bringen. So wenig man Recht hat, auf die
Kunst des Luftschiffers, der Physionomik, der
Gallschen Schädellehre etc. Verzicht zu thun, so
wenig hat man ja auch Ursach auf die Aus-
legungsgabe der Handlinien zu verzichten, für die
sich mehr Wahrscheinlichkeitsgründe anführen las-
sen, als für Kartenlegen und Kaffeegießen, dem
M

damaligen Kammerherrn von Rhuͤdiger ein
Paar Begebenheiten voraus, die damals je-
der ſo unglaublich fand, wie ich ſeine Vor-
herkuͤndigung, im hohen Alter mit der koͤ-
niglichen Familie in nahe perſoͤnliche Be-
kanntſchaft zu kommen, die ſich indeſſen doch
im Jahr 1806. wirklich ereignete. *)

*) Jm Jntelligenzblatt einer Literaturzeitung ſtand
vor einiger Zeit, daß Melanchton auch chiroman-
tiſirt habe, und man ſuchte aus ſeinen Briefen
darzuthun, er habe dieſes nur zum Scherz ge-
ther um ſeinen Freunden gelegentlich etwas an-
genehmes ſagen zu koͤnnen. Kann er aber nicht auch
im Ernſt daran geglaubt haben? Bey Dingen,
denen ſeit vielen Jahrhunderten noch keiner auf
die rechte Spur hat kommen koͤnnen, die doch
aber nicht fuͤr voͤllig unwahrſcheinlich oder gar
unmoͤglich zu halten ſind, iſt keinem klugen, und
vorzuͤglich keinem gelehrten Manne zu verdenken,
wenn er ſeinen innern Glauben, ſeine Ahnung,
nicht einſtlich geltend zu machen ſucht, um ſeine
Klugheit und Gelehrſamkeit nicht um ihren Cre-
dit zu bringen. So wenig man Recht hat, auf die
Kunſt des Luftſchiffers, der Phyſionomik, der
Gallſchen Schaͤdellehre ꝛc. Verzicht zu thun, ſo
wenig hat man ja auch Urſach auf die Aus-
legungsgabe der Handlinien zu verzichten, fuͤr die
ſich mehr Wahrſcheinlichkeitsgruͤnde anfuͤhren laſ-
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[177/0194] damaligen Kammerherrn von Rhuͤdiger ein Paar Begebenheiten voraus, die damals je- der ſo unglaublich fand, wie ich ſeine Vor- herkuͤndigung, im hohen Alter mit der koͤ- niglichen Familie in nahe perſoͤnliche Be- kanntſchaft zu kommen, die ſich indeſſen doch im Jahr 1806. wirklich ereignete. *) *) Jm Jntelligenzblatt einer Literaturzeitung ſtand vor einiger Zeit, daß Melanchton auch chiroman- tiſirt habe, und man ſuchte aus ſeinen Briefen darzuthun, er habe dieſes nur zum Scherz ge- ther um ſeinen Freunden gelegentlich etwas an- genehmes ſagen zu koͤnnen. Kann er aber nicht auch im Ernſt daran geglaubt haben? Bey Dingen, denen ſeit vielen Jahrhunderten noch keiner auf die rechte Spur hat kommen koͤnnen, die doch aber nicht fuͤr voͤllig unwahrſcheinlich oder gar unmoͤglich zu halten ſind, iſt keinem klugen, und vorzuͤglich keinem gelehrten Manne zu verdenken, wenn er ſeinen innern Glauben, ſeine Ahnung, nicht einſtlich geltend zu machen ſucht, um ſeine Klugheit und Gelehrſamkeit nicht um ihren Cre- dit zu bringen. So wenig man Recht hat, auf die Kunſt des Luftſchiffers, der Phyſionomik, der Gallſchen Schaͤdellehre ꝛc. Verzicht zu thun, ſo wenig hat man ja auch Urſach auf die Aus- legungsgabe der Handlinien zu verzichten, fuͤr die ſich mehr Wahrſcheinlichkeitsgruͤnde anfuͤhren laſ- ſen, als fuͤr Kartenlegen und Kaffeegießen, dem M

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/194>, abgerufen am 23.11.2024.