Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

und so gut gediehenen Stadt- und Land-
baues des Königs Friedrich, Wilhelm I.
nach Litthauen. Vermuthlich verging ihm
dort über dem Bauen und Rechnen die Lust
zum weitern Studiren, und er übernahm
die Pacht eines neuangelegten Domainen-
amtes. Ob er nun gleich wegen seines ge-
sunden Verstandes und seiner Rechtschaffen-
heit in förmlich gutem Ruf stand, so miß-
fiel doch seine Dreustigkeit und eine ziem-
liche Portion Eigensinn, von dem er mir
die Legitimam nicht verkürzt hat, und wo-
von ich ihn bey all meiner unaussprechli-
chen Liebe und Hochachtung für ihn nicht
freysprechen mag, einem damals gewaltha-
benden Beysitzer des königlichen Tobackscolle-
gii, dem er außerdem nicht ein schönes Pferd
für halben Preiß hatte verkaufen wollen, so
sehr, daß er ihm zu einem einjährigen Be-
stungsarrest verhalf. Zwar wurde ihm vom
Könige, der ihn persönlich kannte, der größte
Theil der Sitzzeit erlassen, und alles ange-
wandt, ihn zur Wiederannehmung des Am-
tes zu bewegen, allein er zog doch das Für-
sichleben vor, besonders da meine Mutter,
Anna Regina gebohrne Reimer, die
er 1735. als Wittwe heyrathete, ihre Hand

und ſo gut gediehenen Stadt- und Land-
baues des Koͤnigs Friedrich, Wilhelm I.
nach Litthauen. Vermuthlich verging ihm
dort uͤber dem Bauen und Rechnen die Luſt
zum weitern Studiren, und er uͤbernahm
die Pacht eines neuangelegten Domainen-
amtes. Ob er nun gleich wegen ſeines ge-
ſunden Verſtandes und ſeiner Rechtſchaffen-
heit in foͤrmlich gutem Ruf ſtand, ſo miß-
fiel doch ſeine Dreuſtigkeit und eine ziem-
liche Portion Eigenſinn, von dem er mir
die Legitimam nicht verkuͤrzt hat, und wo-
von ich ihn bey all meiner unausſprechli-
chen Liebe und Hochachtung fuͤr ihn nicht
freyſprechen mag, einem damals gewaltha-
benden Beyſitzer des koͤniglichen Tobackscolle-
gii, dem er außerdem nicht ein ſchoͤnes Pferd
fuͤr halben Preiß hatte verkaufen wollen, ſo
ſehr, daß er ihm zu einem einjaͤhrigen Be-
ſtungsarreſt verhalf. Zwar wurde ihm vom
Koͤnige, der ihn perſoͤnlich kannte, der groͤßte
Theil der Sitzzeit erlaſſen, und alles ange-
wandt, ihn zur Wiederannehmung des Am-
tes zu bewegen, allein er zog doch das Fuͤr-
ſichleben vor, beſonders da meine Mutter,
Anna Regina gebohrne Reimer, die
er 1735. als Wittwe heyrathete, ihre Hand

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="2"/>
und &#x017F;o gut gediehenen Stadt- und Land-<lb/>
baues des Ko&#x0364;nigs Friedrich, Wilhelm <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
nach Litthauen. Vermuthlich verging ihm<lb/>
dort u&#x0364;ber dem Bauen und Rechnen die Lu&#x017F;t<lb/>
zum weitern Studiren, und er u&#x0364;bernahm<lb/>
die Pacht eines neuangelegten Domainen-<lb/>
amtes. Ob er nun gleich wegen &#x017F;eines ge-<lb/>
&#x017F;unden Ver&#x017F;tandes und &#x017F;einer Recht&#x017F;chaffen-<lb/>
heit in fo&#x0364;rmlich gutem Ruf &#x017F;tand, &#x017F;o miß-<lb/>
fiel doch &#x017F;eine Dreu&#x017F;tigkeit und eine ziem-<lb/>
liche Portion Eigen&#x017F;inn, von dem er mir<lb/>
die <hi rendition="#aq">Legitimam</hi> nicht verku&#x0364;rzt hat, und wo-<lb/>
von ich ihn bey all meiner unaus&#x017F;prechli-<lb/>
chen Liebe und Hochachtung fu&#x0364;r ihn nicht<lb/>
frey&#x017F;prechen mag, einem damals gewaltha-<lb/>
benden Bey&#x017F;itzer des ko&#x0364;niglichen Tobackscolle-<lb/>
gii, dem er außerdem nicht ein &#x017F;cho&#x0364;nes Pferd<lb/>
fu&#x0364;r halben Preiß hatte verkaufen wollen, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr, daß er ihm zu einem einja&#x0364;hrigen Be-<lb/>
&#x017F;tungsarre&#x017F;t verhalf. Zwar wurde ihm vom<lb/>
Ko&#x0364;nige, der ihn per&#x017F;o&#x0364;nlich kannte, der gro&#x0364;ßte<lb/>
Theil der Sitzzeit erla&#x017F;&#x017F;en, und alles ange-<lb/>
wandt, ihn zur Wiederannehmung des Am-<lb/>
tes zu bewegen, allein er zog doch das Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ichleben vor, be&#x017F;onders da meine Mutter,<lb/><hi rendition="#g">Anna Regina</hi> gebohrne <hi rendition="#g">Reimer,</hi> die<lb/>
er 1735. als Wittwe heyrathete, ihre Hand<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0019] und ſo gut gediehenen Stadt- und Land- baues des Koͤnigs Friedrich, Wilhelm I. nach Litthauen. Vermuthlich verging ihm dort uͤber dem Bauen und Rechnen die Luſt zum weitern Studiren, und er uͤbernahm die Pacht eines neuangelegten Domainen- amtes. Ob er nun gleich wegen ſeines ge- ſunden Verſtandes und ſeiner Rechtſchaffen- heit in foͤrmlich gutem Ruf ſtand, ſo miß- fiel doch ſeine Dreuſtigkeit und eine ziem- liche Portion Eigenſinn, von dem er mir die Legitimam nicht verkuͤrzt hat, und wo- von ich ihn bey all meiner unausſprechli- chen Liebe und Hochachtung fuͤr ihn nicht freyſprechen mag, einem damals gewaltha- benden Beyſitzer des koͤniglichen Tobackscolle- gii, dem er außerdem nicht ein ſchoͤnes Pferd fuͤr halben Preiß hatte verkaufen wollen, ſo ſehr, daß er ihm zu einem einjaͤhrigen Be- ſtungsarreſt verhalf. Zwar wurde ihm vom Koͤnige, der ihn perſoͤnlich kannte, der groͤßte Theil der Sitzzeit erlaſſen, und alles ange- wandt, ihn zur Wiederannehmung des Am- tes zu bewegen, allein er zog doch das Fuͤr- ſichleben vor, beſonders da meine Mutter, Anna Regina gebohrne Reimer, die er 1735. als Wittwe heyrathete, ihre Hand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/19
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/19>, abgerufen am 26.04.2024.