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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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"was er weiß, und ihm für das Zerstreut-
"bekannte eine große Einheit der Ansicht zu
"überliefern oder einzuprägen. Die andre
"Art ist die, wo wir, selbst bey der Absicht
"eine große Einheit darzustellen, auch das
"Einzelne unnachläßlich zu überliefern ver-
pflichtet sind. -- Sollten zu unsrer Zeit
"Männer, die über 40 und 50 Jahr im
"Leben stehen und wirken, ihre Biographie
"schreiben, so würden wir ihnen rathen, die
"letztre Art ins Auge zu fassen, denn außer-
"dem, daß man sich gerade um das Nächst-
"vorhergehende am wenigsten bekümmert,
"so ist unsre Zeit so reich an Thaten, so
"entschieden an besonderm Streben, daß
"die Jugend und das mittlere Alter, für
"die man denn doch eigentlich schreibt, kaum
"einen Begriff hat von dem, was vor 30
"oder 40 Jahren eigentlich da gewesen ist.
"Alles, was sich also in einem Menschen-
"leben dorther schreibt, oder dorthin bezieht,
"muß aufs neue gegeben werden.

"Liebenswürdig hat er (Joh. Müller)
"ssch des großen Vortheils eines Selbst-
"biographen bedient, daß er gute, wackre,
"jedoch für die Welt im Großen unbedeu-
"tende Menschen, als Aeltern, Lehrer, Ver-
„was er weiß, und ihm fuͤr das Zerſtreut-
„bekannte eine große Einheit der Anſicht zu
„uͤberliefern oder einzupraͤgen. Die andre
„Art iſt die, wo wir, ſelbſt bey der Abſicht
„eine große Einheit darzuſtellen, auch das
„Einzelne unnachlaͤßlich zu uͤberliefern ver-
pflichtet ſind. — Sollten zu unſrer Zeit
„Maͤnner, die uͤber 40 und 50 Jahr im
„Leben ſtehen und wirken, ihre Biographie
„ſchreiben, ſo wuͤrden wir ihnen rathen, die
„letztre Art ins Auge zu faſſen, denn außer-
„dem, daß man ſich gerade um das Naͤchſt-
„vorhergehende am wenigſten bekuͤmmert,
„ſo iſt unſre Zeit ſo reich an Thaten, ſo
„entſchieden an beſonderm Streben, daß
„die Jugend und das mittlere Alter, fuͤr
„die man denn doch eigentlich ſchreibt, kaum
„einen Begriff hat von dem, was vor 30
„oder 40 Jahren eigentlich da geweſen iſt.
„Alles, was ſich alſo in einem Menſchen-
„leben dorther ſchreibt, oder dorthin bezieht,
„muß aufs neue gegeben werden.

„Liebenswuͤrdig hat er (Joh. Muͤller)
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„biographen bedient, daß er gute, wackre,
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[IX/0014] „was er weiß, und ihm fuͤr das Zerſtreut- „bekannte eine große Einheit der Anſicht zu „uͤberliefern oder einzupraͤgen. Die andre „Art iſt die, wo wir, ſelbſt bey der Abſicht „eine große Einheit darzuſtellen, auch das „Einzelne unnachlaͤßlich zu uͤberliefern ver- pflichtet ſind. — Sollten zu unſrer Zeit „Maͤnner, die uͤber 40 und 50 Jahr im „Leben ſtehen und wirken, ihre Biographie „ſchreiben, ſo wuͤrden wir ihnen rathen, die „letztre Art ins Auge zu faſſen, denn außer- „dem, daß man ſich gerade um das Naͤchſt- „vorhergehende am wenigſten bekuͤmmert, „ſo iſt unſre Zeit ſo reich an Thaten, ſo „entſchieden an beſonderm Streben, daß „die Jugend und das mittlere Alter, fuͤr „die man denn doch eigentlich ſchreibt, kaum „einen Begriff hat von dem, was vor 30 „oder 40 Jahren eigentlich da geweſen iſt. „Alles, was ſich alſo in einem Menſchen- „leben dorther ſchreibt, oder dorthin bezieht, „muß aufs neue gegeben werden. „Liebenswuͤrdig hat er (Joh. Muͤller) „ſſch des großen Vortheils eines Selbſt- „biographen bedient, daß er gute, wackre, „jedoch fuͤr die Welt im Großen unbedeu- „tende Menſchen, als Aeltern, Lehrer, Ver-

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/14>, abgerufen am 19.04.2024.