Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Mein General, der sich nicht durch Liebe
zur wissenschaftlichen Cultur berühmt gemacht
hat, ließ mich, sobald ich wieder ausgehen,
aber noch keine damals hochnothwendige
Stiefeletten anziehn konnte, verschiedenemale
bey sich essen und kam endlich auf den Ge-
danken, mich zum Adjutanten der Werbungs-
geschäfte annehmen zu wollen, woraus aber
eines komischen Umstandes wegen nichts
wurde. Jch mußte ein Paar Morgen bey
ihm schreiben, er diktirte im Spazieren auf
der Stube, wobey er beständig Caffee trank
und aus einer kurzen großköpfigen Pfeise
rauchte; als ich das Diktirte vorlas, war
er mit dem Geschriebenen unzufrieden, und
seine Aeußerung darüber im Regiment ver-
droß mich so, daß ich nicht allein der Ad-
jurantur entsagte, sondern auch den Ent-
schluß faßte, meinen Abschied zu nehmen, in-
dem ich der ersten Entsagung wegen üble
Folgen für mich im Wach- und Exercier-
leben besorgte, außerdem mir auch der mili-
tairische Stadtdienst höchst langweilig
schien. Hätte man mir gleich anfangs den
Schlüssel zu des Herrn Generals Diktirme-
thode gegeben, so wäre die Probe hoffent-
lich besser gerathen. Was er sagte, ließ sich

H

Mein General, der ſich nicht durch Liebe
zur wiſſenſchaftlichen Cultur beruͤhmt gemacht
hat, ließ mich, ſobald ich wieder ausgehen,
aber noch keine damals hochnothwendige
Stiefeletten anziehn konnte, verſchiedenemale
bey ſich eſſen und kam endlich auf den Ge-
danken, mich zum Adjutanten der Werbungs-
geſchaͤfte annehmen zu wollen, woraus aber
eines komiſchen Umſtandes wegen nichts
wurde. Jch mußte ein Paar Morgen bey
ihm ſchreiben, er diktirte im Spazieren auf
der Stube, wobey er beſtaͤndig Caffee trank
und aus einer kurzen großkoͤpfigen Pfeiſe
rauchte; als ich das Diktirte vorlas, war
er mit dem Geſchriebenen unzufrieden, und
ſeine Aeußerung daruͤber im Regiment ver-
droß mich ſo, daß ich nicht allein der Ad-
jurantur entſagte, ſondern auch den Ent-
ſchluß faßte, meinen Abſchied zu nehmen, in-
dem ich der erſten Entſagung wegen uͤble
Folgen fuͤr mich im Wach- und Exercier-
leben beſorgte, außerdem mir auch der mili-
tairiſche Stadtdienſt hoͤchſt langweilig
ſchien. Haͤtte man mir gleich anfangs den
Schluͤſſel zu des Herrn Generals Diktirme-
thode gegeben, ſo waͤre die Probe hoffent-
lich beſſer gerathen. Was er ſagte, ließ ſich

H
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0130" n="113"/>
        <p>Mein General, der &#x017F;ich nicht durch Liebe<lb/>
zur wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Cultur beru&#x0364;hmt gemacht<lb/>
hat, ließ mich, &#x017F;obald ich wieder ausgehen,<lb/>
aber noch keine damals hochnothwendige<lb/>
Stiefeletten anziehn konnte, ver&#x017F;chiedenemale<lb/>
bey &#x017F;ich e&#x017F;&#x017F;en und kam endlich auf den Ge-<lb/>
danken, mich zum Adjutanten der Werbungs-<lb/>
ge&#x017F;cha&#x0364;fte annehmen zu wollen, woraus aber<lb/>
eines komi&#x017F;chen Um&#x017F;tandes wegen nichts<lb/>
wurde. Jch mußte ein Paar Morgen bey<lb/>
ihm &#x017F;chreiben, er diktirte im Spazieren auf<lb/>
der Stube, wobey er be&#x017F;ta&#x0364;ndig Caffee trank<lb/>
und aus einer kurzen großko&#x0364;pfigen Pfei&#x017F;e<lb/>
rauchte; als ich das Diktirte vorlas, war<lb/>
er mit dem Ge&#x017F;chriebenen unzufrieden, und<lb/>
&#x017F;eine Aeußerung daru&#x0364;ber im Regiment ver-<lb/>
droß mich &#x017F;o, daß ich nicht allein der Ad-<lb/>
jurantur ent&#x017F;agte, &#x017F;ondern auch den Ent-<lb/>
&#x017F;chluß faßte, meinen Ab&#x017F;chied zu nehmen, in-<lb/>
dem ich der er&#x017F;ten Ent&#x017F;agung wegen u&#x0364;ble<lb/>
Folgen fu&#x0364;r mich im Wach- und Exercier-<lb/>
leben be&#x017F;orgte, außerdem mir auch der mili-<lb/>
tairi&#x017F;che <hi rendition="#g">Stadtdien&#x017F;t</hi> ho&#x0364;ch&#x017F;t langweilig<lb/>
&#x017F;chien. Ha&#x0364;tte man mir gleich anfangs den<lb/>
Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el zu des Herrn Generals Diktirme-<lb/>
thode gegeben, &#x017F;o wa&#x0364;re die Probe hoffent-<lb/>
lich be&#x017F;&#x017F;er gerathen. Was er &#x017F;agte, ließ &#x017F;ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0130] Mein General, der ſich nicht durch Liebe zur wiſſenſchaftlichen Cultur beruͤhmt gemacht hat, ließ mich, ſobald ich wieder ausgehen, aber noch keine damals hochnothwendige Stiefeletten anziehn konnte, verſchiedenemale bey ſich eſſen und kam endlich auf den Ge- danken, mich zum Adjutanten der Werbungs- geſchaͤfte annehmen zu wollen, woraus aber eines komiſchen Umſtandes wegen nichts wurde. Jch mußte ein Paar Morgen bey ihm ſchreiben, er diktirte im Spazieren auf der Stube, wobey er beſtaͤndig Caffee trank und aus einer kurzen großkoͤpfigen Pfeiſe rauchte; als ich das Diktirte vorlas, war er mit dem Geſchriebenen unzufrieden, und ſeine Aeußerung daruͤber im Regiment ver- droß mich ſo, daß ich nicht allein der Ad- jurantur entſagte, ſondern auch den Ent- ſchluß faßte, meinen Abſchied zu nehmen, in- dem ich der erſten Entſagung wegen uͤble Folgen fuͤr mich im Wach- und Exercier- leben beſorgte, außerdem mir auch der mili- tairiſche Stadtdienſt hoͤchſt langweilig ſchien. Haͤtte man mir gleich anfangs den Schluͤſſel zu des Herrn Generals Diktirme- thode gegeben, ſo waͤre die Probe hoffent- lich beſſer gerathen. Was er ſagte, ließ ſich H

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/130
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/130>, abgerufen am 24.11.2024.