Mein General, der sich nicht durch Liebe zur wissenschaftlichen Cultur berühmt gemacht hat, ließ mich, sobald ich wieder ausgehen, aber noch keine damals hochnothwendige Stiefeletten anziehn konnte, verschiedenemale bey sich essen und kam endlich auf den Ge- danken, mich zum Adjutanten der Werbungs- geschäfte annehmen zu wollen, woraus aber eines komischen Umstandes wegen nichts wurde. Jch mußte ein Paar Morgen bey ihm schreiben, er diktirte im Spazieren auf der Stube, wobey er beständig Caffee trank und aus einer kurzen großköpfigen Pfeise rauchte; als ich das Diktirte vorlas, war er mit dem Geschriebenen unzufrieden, und seine Aeußerung darüber im Regiment ver- droß mich so, daß ich nicht allein der Ad- jurantur entsagte, sondern auch den Ent- schluß faßte, meinen Abschied zu nehmen, in- dem ich der ersten Entsagung wegen üble Folgen für mich im Wach- und Exercier- leben besorgte, außerdem mir auch der mili- tairische Stadtdienst höchst langweilig schien. Hätte man mir gleich anfangs den Schlüssel zu des Herrn Generals Diktirme- thode gegeben, so wäre die Probe hoffent- lich besser gerathen. Was er sagte, ließ sich
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Mein General, der ſich nicht durch Liebe zur wiſſenſchaftlichen Cultur beruͤhmt gemacht hat, ließ mich, ſobald ich wieder ausgehen, aber noch keine damals hochnothwendige Stiefeletten anziehn konnte, verſchiedenemale bey ſich eſſen und kam endlich auf den Ge- danken, mich zum Adjutanten der Werbungs- geſchaͤfte annehmen zu wollen, woraus aber eines komiſchen Umſtandes wegen nichts wurde. Jch mußte ein Paar Morgen bey ihm ſchreiben, er diktirte im Spazieren auf der Stube, wobey er beſtaͤndig Caffee trank und aus einer kurzen großkoͤpfigen Pfeiſe rauchte; als ich das Diktirte vorlas, war er mit dem Geſchriebenen unzufrieden, und ſeine Aeußerung daruͤber im Regiment ver- droß mich ſo, daß ich nicht allein der Ad- jurantur entſagte, ſondern auch den Ent- ſchluß faßte, meinen Abſchied zu nehmen, in- dem ich der erſten Entſagung wegen uͤble Folgen fuͤr mich im Wach- und Exercier- leben beſorgte, außerdem mir auch der mili- tairiſche Stadtdienſt hoͤchſt langweilig ſchien. Haͤtte man mir gleich anfangs den Schluͤſſel zu des Herrn Generals Diktirme- thode gegeben, ſo waͤre die Probe hoffent- lich beſſer gerathen. Was er ſagte, ließ ſich
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Mein General, der ſich nicht durch Liebe
zur wiſſenſchaftlichen Cultur beruͤhmt gemacht
hat, ließ mich, ſobald ich wieder ausgehen,
aber noch keine damals hochnothwendige
Stiefeletten anziehn konnte, verſchiedenemale
bey ſich eſſen und kam endlich auf den Ge-
danken, mich zum Adjutanten der Werbungs-
geſchaͤfte annehmen zu wollen, woraus aber
eines komiſchen Umſtandes wegen nichts
wurde. Jch mußte ein Paar Morgen bey
ihm ſchreiben, er diktirte im Spazieren auf
der Stube, wobey er beſtaͤndig Caffee trank
und aus einer kurzen großkoͤpfigen Pfeiſe
rauchte; als ich das Diktirte vorlas, war
er mit dem Geſchriebenen unzufrieden, und
ſeine Aeußerung daruͤber im Regiment ver-
droß mich ſo, daß ich nicht allein der Ad-
jurantur entſagte, ſondern auch den Ent-
ſchluß faßte, meinen Abſchied zu nehmen, in-
dem ich der erſten Entſagung wegen uͤble
Folgen fuͤr mich im Wach- und Exercier-
leben beſorgte, außerdem mir auch der mili-
tairiſche Stadtdienſt hoͤchſt langweilig
ſchien. Haͤtte man mir gleich anfangs den
Schluͤſſel zu des Herrn Generals Diktirme-
thode gegeben, ſo waͤre die Probe hoffent-
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/130>, abgerufen am 24.11.2024.
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