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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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hätte ausrufen mögen; wär ich nicht ein
Soldat, so möcht' ich ein Herrnhuter seyn!
Was ich über die Brüdergemeinden (mit
Ausschluß der Jdeen im Geist des
wahren Herrnhutianism, gesam-
melt aus den Papieren der Fami-
lie von Frankenberg, von H. Fr. v.
Bruinings,
Leipzig, 1811.) gelesen,
dürfte ihnen wohl nicht viel Proselyten, be-
sonders nicht aus der gebildeten Menschen-
klasse schaffen; wer sie aber in ihren eigent-
lichen Wohnsitzen sieht, muß sie lieben
und ehren. Fänd ich es nicht unmöglich, das
zu glauben, oder jemals glauben zu kön-
nen,
was sie glauben müssen, um ächte
Herrnhüter zu seyn, ich wäre schon längst
einer geworden.

Endlich ward Friede. Das Misbehag-
liche des Krieges hat das Wort Friede
so lieblich tönend gemacht, als ob es im
Kriege gar keinen Wohlklang gäbe; wenn
man aber die vielen Tuttis und Solo's an-
hört, die im Friedensconcert oft ohne Ge-
schmack zusammen gespielt werden, so möchte
man die Kriegstrommeln und Pfeifen zu-
rückwünschen; denn obgleich nach dem alten
Sprichwort nur inter arma die leges schwei-

haͤtte ausrufen moͤgen; waͤr ich nicht ein
Soldat, ſo moͤcht’ ich ein Herrnhuter ſeyn!
Was ich uͤber die Bruͤdergemeinden (mit
Ausſchluß der Jdeen im Geiſt des
wahren Herrnhutianism, geſam-
melt aus den Papieren der Fami-
lie von Frankenberg, von H. Fr. v.
Bruinings,
Leipzig, 1811.) geleſen,
duͤrfte ihnen wohl nicht viel Proſelyten, be-
ſonders nicht aus der gebildeten Menſchen-
klaſſe ſchaffen; wer ſie aber in ihren eigent-
lichen Wohnſitzen ſieht, muß ſie lieben
und ehren. Faͤnd ich es nicht unmoͤglich, das
zu glauben, oder jemals glauben zu koͤn-
nen,
was ſie glauben muͤſſen, um aͤchte
Herrnhuͤter zu ſeyn, ich waͤre ſchon laͤngſt
einer geworden.

Endlich ward Friede. Das Misbehag-
liche des Krieges hat das Wort Friede
ſo lieblich toͤnend gemacht, als ob es im
Kriege gar keinen Wohlklang gaͤbe; wenn
man aber die vielen Tuttis und Solo’s an-
hoͤrt, die im Friedensconcert oft ohne Ge-
ſchmack zuſammen geſpielt werden, ſo moͤchte
man die Kriegstrommeln und Pfeifen zu-
ruͤckwuͤnſchen; denn obgleich nach dem alten
Sprichwort nur inter arma die leges ſchwei-

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[106/0123] haͤtte ausrufen moͤgen; waͤr ich nicht ein Soldat, ſo moͤcht’ ich ein Herrnhuter ſeyn! Was ich uͤber die Bruͤdergemeinden (mit Ausſchluß der Jdeen im Geiſt des wahren Herrnhutianism, geſam- melt aus den Papieren der Fami- lie von Frankenberg, von H. Fr. v. Bruinings, Leipzig, 1811.) geleſen, duͤrfte ihnen wohl nicht viel Proſelyten, be- ſonders nicht aus der gebildeten Menſchen- klaſſe ſchaffen; wer ſie aber in ihren eigent- lichen Wohnſitzen ſieht, muß ſie lieben und ehren. Faͤnd ich es nicht unmoͤglich, das zu glauben, oder jemals glauben zu koͤn- nen, was ſie glauben muͤſſen, um aͤchte Herrnhuͤter zu ſeyn, ich waͤre ſchon laͤngſt einer geworden. Endlich ward Friede. Das Misbehag- liche des Krieges hat das Wort Friede ſo lieblich toͤnend gemacht, als ob es im Kriege gar keinen Wohlklang gaͤbe; wenn man aber die vielen Tuttis und Solo’s an- hoͤrt, die im Friedensconcert oft ohne Ge- ſchmack zuſammen geſpielt werden, ſo moͤchte man die Kriegstrommeln und Pfeifen zu- ruͤckwuͤnſchen; denn obgleich nach dem alten Sprichwort nur inter arma die leges ſchwei-

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/123>, abgerufen am 24.11.2024.