dern stand ich einige Wochen im Lager bey Breslau, wo ich dreust genug war, ein klei- nes Gedicht an Lessing, der damals beym General Tauenzien sekretarisirte, zu machen und mir Bücher von ihm auszubitten, die er mir auch reichlich und gefällig mittheilte, ohne daß ich ihn je von Person kennen gelernt hätte. Nachher wohnte ich der Wegnahme der Dittmansdorfer Berge bey, wo die Russen, vor ihrer Trennung von uns, eine für uns sehr vortheilhafte Parade machten. Jm großen verschanzten Lager bey Schweid- nitz ward ich mit maucher noch unversuchten Beschwerde des Soldatenlebens bekannt, doch ohne darüber verdrüßlich zu werden. Der Subalterndienst, den ich ziemlich pünko- lich beobachtete, war mir aber im Herzen zuwider, worin ich sehr Unrecht hatte, denn er gehört wesentlich zum Ganzen des Dien- stes, und ich hab in der immer stärker ein- reißenden Verachtung des kleinen Dienstes im Civil und Militair manche Veranlas- sung zu Dienstvernachläßigungen wahrge- nommen, die wohl nicht durch bloße Cabi- netsordres, wären sie auch von eigener ho- her Hand, möchten abgeschafft werden kön- nen. Vieles im kleinen Dienst war damals
G 2
dern ſtand ich einige Wochen im Lager bey Breslau, wo ich dreuſt genug war, ein klei- nes Gedicht an Leſſing, der damals beym General Tauenzien ſekretariſirte, zu machen und mir Buͤcher von ihm auszubitten, die er mir auch reichlich und gefaͤllig mittheilte, ohne daß ich ihn je von Perſon kennen gelernt haͤtte. Nachher wohnte ich der Wegnahme der Dittmansdorfer Berge bey, wo die Ruſſen, vor ihrer Trennung von uns, eine fuͤr uns ſehr vortheilhafte Parade machten. Jm großen verſchanzten Lager bey Schweid- nitz ward ich mit maucher noch unverſuchten Beſchwerde des Soldatenlebens bekannt, doch ohne daruͤber verdruͤßlich zu werden. Der Subalterndienſt, den ich ziemlich puͤnko- lich beobachtete, war mir aber im Herzen zuwider, worin ich ſehr Unrecht hatte, denn er gehoͤrt weſentlich zum Ganzen des Dien- ſtes, und ich hab in der immer ſtaͤrker ein- reißenden Verachtung des kleinen Dienſtes im Civil und Militair manche Veranlaſ- ſung zu Dienſtvernachlaͤßigungen wahrge- nommen, die wohl nicht durch bloße Cabi- netsordres, waͤren ſie auch von eigener ho- her Hand, moͤchten abgeſchafft werden koͤn- nen. Vieles im kleinen Dienſt war damals
G 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0116"n="99"/>
dern ſtand ich einige Wochen im Lager bey<lb/>
Breslau, wo ich dreuſt genug war, ein klei-<lb/>
nes Gedicht an <hirendition="#g">Leſſing,</hi> der damals beym<lb/>
General Tauenzien ſekretariſirte, zu machen<lb/>
und mir Buͤcher von ihm auszubitten, die er<lb/>
mir auch reichlich und gefaͤllig mittheilte, ohne<lb/>
daß ich ihn je von Perſon kennen gelernt<lb/>
haͤtte. Nachher wohnte ich der Wegnahme<lb/>
der Dittmansdorfer Berge bey, wo die<lb/>
Ruſſen, vor ihrer Trennung von uns, eine<lb/>
fuͤr uns ſehr vortheilhafte Parade machten.<lb/>
Jm großen verſchanzten Lager bey Schweid-<lb/>
nitz ward ich mit maucher noch unverſuchten<lb/>
Beſchwerde des Soldatenlebens bekannt,<lb/>
doch ohne daruͤber verdruͤßlich zu werden.<lb/>
Der Subalterndienſt, den ich ziemlich puͤnko-<lb/>
lich beobachtete, war mir aber im Herzen<lb/>
zuwider, worin ich ſehr Unrecht hatte, denn<lb/>
er gehoͤrt weſentlich zum Ganzen des Dien-<lb/>ſtes, und ich hab in der immer ſtaͤrker ein-<lb/>
reißenden Verachtung des kleinen Dienſtes<lb/>
im Civil und Militair manche Veranlaſ-<lb/>ſung zu Dienſtvernachlaͤßigungen wahrge-<lb/>
nommen, die wohl nicht durch bloße Cabi-<lb/>
netsordres, waͤren ſie auch von eigener ho-<lb/>
her Hand, moͤchten abgeſchafft werden koͤn-<lb/>
nen. Vieles im kleinen Dienſt war damals<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 2</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[99/0116]
dern ſtand ich einige Wochen im Lager bey
Breslau, wo ich dreuſt genug war, ein klei-
nes Gedicht an Leſſing, der damals beym
General Tauenzien ſekretariſirte, zu machen
und mir Buͤcher von ihm auszubitten, die er
mir auch reichlich und gefaͤllig mittheilte, ohne
daß ich ihn je von Perſon kennen gelernt
haͤtte. Nachher wohnte ich der Wegnahme
der Dittmansdorfer Berge bey, wo die
Ruſſen, vor ihrer Trennung von uns, eine
fuͤr uns ſehr vortheilhafte Parade machten.
Jm großen verſchanzten Lager bey Schweid-
nitz ward ich mit maucher noch unverſuchten
Beſchwerde des Soldatenlebens bekannt,
doch ohne daruͤber verdruͤßlich zu werden.
Der Subalterndienſt, den ich ziemlich puͤnko-
lich beobachtete, war mir aber im Herzen
zuwider, worin ich ſehr Unrecht hatte, denn
er gehoͤrt weſentlich zum Ganzen des Dien-
ſtes, und ich hab in der immer ſtaͤrker ein-
reißenden Verachtung des kleinen Dienſtes
im Civil und Militair manche Veranlaſ-
ſung zu Dienſtvernachlaͤßigungen wahrge-
nommen, die wohl nicht durch bloße Cabi-
netsordres, waͤren ſie auch von eigener ho-
her Hand, moͤchten abgeſchafft werden koͤn-
nen. Vieles im kleinen Dienſt war damals
G 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/116>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.