Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Der jugendliche Vater Rhein, nachdem er bei Basel seinen Lauf verändert und in rechtwinkliger Biegung seine Stromwanderung gen Norden fortsetzt, hat dortlands wenig Berge und stolze Höhen mehr zur Seite, die ihn an seine alpenumthürmte Heimath gemahnen. Doch schickt ihm der Schwarzwald einen seiner Ausläufer gleichsam als dienstthuenden Kammerherrn entgegen, daß er den Stromgewaltigen ehrerbietig empfange und ihm einen Gruß mitgebe an das, was jenseits Mainz wieder als fröhliches Gebirge seine Ufer umsäumt. Selbiger Ausläufer ist eine senkrecht und steil in die Rheinflut abfallende Kalkwand, ein einzelner vorgeschobener Posten jener großen Heerschaar, die der Belchen und der Blauen befehligen, hat keine sehr anmuthige Form und wird von den Leuten seines gröblichen Aeußern halber mit nicht schmeichelhafter Benennung der "Klotz von Istein" geheißen. Wächs't übrigens heut zu Tag ein guter Tropfen Weines darauf. Als man zählte nach unsers Herrn Erscheinen vierhundert und fünfzig Jahr, war's ein spärlich bewohnter, wilder Strich Landes, was dort am rechten Rheinufer Der jugendliche Vater Rhein, nachdem er bei Basel seinen Lauf verändert und in rechtwinkliger Biegung seine Stromwanderung gen Norden fortsetzt, hat dortlands wenig Berge und stolze Höhen mehr zur Seite, die ihn an seine alpenumthürmte Heimath gemahnen. Doch schickt ihm der Schwarzwald einen seiner Ausläufer gleichsam als dienstthuenden Kammerherrn entgegen, daß er den Stromgewaltigen ehrerbietig empfange und ihm einen Gruß mitgebe an das, was jenseits Mainz wieder als fröhliches Gebirge seine Ufer umsäumt. Selbiger Ausläufer ist eine senkrecht und steil in die Rheinflut abfallende Kalkwand, ein einzelner vorgeschobener Posten jener großen Heerschaar, die der Belchen und der Blauen befehligen, hat keine sehr anmuthige Form und wird von den Leuten seines gröblichen Aeußern halber mit nicht schmeichelhafter Benennung der „Klotz von Istein“ geheißen. Wächs‘t übrigens heut zu Tag ein guter Tropfen Weines darauf. Als man zählte nach unsers Herrn Erscheinen vierhundert und fünfzig Jahr, war's ein spärlich bewohnter, wilder Strich Landes, was dort am rechten Rheinufer <TEI> <text> <pb facs="#f0007"/> <body> <div n="0"> <p>Der jugendliche Vater Rhein, nachdem er bei Basel seinen Lauf verändert und in rechtwinkliger Biegung seine Stromwanderung gen Norden fortsetzt, hat dortlands wenig Berge und stolze Höhen mehr zur Seite, die ihn an seine alpenumthürmte Heimath gemahnen. Doch schickt ihm der Schwarzwald einen seiner Ausläufer gleichsam als dienstthuenden Kammerherrn entgegen, daß er den Stromgewaltigen ehrerbietig empfange und ihm einen Gruß mitgebe an das, was jenseits Mainz wieder als fröhliches Gebirge seine Ufer umsäumt.</p><lb/> <p>Selbiger Ausläufer ist eine senkrecht und steil in die Rheinflut abfallende Kalkwand, ein einzelner vorgeschobener Posten jener großen Heerschaar, die der Belchen und der Blauen befehligen, hat keine sehr anmuthige Form und wird von den Leuten seines gröblichen Aeußern halber mit nicht schmeichelhafter Benennung der „Klotz von Istein“ geheißen. Wächs‘t übrigens heut zu Tag ein guter Tropfen Weines darauf.</p><lb/> <p>Als man zählte nach unsers Herrn Erscheinen vierhundert und fünfzig Jahr, war's ein spärlich bewohnter, wilder Strich Landes, was dort am rechten Rheinufer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0007]
Der jugendliche Vater Rhein, nachdem er bei Basel seinen Lauf verändert und in rechtwinkliger Biegung seine Stromwanderung gen Norden fortsetzt, hat dortlands wenig Berge und stolze Höhen mehr zur Seite, die ihn an seine alpenumthürmte Heimath gemahnen. Doch schickt ihm der Schwarzwald einen seiner Ausläufer gleichsam als dienstthuenden Kammerherrn entgegen, daß er den Stromgewaltigen ehrerbietig empfange und ihm einen Gruß mitgebe an das, was jenseits Mainz wieder als fröhliches Gebirge seine Ufer umsäumt.
Selbiger Ausläufer ist eine senkrecht und steil in die Rheinflut abfallende Kalkwand, ein einzelner vorgeschobener Posten jener großen Heerschaar, die der Belchen und der Blauen befehligen, hat keine sehr anmuthige Form und wird von den Leuten seines gröblichen Aeußern halber mit nicht schmeichelhafter Benennung der „Klotz von Istein“ geheißen. Wächs‘t übrigens heut zu Tag ein guter Tropfen Weines darauf.
Als man zählte nach unsers Herrn Erscheinen vierhundert und fünfzig Jahr, war's ein spärlich bewohnter, wilder Strich Landes, was dort am rechten Rheinufer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910/7 |
Zitationshilfe: | Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910/7>, abgerufen am 16.02.2025. |