Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.streitbaren Volkes zu Hugideo's Klause, ihn zwangsweise mitzunehmen zur Heerfahrt, und sie sprachen: Heraus, du Höhlensitzer, Bergspaltmeister, Zeitverträumer! heraus und mit uns! der Etzel soll leben, der große Held! Kannst drüben im Gallierland auch Todte begraben, dafür soll dir gesorgt werden. Er aber sprach wieder: Nein! und wie sie einen Grund wissen wollten, sprach er: Ich bin ein freier Juthung und eurer Cent am Rhein nicht pflichtig, und wenn ich Nein gesagt, so weiß ich Niemand im Himmel und auf Erden, der mich zwingen soll, einen Grund dafür anzugeben! Da schalten sie ihn ein unmännlich Herz, einen Abtrünnigen, der, wie einst Serapion der Alamann, von fremder Priester Witz bethört, Vaterland, Heerpflicht und den eigenen Namen vergessen. Hugideo aber fuhr unter sie, wie ein Bär unter die Rüden, und scheuchte die Scheiter mit blutigen Köpfen zur Klause hinaus; und wie sie in ganzer Schaar anstürmten, trat er an das Klausenfenster, schwang sich über die Zugbrücke zum Fels mit dem Steinbild, zog die Tannenstämme an sich und stand nun jenseits des unnahbaren Abgrundes wie ein Gewaltiger. Da belagerten sie ihn zwei Tage, er aber vertheidigte sich kühnlich, und manch ein Felsstück flog wohl geschleudert von seiner Hand in den tobenden Schwarm, so daß sie letztlich sprachen: Das ist ein sonderbarer Heiliger -- wirft mit Steinen, die sonst kaum ihrer Drei erschwingen streitbaren Volkes zu Hugideo's Klause, ihn zwangsweise mitzunehmen zur Heerfahrt, und sie sprachen: Heraus, du Höhlensitzer, Bergspaltmeister, Zeitverträumer! heraus und mit uns! der Etzel soll leben, der große Held! Kannst drüben im Gallierland auch Todte begraben, dafür soll dir gesorgt werden. Er aber sprach wieder: Nein! und wie sie einen Grund wissen wollten, sprach er: Ich bin ein freier Juthung und eurer Cent am Rhein nicht pflichtig, und wenn ich Nein gesagt, so weiß ich Niemand im Himmel und auf Erden, der mich zwingen soll, einen Grund dafür anzugeben! Da schalten sie ihn ein unmännlich Herz, einen Abtrünnigen, der, wie einst Serapion der Alamann, von fremder Priester Witz bethört, Vaterland, Heerpflicht und den eigenen Namen vergessen. Hugideo aber fuhr unter sie, wie ein Bär unter die Rüden, und scheuchte die Scheiter mit blutigen Köpfen zur Klause hinaus; und wie sie in ganzer Schaar anstürmten, trat er an das Klausenfenster, schwang sich über die Zugbrücke zum Fels mit dem Steinbild, zog die Tannenstämme an sich und stand nun jenseits des unnahbaren Abgrundes wie ein Gewaltiger. Da belagerten sie ihn zwei Tage, er aber vertheidigte sich kühnlich, und manch ein Felsstück flog wohl geschleudert von seiner Hand in den tobenden Schwarm, so daß sie letztlich sprachen: Das ist ein sonderbarer Heiliger — wirft mit Steinen, die sonst kaum ihrer Drei erschwingen <TEI> <text> <body> <div n="0"> <p><pb facs="#f0013"/> streitbaren Volkes zu Hugideo's Klause, ihn zwangsweise mitzunehmen zur Heerfahrt, und sie sprachen: Heraus, du Höhlensitzer, Bergspaltmeister, Zeitverträumer! heraus und mit uns! der Etzel soll leben, der große Held! Kannst drüben im Gallierland auch Todte begraben, dafür soll dir gesorgt werden. Er aber sprach wieder: Nein! und wie sie einen Grund wissen wollten, sprach er: Ich bin ein freier Juthung und eurer Cent am Rhein nicht pflichtig, und wenn ich Nein gesagt, so weiß ich Niemand im Himmel und auf Erden, der mich zwingen soll, einen Grund dafür anzugeben!</p><lb/> <p>Da schalten sie ihn ein unmännlich Herz, einen Abtrünnigen, der, wie einst Serapion der Alamann, von fremder Priester Witz bethört, Vaterland, Heerpflicht und den eigenen Namen vergessen.</p><lb/> <p>Hugideo aber fuhr unter sie, wie ein Bär unter die Rüden, und scheuchte die Scheiter mit blutigen Köpfen zur Klause hinaus; und wie sie in ganzer Schaar anstürmten, trat er an das Klausenfenster, schwang sich über die Zugbrücke zum Fels mit dem Steinbild, zog die Tannenstämme an sich und stand nun jenseits des unnahbaren Abgrundes wie ein Gewaltiger. Da belagerten sie ihn zwei Tage, er aber vertheidigte sich kühnlich, und manch ein Felsstück flog wohl geschleudert von seiner Hand in den tobenden Schwarm, so daß sie letztlich sprachen: Das ist ein sonderbarer Heiliger — wirft mit Steinen, die sonst kaum ihrer Drei erschwingen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
streitbaren Volkes zu Hugideo's Klause, ihn zwangsweise mitzunehmen zur Heerfahrt, und sie sprachen: Heraus, du Höhlensitzer, Bergspaltmeister, Zeitverträumer! heraus und mit uns! der Etzel soll leben, der große Held! Kannst drüben im Gallierland auch Todte begraben, dafür soll dir gesorgt werden. Er aber sprach wieder: Nein! und wie sie einen Grund wissen wollten, sprach er: Ich bin ein freier Juthung und eurer Cent am Rhein nicht pflichtig, und wenn ich Nein gesagt, so weiß ich Niemand im Himmel und auf Erden, der mich zwingen soll, einen Grund dafür anzugeben!
Da schalten sie ihn ein unmännlich Herz, einen Abtrünnigen, der, wie einst Serapion der Alamann, von fremder Priester Witz bethört, Vaterland, Heerpflicht und den eigenen Namen vergessen.
Hugideo aber fuhr unter sie, wie ein Bär unter die Rüden, und scheuchte die Scheiter mit blutigen Köpfen zur Klause hinaus; und wie sie in ganzer Schaar anstürmten, trat er an das Klausenfenster, schwang sich über die Zugbrücke zum Fels mit dem Steinbild, zog die Tannenstämme an sich und stand nun jenseits des unnahbaren Abgrundes wie ein Gewaltiger. Da belagerten sie ihn zwei Tage, er aber vertheidigte sich kühnlich, und manch ein Felsstück flog wohl geschleudert von seiner Hand in den tobenden Schwarm, so daß sie letztlich sprachen: Das ist ein sonderbarer Heiliger — wirft mit Steinen, die sonst kaum ihrer Drei erschwingen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910/13 |
Zitationshilfe: | Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910/13>, abgerufen am 16.02.2025. |