Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.ließ ihn fallen, hob ihn auf, stolperte, erholte sich wieder und ver- O Kind der Welt, das in Finsterniß wandelt, schalt die Klaus- Ein Scherz ... sprach Praxedis unbefangen. Eine Sünde! rief Wiborad mit rauher Stimme. Praxedis erschrack. O Teufelswerk und Verblendung! fuhr jene predigend fort. Da Daran hab' ich nicht gedacht, sprach Praxedis erröthend. Ihr denkt noch an Vieles nicht, sprach Wiborad. Sie schaute Die Klausnerin verschwand eine Weile, dann kehrte sie zurück und Praxedis schlug die Augen nieder. Eure Worte sind bitter, sprach sie. Bitter! rief die Klausnerin, gelobt sei der Herr, daß auf meinen ließ ihn fallen, hob ihn auf, ſtolperte, erholte ſich wieder und ver- O Kind der Welt, das in Finſterniß wandelt, ſchalt die Klaus- Ein Scherz ... ſprach Praxedis unbefangen. Eine Sünde! rief Wiborad mit rauher Stimme. Praxedis erſchrack. O Teufelswerk und Verblendung! fuhr jene predigend fort. Da Daran hab' ich nicht gedacht, ſprach Praxedis erröthend. Ihr denkt noch an Vieles nicht, ſprach Wiborad. Sie ſchaute Die Klausnerin verſchwand eine Weile, dann kehrte ſie zurück und Praxedis ſchlug die Augen nieder. Eure Worte ſind bitter, ſprach ſie. Bitter! rief die Klausnerin, gelobt ſei der Herr, daß auf meinen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050" n="28"/> ließ ihn fallen, hob ihn auf, ſtolperte, erholte ſich wieder und ver-<lb/> ſchwand in gutem Trab jenſeits der moosverwachſenen Stämme.</p><lb/> <p>O Kind der Welt, das in Finſterniß wandelt, ſchalt die Klaus-<lb/> nerin herab, was ſoll die Bewegung deiner Hand?</p><lb/> <p>Ein Scherz ... ſprach Praxedis unbefangen.</p><lb/> <p>Eine Sünde! rief Wiborad mit rauher Stimme. Praxedis erſchrack.</p><lb/> <p>O Teufelswerk und Verblendung! fuhr jene predigend fort. Da<lb/> laſſet Ihr Eure Augen liſtig herumſtreifen, bis ſie dem Manne als<lb/> wie ein Blitz in's Herz fahren, und werft ihm eine Kußhand zu, als<lb/> wenn das Nichts wäre. Iſt das Nichts, wenn Einer rückwärts ſchaut,<lb/> der vorwärts ſchauen ſollte? Wer die Hand an Pflug zu legen hat<lb/> und ſiehet zurück, der iſt nicht geſchickt zum Reiche Gottes!<note xml:id="ed42" next="#edt42" place="end" n="42)"/> Ein<lb/> Scherz?! O reichet mir Yſop, Euch zu entſündigen und Schnee,<lb/> Euch rein zu waſchen.</p><lb/> <p>Daran hab' ich nicht gedacht, ſprach Praxedis erröthend.</p><lb/> <p>Ihr denkt noch an Vieles nicht, ſprach Wiborad. Sie ſchaute<lb/> Praxedis mit einem muſternden Blick von oben bis unten an. Ihr<lb/> denkt auch nicht, daß Ihr heute ein grüngelb Gewand traget und daß<lb/> ſolch herausfordernde Farbe weltabgewandten Augen ein Gräuel iſt,<lb/> und daß Ihr den Gürtel ſo loſe und nachläſſig drum geſchlungen<lb/> habet, als wäret Ihr eine landfahrende Tänzerin. Wachet und betet!</p><lb/> <p>Die Klausnerin verſchwand eine Weile, dann kehrte ſie zurück und<lb/> reichte einen grobgedrehten Strick heraus. Du dauerſt mich, arme<lb/> Lachtaube, ſprach ſie. Reiß ab die ſeidegeſtickte Umwindung und em-<lb/> pfah' hier den Gürtel der Entſagung aus Wiborad's Händen; der<lb/> ſoll dir eine Mahnung ſein, daß du unnützem Schwatzen und Thun<lb/> den Abſchied gebeſt. Kommt aber wieder eine Verſuchung eitlen Her-<lb/> zens über dich, Wächtern Kußhände zuzuwerfen, ſo wende dein Haupt<lb/> gen Sonnenaufgang und ſinge den Pſalm: Herr, zu meinem Beiſtand<lb/> eile herbei! — und will auch dann der Friede nicht bei dir einkehren,<lb/> ſo brenn ein Wachslicht an und halt den Zeigfinger über die Flamme,<lb/> ſo wirſt du ſicher ſein zur Stunde.<note xml:id="ed43" next="#edt43" place="end" n="43)"/> Das Feuer heilt das Feuer.</p><lb/> <p>Praxedis ſchlug die Augen nieder.</p><lb/> <p>Eure Worte ſind bitter, ſprach ſie.</p><lb/> <p>Bitter! rief die Klausnerin, gelobt ſei der Herr, daß auf meinen<lb/> Lippen kein ſüßer Schmack wohnt. Der Mund der Heiligen muß<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0050]
ließ ihn fallen, hob ihn auf, ſtolperte, erholte ſich wieder und ver-
ſchwand in gutem Trab jenſeits der moosverwachſenen Stämme.
O Kind der Welt, das in Finſterniß wandelt, ſchalt die Klaus-
nerin herab, was ſoll die Bewegung deiner Hand?
Ein Scherz ... ſprach Praxedis unbefangen.
Eine Sünde! rief Wiborad mit rauher Stimme. Praxedis erſchrack.
O Teufelswerk und Verblendung! fuhr jene predigend fort. Da
laſſet Ihr Eure Augen liſtig herumſtreifen, bis ſie dem Manne als
wie ein Blitz in's Herz fahren, und werft ihm eine Kußhand zu, als
wenn das Nichts wäre. Iſt das Nichts, wenn Einer rückwärts ſchaut,
der vorwärts ſchauen ſollte? Wer die Hand an Pflug zu legen hat
und ſiehet zurück, der iſt nicht geſchickt zum Reiche Gottes!
⁴²⁾
Ein
Scherz?! O reichet mir Yſop, Euch zu entſündigen und Schnee,
Euch rein zu waſchen.
Daran hab' ich nicht gedacht, ſprach Praxedis erröthend.
Ihr denkt noch an Vieles nicht, ſprach Wiborad. Sie ſchaute
Praxedis mit einem muſternden Blick von oben bis unten an. Ihr
denkt auch nicht, daß Ihr heute ein grüngelb Gewand traget und daß
ſolch herausfordernde Farbe weltabgewandten Augen ein Gräuel iſt,
und daß Ihr den Gürtel ſo loſe und nachläſſig drum geſchlungen
habet, als wäret Ihr eine landfahrende Tänzerin. Wachet und betet!
Die Klausnerin verſchwand eine Weile, dann kehrte ſie zurück und
reichte einen grobgedrehten Strick heraus. Du dauerſt mich, arme
Lachtaube, ſprach ſie. Reiß ab die ſeidegeſtickte Umwindung und em-
pfah' hier den Gürtel der Entſagung aus Wiborad's Händen; der
ſoll dir eine Mahnung ſein, daß du unnützem Schwatzen und Thun
den Abſchied gebeſt. Kommt aber wieder eine Verſuchung eitlen Her-
zens über dich, Wächtern Kußhände zuzuwerfen, ſo wende dein Haupt
gen Sonnenaufgang und ſinge den Pſalm: Herr, zu meinem Beiſtand
eile herbei! — und will auch dann der Friede nicht bei dir einkehren,
ſo brenn ein Wachslicht an und halt den Zeigfinger über die Flamme,
ſo wirſt du ſicher ſein zur Stunde.
⁴³⁾
Das Feuer heilt das Feuer.
Praxedis ſchlug die Augen nieder.
Eure Worte ſind bitter, ſprach ſie.
Bitter! rief die Klausnerin, gelobt ſei der Herr, daß auf meinen
Lippen kein ſüßer Schmack wohnt. Der Mund der Heiligen muß
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