gleiten?! rief er, -- dazu ist der Wächter am Thor des heiligen Gallus nicht nutz!
Gerold aber nickte ihm bedeutungsvoll zu und sprach: Ihr müßt's versuchen, Romeias. Ist's nicht schon zugetroffen, daß Wächter, die ihren Auftrag getreulich erfüllten, des Abends einen großen Steinkrug Klosterwein in ihrem Stüblein vorfanden? Halloh, Romeias!
Des Mißmuthigen Antlitz heiterte sich. Und er ging hinab in Hof und löste die Hunde; der Spürhund und der Leithund sprangen an ihm hinauf, auch das Biberhündlein kläffte vergnüglich und wollte mit ausziehen,35) aber verächtlich jagte er's heim, der Fischteich und seine Insassen gingen den Waidmann nichts an. Von seinen Rüden umbellt, schritt er vor's Thor.
Praxedis und die andern dienenden Frauen der Herzogin waren von den Pferden gestiegen und saßen auf einem Rain im Sonnen- schein und hatten viel mit einand zu schwatzen von Mönchen und Kutten und Bärten und sonderbaren Launen ihrer Herrschaft. Da trat Ro- meias vor sie hin und sprach: Vorwärts!
Praxedis musterte den wilden Jägersmann und war sich nicht klar, was sie aus ihm machen sollte; mit schnippischer Stimme fragte sie: Wohin, guter Freund? Romeias aber hob seinen Spieß und deutete nach einem nahen Hügel hinter dem Walde und sagte Nichts. Da sprach Praxedis: Sind die Worte bei Euch in Sanct Gallen so theuer zu kaufen, daß Ihr keinen andern Bescheid gebt?
Die Dienerinnen lachten.
Da sprach Romeias ernst: Möcht' euch doch allzusammt ein Donnerwetter sieben Klafter tief in Erdboden hinein verschlagen!
Praxedis erwiederte: Wir danken Euch, guter Freund! Hiemit war die schickliche Einleitung zu einem Gespräch gefunden. Romeias eröffnete seinen Auftrag, die Frauen folgten ihm willig.
Und allmälig fand der Wächter, daß es nicht der härteste Dienst sei, solche Gäste zu geleiten, und wie die Griechin ihn des Näheren über Wächterei und Jagdhantirung befragte, ward seine Zunge gelöst, und er erzählte von Bären und Wildschweinen, daß es eine Freude war, und erzählte sogar sein großes Jagdstück von dem furchtbaren Eber, dem er einst den Speer in die Seite geworfen und ihn doch nicht zu erlegen vermocht, denn er hatte Füße einer Wagenlast an
gleiten?! rief er, — dazu iſt der Wächter am Thor des heiligen Gallus nicht nutz!
Gerold aber nickte ihm bedeutungsvoll zu und ſprach: Ihr müßt's verſuchen, Romeias. Iſt's nicht ſchon zugetroffen, daß Wächter, die ihren Auftrag getreulich erfüllten, des Abends einen großen Steinkrug Kloſterwein in ihrem Stüblein vorfanden? Halloh, Romeias!
Des Mißmuthigen Antlitz heiterte ſich. Und er ging hinab in Hof und löste die Hunde; der Spürhund und der Leithund ſprangen an ihm hinauf, auch das Biberhündlein kläffte vergnüglich und wollte mit ausziehen,35) aber verächtlich jagte er's heim, der Fiſchteich und ſeine Inſaſſen gingen den Waidmann nichts an. Von ſeinen Rüden umbellt, ſchritt er vor's Thor.
Praxedis und die andern dienenden Frauen der Herzogin waren von den Pferden geſtiegen und ſaßen auf einem Rain im Sonnen- ſchein und hatten viel mit einand zu ſchwatzen von Mönchen und Kutten und Bärten und ſonderbaren Launen ihrer Herrſchaft. Da trat Ro- meias vor ſie hin und ſprach: Vorwärts!
Praxedis muſterte den wilden Jägersmann und war ſich nicht klar, was ſie aus ihm machen ſollte; mit ſchnippiſcher Stimme fragte ſie: Wohin, guter Freund? Romeias aber hob ſeinen Spieß und deutete nach einem nahen Hügel hinter dem Walde und ſagte Nichts. Da ſprach Praxedis: Sind die Worte bei Euch in Sanct Gallen ſo theuer zu kaufen, daß Ihr keinen andern Beſcheid gebt?
Die Dienerinnen lachten.
Da ſprach Romeias ernſt: Möcht' euch doch allzuſammt ein Donnerwetter ſieben Klafter tief in Erdboden hinein verſchlagen!
Praxedis erwiederte: Wir danken Euch, guter Freund! Hiemit war die ſchickliche Einleitung zu einem Geſpräch gefunden. Romeias eröffnete ſeinen Auftrag, die Frauen folgten ihm willig.
Und allmälig fand der Wächter, daß es nicht der härteſte Dienſt ſei, ſolche Gäſte zu geleiten, und wie die Griechin ihn des Näheren über Wächterei und Jagdhantirung befragte, ward ſeine Zunge gelöst, und er erzählte von Bären und Wildſchweinen, daß es eine Freude war, und erzählte ſogar ſein großes Jagdſtück von dem furchtbaren Eber, dem er einſt den Speer in die Seite geworfen und ihn doch nicht zu erlegen vermocht, denn er hatte Füße einer Wagenlaſt an
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gleiten?! rief er, — dazu iſt der Wächter am Thor des heiligen
Gallus nicht nutz!
Gerold aber nickte ihm bedeutungsvoll zu und ſprach: Ihr müßt's
verſuchen, Romeias. Iſt's nicht ſchon zugetroffen, daß Wächter, die
ihren Auftrag getreulich erfüllten, des Abends einen großen Steinkrug
Kloſterwein in ihrem Stüblein vorfanden? Halloh, Romeias!
Des Mißmuthigen Antlitz heiterte ſich. Und er ging hinab in
Hof und löste die Hunde; der Spürhund und der Leithund ſprangen
an ihm hinauf, auch das Biberhündlein kläffte vergnüglich und wollte
mit ausziehen,
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aber verächtlich jagte er's heim, der Fiſchteich und
ſeine Inſaſſen gingen den Waidmann nichts an. Von ſeinen Rüden
umbellt, ſchritt er vor's Thor.
Praxedis und die andern dienenden Frauen der Herzogin waren
von den Pferden geſtiegen und ſaßen auf einem Rain im Sonnen-
ſchein und hatten viel mit einand zu ſchwatzen von Mönchen und Kutten
und Bärten und ſonderbaren Launen ihrer Herrſchaft. Da trat Ro-
meias vor ſie hin und ſprach: Vorwärts!
Praxedis muſterte den wilden Jägersmann und war ſich nicht
klar, was ſie aus ihm machen ſollte; mit ſchnippiſcher Stimme fragte
ſie: Wohin, guter Freund? Romeias aber hob ſeinen Spieß und
deutete nach einem nahen Hügel hinter dem Walde und ſagte Nichts.
Da ſprach Praxedis: Sind die Worte bei Euch in Sanct Gallen ſo
theuer zu kaufen, daß Ihr keinen andern Beſcheid gebt?
Die Dienerinnen lachten.
Da ſprach Romeias ernſt: Möcht' euch doch allzuſammt ein
Donnerwetter ſieben Klafter tief in Erdboden hinein verſchlagen!
Praxedis erwiederte: Wir danken Euch, guter Freund! Hiemit
war die ſchickliche Einleitung zu einem Geſpräch gefunden. Romeias
eröffnete ſeinen Auftrag, die Frauen folgten ihm willig.
Und allmälig fand der Wächter, daß es nicht der härteſte Dienſt
ſei, ſolche Gäſte zu geleiten, und wie die Griechin ihn des Näheren
über Wächterei und Jagdhantirung befragte, ward ſeine Zunge gelöst,
und er erzählte von Bären und Wildſchweinen, daß es eine Freude
war, und erzählte ſogar ſein großes Jagdſtück von dem furchtbaren
Eber, dem er einſt den Speer in die Seite geworfen und ihn doch
nicht zu erlegen vermocht, denn er hatte Füße einer Wagenlaſt an
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/45>, abgerufen am 23.11.2024.
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