verweht in die Tannenwipfel. Ordnung muß sein hier oben und ein- fach Wesen, wir leiden nichts Ausgespitztes!
Ich will's nicht wieder thun, sagte Ekkehard lachend und reichte ihm die Hand.
Der brave Alpmeister war am Sennwalder Rothwein warm geworden.
Und bei Donner und Blitz, schalt er weiter, was soll das heißen, ein Lied aufschreiben? Narrenpossen! Schreibt's einmal auf, wenn Ihr könnt!
Er hub einen Jodelgesang an in so unmodulirt gröblichen Natur- lauten, daß auch das geübteste Ohr einen mit Wort oder Schriftzug darzustellenden Ton vergeblich darin zu entdecken vermocht hätte.
-- -- Zur selben Stunde saß zu Passau an der Donau im reblaub- umrankten Gartenstüblein der Bischofspfalz ein Mann in der Frische sprossenden Mannesalters vor einem steingehauenen Tisch. Ein un- nennbar feiner Zug lag um den von braunem Bart überdeckten Mund, üppige Locken wallten unter dem sammtnen Barett herfür, seine dunkeln Augen folgten dem Zuge der schreibenden Rechten. Zwei blonde Knaben stunden neugierig an der hölzernen Armlehne seines Stuhles, und schauten ihm über die Schulter ... es war schon manch ein Blatt beschrieben von Fahrten und Stürmen und Noth und tapferer Helden Tod -- er schrieb jetzo am letzten. Und dauerte nicht lang, so that er die Feder weg und trank einen langen tiefen ernsten Schluck ungrischen Weines aus dem spitzen Pokal.
Ist's jetzt fertig? sprach der eine Knabe.
Es ist fertig! nickte der Schreibersmann, Alles fertig, wie es sich hub und wie es kam und wie es ein bitter Ende nahm.
Er reichte ihm die Blätter, und jubelnd sprangen die Knaben zu ihrem Ohm dem Bischof Pilgerim und wiesen ihm die Schrift: Und du selber stehst auch drin, theurer Oheim, riefen sie, "der Bischof mit seiner Nichte ritt auf Passau an" -- zweimal stehst du drin und dreimal!
Und Pilgerim der Bischof strich seinen weißen Bart und sprach: Ihr dürft euch freuen, liebe Neffen, daß euch der Conrad die Mähr gebrieft, und wenn der Donaustrom drei Tage und drei Nächte mit Gold fließen wollte, ihr möchtet nichts Kostbareres drin fischen, denn diesen Sang, das ist die größeste Geschichte, die auf der Welt je geschah.
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 26
verweht in die Tannenwipfel. Ordnung muß ſein hier oben und ein- fach Weſen, wir leiden nichts Ausgeſpitztes!
Ich will's nicht wieder thun, ſagte Ekkehard lachend und reichte ihm die Hand.
Der brave Alpmeiſter war am Sennwalder Rothwein warm geworden.
Und bei Donner und Blitz, ſchalt er weiter, was ſoll das heißen, ein Lied aufſchreiben? Narrenpoſſen! Schreibt's einmal auf, wenn Ihr könnt!
Er hub einen Jodelgeſang an in ſo unmodulirt gröblichen Natur- lauten, daß auch das geübteſte Ohr einen mit Wort oder Schriftzug darzuſtellenden Ton vergeblich darin zu entdecken vermocht hätte.
— — Zur ſelben Stunde ſaß zu Paſſau an der Donau im reblaub- umrankten Gartenſtüblein der Biſchofspfalz ein Mann in der Friſche ſproſſenden Mannesalters vor einem ſteingehauenen Tiſch. Ein un- nennbar feiner Zug lag um den von braunem Bart überdeckten Mund, üppige Locken wallten unter dem ſammtnen Barett herfür, ſeine dunkeln Augen folgten dem Zuge der ſchreibenden Rechten. Zwei blonde Knaben ſtunden neugierig an der hölzernen Armlehne ſeines Stuhles, und ſchauten ihm über die Schulter ... es war ſchon manch ein Blatt beſchrieben von Fahrten und Stürmen und Noth und tapferer Helden Tod — er ſchrieb jetzo am letzten. Und dauerte nicht lang, ſo that er die Feder weg und trank einen langen tiefen ernſten Schluck ungriſchen Weines aus dem ſpitzen Pokal.
Iſt's jetzt fertig? ſprach der eine Knabe.
Es iſt fertig! nickte der Schreibersmann, Alles fertig, wie es ſich hub und wie es kam und wie es ein bitter Ende nahm.
Er reichte ihm die Blätter, und jubelnd ſprangen die Knaben zu ihrem Ohm dem Biſchof Pilgerim und wieſen ihm die Schrift: Und du ſelber ſtehſt auch drin, theurer Oheim, riefen ſie, „der Biſchof mit ſeiner Nichte ritt auf Paſſau an“ — zweimal ſtehſt du drin und dreimal!
Und Pilgerim der Biſchof ſtrich ſeinen weißen Bart und ſprach: Ihr dürft euch freuen, liebe Neffen, daß euch der Conrad die Mähr gebrieft, und wenn der Donauſtrom drei Tage und drei Nächte mit Gold fließen wollte, ihr möchtet nichts Koſtbareres drin fiſchen, denn dieſen Sang, das iſt die größeſte Geſchichte, die auf der Welt je geſchah.
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 26
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fach Weſen, wir leiden nichts Ausgeſpitztes!
Ich will's nicht wieder thun, ſagte Ekkehard lachend und reichte
ihm die Hand.
Der brave Alpmeiſter war am Sennwalder Rothwein warm
geworden.
Und bei Donner und Blitz, ſchalt er weiter, was ſoll das heißen,
ein Lied aufſchreiben? Narrenpoſſen! Schreibt's einmal auf, wenn
Ihr könnt!
Er hub einen Jodelgeſang an in ſo unmodulirt gröblichen Natur-
lauten, daß auch das geübteſte Ohr einen mit Wort oder Schriftzug
darzuſtellenden Ton vergeblich darin zu entdecken vermocht hätte.
— — Zur ſelben Stunde ſaß zu Paſſau an der Donau im reblaub-
umrankten Gartenſtüblein der Biſchofspfalz ein Mann in der Friſche
ſproſſenden Mannesalters vor einem ſteingehauenen Tiſch. Ein un-
nennbar feiner Zug lag um den von braunem Bart überdeckten
Mund, üppige Locken wallten unter dem ſammtnen Barett herfür,
ſeine dunkeln Augen folgten dem Zuge der ſchreibenden Rechten. Zwei
blonde Knaben ſtunden neugierig an der hölzernen Armlehne ſeines
Stuhles, und ſchauten ihm über die Schulter ... es war ſchon manch
ein Blatt beſchrieben von Fahrten und Stürmen und Noth und
tapferer Helden Tod — er ſchrieb jetzo am letzten. Und dauerte nicht
lang, ſo that er die Feder weg und trank einen langen tiefen ernſten
Schluck ungriſchen Weines aus dem ſpitzen Pokal.
Iſt's jetzt fertig? ſprach der eine Knabe.
Es iſt fertig! nickte der Schreibersmann, Alles fertig, wie es ſich
hub und wie es kam und wie es ein bitter Ende nahm.
Er reichte ihm die Blätter, und jubelnd ſprangen die Knaben zu
ihrem Ohm dem Biſchof Pilgerim und wieſen ihm die Schrift: Und
du ſelber ſtehſt auch drin, theurer Oheim, riefen ſie, „der Biſchof mit
ſeiner Nichte ritt auf Paſſau an“ — zweimal ſtehſt du drin und dreimal!
Und Pilgerim der Biſchof ſtrich ſeinen weißen Bart und ſprach:
Ihr dürft euch freuen, liebe Neffen, daß euch der Conrad die Mähr
gebrieft, und wenn der Donauſtrom drei Tage und drei Nächte mit
Gold fließen wollte, ihr möchtet nichts Koſtbareres drin fiſchen, denn
dieſen Sang, das iſt die größeſte Geſchichte, die auf der Welt je geſchah.
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 26
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/423>, abgerufen am 24.07.2024.
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