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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Der Abt pflog noch eine lange flüsternde Verhandlung mit Gerold
dem Schaffner, wegen des Vesperimbisses; dann stieg er von seinem
Steinsitz und zog mit der Brüder Schaar den Gästen entgegen. Die
waren draußen schon dreimal um des Klosters Umfriedung herumge-
ritten und hatten sich mit Glimpf und Scherz des Wartens Ungeduld
vertrieben.

In der Tonweise: justus germinavit kamen itzt die eintönigen
schweren Klänge des Loblieds auf den heiligen Benedictus aus dem
Klosterhof zu den Wartenden gezogen, das schwere Thor knarrte auf,
heraus schritt der Abt, paarweise langsamen Ganges der Zug der
Brüder, die beiden Reihen erwiederten sich die Strophen des Hymnus.

Dann gab der Abt ein Zeichen, daß der Gesang verstumme. Wie
geht's Euch, Vetter Cralo, rief die Herzogin leichtfertig vom Roß, hab'
Euch lange nicht gesehen. Hinket Ihr noch?

Cralo aber sprach ernst: Es ist besser der Hirt hinke als die Heerde.30) Vernehmet des Klosters Beschluß.

Und er eröffnete die Bedingung, die sie auf den Eintritt gesetzt.
Da sprach Frau Hadwig lächelnd: So lang ich den Scepter führe in
Schwabenland, ist mir ein solcher Vorschlag nicht gemacht worden.
Aber Eures Ordens Vorschrift soll von uns kein Leides geschehen,
welchem der Brüder habt Ihr's zugewiesen, die Landesherrin über die
Schwelle zu tragen?

Sie ließ ihr funkelnd Auge über die geistliche Heerschaar streifen.
Wie sie auf Notker des Stammlers unheimlich Schwärmerantlitz traf,
flüsterte sie leise der Griechin zu: Möglich, daß wir gleich wieder umkehren!

Da sprach der Abt: Das ist des Pörtners Amt, dort steht er.

Frau Hadwig wandte den Blick in der Richtung, die des Abts
Zeigefinger wies, gesenkten Hauptes stund Ekkehard, sie erschaute die
sinnige Gestalt im rothwangigen Schimmer der Jugend, es war ein
langer Blick, mit dem sie über die gedankenbewegten Züge und das
wallende gelbliche Haupthaar und die breite Tonsur streifte.

Wir kehren nicht um! nickte sie zu ihrer Begleiterin, und bevor
der kurzhalsige Kämmerer, der meistentheils den guten Willen und
das Zuspätkommen hatte, vom Gaul herab und ihrem Schimmel ge-
naht war, sprang sie anmuthig aus dem Bügel, trat auf den Pört-
ner zu und sprach: -- So thut was Eures Amtes!

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Der Abt pflog noch eine lange flüſternde Verhandlung mit Gerold
dem Schaffner, wegen des Vesperimbiſſes; dann ſtieg er von ſeinem
Steinſitz und zog mit der Brüder Schaar den Gäſten entgegen. Die
waren draußen ſchon dreimal um des Kloſters Umfriedung herumge-
ritten und hatten ſich mit Glimpf und Scherz des Wartens Ungeduld
vertrieben.

In der Tonweiſe: justus germinavit kamen itzt die eintönigen
ſchweren Klänge des Loblieds auf den heiligen Benedictus aus dem
Kloſterhof zu den Wartenden gezogen, das ſchwere Thor knarrte auf,
heraus ſchritt der Abt, paarweiſe langſamen Ganges der Zug der
Brüder, die beiden Reihen erwiederten ſich die Strophen des Hymnus.

Dann gab der Abt ein Zeichen, daß der Geſang verſtumme. Wie
geht's Euch, Vetter Cralo, rief die Herzogin leichtfertig vom Roß, hab'
Euch lange nicht geſehen. Hinket Ihr noch?

Cralo aber ſprach ernſt: Es iſt beſſer der Hirt hinke als die Heerde.30) Vernehmet des Kloſters Beſchluß.

Und er eröffnete die Bedingung, die ſie auf den Eintritt geſetzt.
Da ſprach Frau Hadwig lächelnd: So lang ich den Scepter führe in
Schwabenland, iſt mir ein ſolcher Vorſchlag nicht gemacht worden.
Aber Eures Ordens Vorſchrift ſoll von uns kein Leides geſchehen,
welchem der Brüder habt Ihr's zugewieſen, die Landesherrin über die
Schwelle zu tragen?

Sie ließ ihr funkelnd Auge über die geiſtliche Heerſchaar ſtreifen.
Wie ſie auf Notker des Stammlers unheimlich Schwärmerantlitz traf,
flüſterte ſie leiſe der Griechin zu: Möglich, daß wir gleich wieder umkehren!

Da ſprach der Abt: Das iſt des Pörtners Amt, dort ſteht er.

Frau Hadwig wandte den Blick in der Richtung, die des Abts
Zeigefinger wies, geſenkten Hauptes ſtund Ekkehard, ſie erſchaute die
ſinnige Geſtalt im rothwangigen Schimmer der Jugend, es war ein
langer Blick, mit dem ſie über die gedankenbewegten Züge und das
wallende gelbliche Haupthaar und die breite Tonſur ſtreifte.

Wir kehren nicht um! nickte ſie zu ihrer Begleiterin, und bevor
der kurzhalſige Kämmerer, der meiſtentheils den guten Willen und
das Zuſpätkommen hatte, vom Gaul herab und ihrem Schimmel ge-
naht war, ſprang ſie anmuthig aus dem Bügel, trat auf den Pört-
ner zu und ſprach: — So thut was Eures Amtes!

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[19/0041] Der Abt pflog noch eine lange flüſternde Verhandlung mit Gerold dem Schaffner, wegen des Vesperimbiſſes; dann ſtieg er von ſeinem Steinſitz und zog mit der Brüder Schaar den Gäſten entgegen. Die waren draußen ſchon dreimal um des Kloſters Umfriedung herumge- ritten und hatten ſich mit Glimpf und Scherz des Wartens Ungeduld vertrieben. In der Tonweiſe: justus germinavit kamen itzt die eintönigen ſchweren Klänge des Loblieds auf den heiligen Benedictus aus dem Kloſterhof zu den Wartenden gezogen, das ſchwere Thor knarrte auf, heraus ſchritt der Abt, paarweiſe langſamen Ganges der Zug der Brüder, die beiden Reihen erwiederten ſich die Strophen des Hymnus. Dann gab der Abt ein Zeichen, daß der Geſang verſtumme. Wie geht's Euch, Vetter Cralo, rief die Herzogin leichtfertig vom Roß, hab' Euch lange nicht geſehen. Hinket Ihr noch? Cralo aber ſprach ernſt: Es iſt beſſer der Hirt hinke als die Heerde. ³⁰⁾ Vernehmet des Kloſters Beſchluß. Und er eröffnete die Bedingung, die ſie auf den Eintritt geſetzt. Da ſprach Frau Hadwig lächelnd: So lang ich den Scepter führe in Schwabenland, iſt mir ein ſolcher Vorſchlag nicht gemacht worden. Aber Eures Ordens Vorſchrift ſoll von uns kein Leides geſchehen, welchem der Brüder habt Ihr's zugewieſen, die Landesherrin über die Schwelle zu tragen? Sie ließ ihr funkelnd Auge über die geiſtliche Heerſchaar ſtreifen. Wie ſie auf Notker des Stammlers unheimlich Schwärmerantlitz traf, flüſterte ſie leiſe der Griechin zu: Möglich, daß wir gleich wieder umkehren! Da ſprach der Abt: Das iſt des Pörtners Amt, dort ſteht er. Frau Hadwig wandte den Blick in der Richtung, die des Abts Zeigefinger wies, geſenkten Hauptes ſtund Ekkehard, ſie erſchaute die ſinnige Geſtalt im rothwangigen Schimmer der Jugend, es war ein langer Blick, mit dem ſie über die gedankenbewegten Züge und das wallende gelbliche Haupthaar und die breite Tonſur ſtreifte. Wir kehren nicht um! nickte ſie zu ihrer Begleiterin, und bevor der kurzhalſige Kämmerer, der meiſtentheils den guten Willen und das Zuſpätkommen hatte, vom Gaul herab und ihrem Schimmel ge- naht war, ſprang ſie anmuthig aus dem Bügel, trat auf den Pört- ner zu und ſprach: — So thut was Eures Amtes! 2*

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/41>, abgerufen am 21.11.2024.