Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.Doch in den weiten Landen fand sich kein einz'ger Grafe, Kein Heerfürst oder Ritter, kein Knappe oder Sclave, Der sich vermaß, Waltari verfolgend nachzugehn Und mit des Schwertes Schneide dem Zürnenden zu stehn. Und was der König flehte, gesprochen war's in Wind, Die hohen Goldeshaufen -- sie blieben unverdient. Waltari ritt bei Nachtzeit weiter und weiter in Hast, Des Tags in dichtem Walde und Buschwerk hielt er Rast, Nah flogen ihm die Vögel, lieblich klang sein Gelock' Er fing sie mit Leimruthen und mit gespaltnem Stock, Und wo in krummem Laufe ein Strom vorüberfloß Eintaucht' er seine Angel und reiche Beute genoß. So kürzten sich die Tage mit Fischfang und Gejaid, Das schafft dem Hunger Stillung, dem Herzen Nüchternheit, Und auf der ganzen Fahrt hat nimmermehr begehrt Die Jungfrau zu umarmen der Recke ehrenwerth. Schon vierzehn Male war der Sonne Lauf vollendet Seit daß er sonder Abschied von Etzel sich gewendet, Da glänzt aus lichtem Waldsaum im Abenddämmerschein Ein Fluß zu ihm herüber -- das war der Vater Rhein, Das war der Rhein, und jenseits an fernem Ufer stand Die Königsburg von Worms, Hauptstadt in Frankenland. Doch in den weiten Landen fand ſich kein einz'ger Grafe, Kein Heerfürſt oder Ritter, kein Knappe oder Sclave, Der ſich vermaß, Waltari verfolgend nachzugehn Und mit des Schwertes Schneide dem Zürnenden zu ſtehn. Und was der König flehte, geſprochen war's in Wind, Die hohen Goldeshaufen — ſie blieben unverdient. Waltari ritt bei Nachtzeit weiter und weiter in Haſt, Des Tags in dichtem Walde und Buſchwerk hielt er Raſt, Nah flogen ihm die Vögel, lieblich klang ſein Gelock' Er fing ſie mit Leimruthen und mit geſpaltnem Stock, Und wo in krummem Laufe ein Strom vorüberfloß Eintaucht' er ſeine Angel und reiche Beute genoß. So kürzten ſich die Tage mit Fiſchfang und Gejaid, Das ſchafft dem Hunger Stillung, dem Herzen Nüchternheit, Und auf der ganzen Fahrt hat nimmermehr begehrt Die Jungfrau zu umarmen der Recke ehrenwerth. Schon vierzehn Male war der Sonne Lauf vollendet Seit daß er ſonder Abſchied von Etzel ſich gewendet, Da glänzt aus lichtem Waldſaum im Abenddämmerſchein Ein Fluß zu ihm herüber — das war der Vater Rhein, Das war der Rhein, und jenſeits an fernem Ufer ſtand Die Königsburg von Worms, Hauptſtadt in Frankenland. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0384" n="362"/> <lg n="6"> <l>Doch in den weiten Landen fand ſich kein einz'ger Grafe,</l><lb/> <l>Kein Heerfürſt oder Ritter, kein Knappe oder Sclave,</l><lb/> <l>Der ſich vermaß, Waltari verfolgend nachzugehn</l><lb/> <l>Und mit des Schwertes Schneide dem Zürnenden zu ſtehn.</l><lb/> <l>Und was der König flehte, geſprochen war's in Wind,</l><lb/> <l>Die hohen Goldeshaufen — ſie blieben unverdient.</l> </lg> </lg><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>altari ritt bei Nachtzeit weiter und weiter in Haſt,</l><lb/> <l>Des Tags in dichtem Walde und Buſchwerk hielt er Raſt,</l><lb/> <l>Nah flogen ihm die Vögel, lieblich klang ſein Gelock'</l><lb/> <l>Er fing ſie mit Leimruthen und mit geſpaltnem Stock,</l><lb/> <l>Und wo in krummem Laufe ein Strom vorüberfloß</l><lb/> <l>Eintaucht' er ſeine Angel und reiche Beute genoß.</l><lb/> <l>So kürzten ſich die Tage mit Fiſchfang und Gejaid,</l><lb/> <l>Das ſchafft dem Hunger Stillung, dem Herzen Nüchternheit,</l><lb/> <l>Und auf der ganzen Fahrt hat nimmermehr begehrt</l><lb/> <l>Die Jungfrau zu umarmen der Recke ehrenwerth.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Schon vierzehn Male war der Sonne Lauf vollendet</l><lb/> <l>Seit daß er ſonder Abſchied von Etzel ſich gewendet,</l><lb/> <l>Da glänzt aus lichtem Waldſaum im Abenddämmerſchein</l><lb/> <l>Ein Fluß zu ihm herüber — das war der Vater Rhein,</l><lb/> <l>Das war der Rhein, und jenſeits an fernem Ufer ſtand</l><lb/> <l>Die Königsburg von Worms, Hauptſtadt in Frankenland.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [362/0384]
Doch in den weiten Landen fand ſich kein einz'ger Grafe,
Kein Heerfürſt oder Ritter, kein Knappe oder Sclave,
Der ſich vermaß, Waltari verfolgend nachzugehn
Und mit des Schwertes Schneide dem Zürnenden zu ſtehn.
Und was der König flehte, geſprochen war's in Wind,
Die hohen Goldeshaufen — ſie blieben unverdient.
Waltari ritt bei Nachtzeit weiter und weiter in Haſt,
Des Tags in dichtem Walde und Buſchwerk hielt er Raſt,
Nah flogen ihm die Vögel, lieblich klang ſein Gelock'
Er fing ſie mit Leimruthen und mit geſpaltnem Stock,
Und wo in krummem Laufe ein Strom vorüberfloß
Eintaucht' er ſeine Angel und reiche Beute genoß.
So kürzten ſich die Tage mit Fiſchfang und Gejaid,
Das ſchafft dem Hunger Stillung, dem Herzen Nüchternheit,
Und auf der ganzen Fahrt hat nimmermehr begehrt
Die Jungfrau zu umarmen der Recke ehrenwerth.
Schon vierzehn Male war der Sonne Lauf vollendet
Seit daß er ſonder Abſchied von Etzel ſich gewendet,
Da glänzt aus lichtem Waldſaum im Abenddämmerſchein
Ein Fluß zu ihm herüber — das war der Vater Rhein,
Das war der Rhein, und jenſeits an fernem Ufer ſtand
Die Königsburg von Worms, Hauptſtadt in Frankenland.
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Zitationshilfe: | Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/384>, abgerufen am 24.07.2024. |