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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Stimmen zu hören, die spottend mit ihm plauderten von thörichten
Hoffnungen und den Täuschungen der Welt, Flug und Ruf der Vögel
klang ihm wie kreischender Schrei der Dämonen und sein Gebet half
nicht dawider. Wenn Schauer der Wildniß den Geist erfüllt, täuscht
sich Ohr und Auge und glaubt die alten Sagen, daß Alles von Mitte
der Luft bis hernieder und die Erde selber, da wo sie unbauhaft,263) erfüllt sei vom Reigentanz ewig lebender Geister.

Es war eine weiche würzige Spätsommernacht, er wollte sich auf
sein einfach Lager werfen, da schien der Mond in scharfem Glanz die
Höhle an, zwei weiße Wolken zogen langsam einander nach, er hörte
wie sie zu einander sprachen und die eine Wolke war Frau Hadwig,
die andere Praxedis. Ich will doch sehen wie die Ruhestatt eines
flüchtigen Thoren aussieht, sprach die vordere weiße Wolke und streifte
eilend über die Scheitel der wagrechten Wände und stand gegenüber
der Höhle über dem Kamor, dann senkte sie sich nieder zu den Tannen,
die thalab in unzähligen Reihen standen: Er ist's! rief die Wolke,
greifet den Frevler! und die Tannen wurden lauter Mönche, tausend
und abertausend und wurden lebendig und zogen wimmelnd aus und
begannen die Abhänge des Wildkirchlein zu ersteigen, psalmend und
ruthenschwingend -- da sprang Ekkehard schauernd auf und griff sei-
nen Speer -- itzt war's als wenn Irrlichter aus der Höhlentiefe
vorhüpften: hinaus aus den Alpen! rief's hinter ihm -- alle Adern
fieberten, da rannte er fort über den schmalen Steg an den dräuenden
Felsüberhängen, hinaus in die Nacht wie ein Verzweifelter. Noch
stand die zweite Wolke beim Mond: ich kann dir nicht helfen, sprach
sie mit Praxedis Stimme, ich weiß den Weg nicht ...

Er rannte bergab, das Leben war ihm eine Qual, und doch
tastete er am abspringenden Boden und stemmte den Speer ein, um
nicht hinabzustürzen und den herankletternden Spuckgestalten in die
Hände zu fallen.

Der nächtliche Rutsch den Hohentwiel hinab war ein Kinderspiel
gegen dieses Klimmen; über schwindelnden Abgrund, der Gefahr un-
wissend, kam er zur Tiefe. Die Ziegen stürzen dort in zerschmetter-
tem Fall zu Thale, wenn sie die Augen von Gras und Berghang weg
zur halsbrechenden Schlucht wenden.

Stimmen zu hören, die ſpottend mit ihm plauderten von thörichten
Hoffnungen und den Täuſchungen der Welt, Flug und Ruf der Vögel
klang ihm wie kreiſchender Schrei der Dämonen und ſein Gebet half
nicht dawider. Wenn Schauer der Wildniß den Geiſt erfüllt, täuſcht
ſich Ohr und Auge und glaubt die alten Sagen, daß Alles von Mitte
der Luft bis hernieder und die Erde ſelber, da wo ſie unbauhaft,263) erfüllt ſei vom Reigentanz ewig lebender Geiſter.

Es war eine weiche würzige Spätſommernacht, er wollte ſich auf
ſein einfach Lager werfen, da ſchien der Mond in ſcharfem Glanz die
Höhle an, zwei weiße Wolken zogen langſam einander nach, er hörte
wie ſie zu einander ſprachen und die eine Wolke war Frau Hadwig,
die andere Praxedis. Ich will doch ſehen wie die Ruheſtatt eines
flüchtigen Thoren ausſieht, ſprach die vordere weiße Wolke und ſtreifte
eilend über die Scheitel der wagrechten Wände und ſtand gegenüber
der Höhle über dem Kamor, dann ſenkte ſie ſich nieder zu den Tannen,
die thalab in unzähligen Reihen ſtanden: Er iſt's! rief die Wolke,
greifet den Frevler! und die Tannen wurden lauter Mönche, tauſend
und abertauſend und wurden lebendig und zogen wimmelnd aus und
begannen die Abhänge des Wildkirchlein zu erſteigen, pſalmend und
ruthenſchwingend — da ſprang Ekkehard ſchauernd auf und griff ſei-
nen Speer — itzt war's als wenn Irrlichter aus der Höhlentiefe
vorhüpften: hinaus aus den Alpen! rief's hinter ihm — alle Adern
fieberten, da rannte er fort über den ſchmalen Steg an den dräuenden
Felsüberhängen, hinaus in die Nacht wie ein Verzweifelter. Noch
ſtand die zweite Wolke beim Mond: ich kann dir nicht helfen, ſprach
ſie mit Praxedis Stimme, ich weiß den Weg nicht ...

Er rannte bergab, das Leben war ihm eine Qual, und doch
taſtete er am abſpringenden Boden und ſtemmte den Speer ein, um
nicht hinabzuſtürzen und den herankletternden Spuckgeſtalten in die
Hände zu fallen.

Der nächtliche Rutſch den Hohentwiel hinab war ein Kinderſpiel
gegen dieſes Klimmen; über ſchwindelnden Abgrund, der Gefahr un-
wiſſend, kam er zur Tiefe. Die Ziegen ſtürzen dort in zerſchmetter-
tem Fall zu Thale, wenn ſie die Augen von Gras und Berghang weg
zur halsbrechenden Schlucht wenden.

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[328/0350] Stimmen zu hören, die ſpottend mit ihm plauderten von thörichten Hoffnungen und den Täuſchungen der Welt, Flug und Ruf der Vögel klang ihm wie kreiſchender Schrei der Dämonen und ſein Gebet half nicht dawider. Wenn Schauer der Wildniß den Geiſt erfüllt, täuſcht ſich Ohr und Auge und glaubt die alten Sagen, daß Alles von Mitte der Luft bis hernieder und die Erde ſelber, da wo ſie unbauhaft, ²⁶³⁾ erfüllt ſei vom Reigentanz ewig lebender Geiſter. Es war eine weiche würzige Spätſommernacht, er wollte ſich auf ſein einfach Lager werfen, da ſchien der Mond in ſcharfem Glanz die Höhle an, zwei weiße Wolken zogen langſam einander nach, er hörte wie ſie zu einander ſprachen und die eine Wolke war Frau Hadwig, die andere Praxedis. Ich will doch ſehen wie die Ruheſtatt eines flüchtigen Thoren ausſieht, ſprach die vordere weiße Wolke und ſtreifte eilend über die Scheitel der wagrechten Wände und ſtand gegenüber der Höhle über dem Kamor, dann ſenkte ſie ſich nieder zu den Tannen, die thalab in unzähligen Reihen ſtanden: Er iſt's! rief die Wolke, greifet den Frevler! und die Tannen wurden lauter Mönche, tauſend und abertauſend und wurden lebendig und zogen wimmelnd aus und begannen die Abhänge des Wildkirchlein zu erſteigen, pſalmend und ruthenſchwingend — da ſprang Ekkehard ſchauernd auf und griff ſei- nen Speer — itzt war's als wenn Irrlichter aus der Höhlentiefe vorhüpften: hinaus aus den Alpen! rief's hinter ihm — alle Adern fieberten, da rannte er fort über den ſchmalen Steg an den dräuenden Felsüberhängen, hinaus in die Nacht wie ein Verzweifelter. Noch ſtand die zweite Wolke beim Mond: ich kann dir nicht helfen, ſprach ſie mit Praxedis Stimme, ich weiß den Weg nicht ... Er rannte bergab, das Leben war ihm eine Qual, und doch taſtete er am abſpringenden Boden und ſtemmte den Speer ein, um nicht hinabzuſtürzen und den herankletternden Spuckgeſtalten in die Hände zu fallen. Der nächtliche Rutſch den Hohentwiel hinab war ein Kinderſpiel gegen dieſes Klimmen; über ſchwindelnden Abgrund, der Gefahr un- wiſſend, kam er zur Tiefe. Die Ziegen ſtürzen dort in zerſchmetter- tem Fall zu Thale, wenn ſie die Augen von Gras und Berghang weg zur halsbrechenden Schlucht wenden.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/350>, abgerufen am 25.11.2024.