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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Alm und Weide und saß ein übermüthiger Mann drauf, der war ein
Riese und ihm wuchsen die Heerden und der Stolz, daß er sprach:
ich will König sein über Alles, was mein Auge umfaßt! Aber in
des Säntis Tiefen hub sich ein Donnern und Beben und der Fels-
grund regte sich und Eisströme rannen hervor und deckten den Riesen
sammt Hütte und Stall und Vieh und Alm, und vom blauen Schnee
weht's jetzt noch frierend herunter, -- ein Denkzeichen, daß neben dem
Alten der Berge Keiner zur Herrschaft berufen!

Der Hirt schuf Ekkehard Vertrauen. Trotzige Kraft und gutes
Herz strömte in seinen Worten. Sein Kind hatte einen Strauß
Alpenrosen gepflückt und reichte sie Ekkehard dar.

Wie heißt du, fragte er.

Benedicta, sprach sie.

Das ist ein guter Name, sagte Ekkehard und steckte die Alpen-
rosen in den Gürtel seiner Kutte; ich bleibe bei euch!

Da schüttelte ihm der alte Senne die Rechte, daß sie in ihren
Grundfesten erbebte, dann griff er das Alphorn, das er an rohhäu-
tigem Riemen auf der Schulter trug, und blies ein seltsam klingendes
Zeichen. Aus Höhen und Tiefen klang's antwortend herüber, die
benachbarten Sennen kamen herbei, starke, wilde Hirten, und standen
zu dem Alten, den sie in der Frühlingszeit, seiner Tüchtigkeit halber,
zum Alpmeister und Aufseher über die Bergweiden der Ebenalp
erwählt.

Wir haben einen Bergbruder überkommen, sprach er, es wird
Keiner von euch dawider schelten und tosen?261)

Und sie erhoben Alle die Hände als Zeichen der Zustimmung und
gingen auf Ekkehard zu und hießen ihn willkommen, und er ward ge-
rührt und machte das Zeichen des Kreuzes über sie.

So ward Ekkehard Einsiedel auf dem Wildkirchlein und wußte
eigentlich selber nicht wie. Der Senn von der Ebenalp hielt Wort
und half ihm, sich einzurichten und stellte ihm drei Ziegen ein und
wies ihm den Pfad zwischen Kluft und Spalt zum Seealpsee hinun-
ter, wo die großen Forellen schwimmen, und schindelte ihm die Lücken
zu, die tropfend Gewässer und Unbill des Wetters in das Dach von
Gottschalk's Blockhaus geschlagen. Mälig gewöhnte sich Ekkehard an
die Enge des Raumes vor seiner Behausung, und wie der nächste

Alm und Weide und ſaß ein übermüthiger Mann drauf, der war ein
Rieſe und ihm wuchſen die Heerden und der Stolz, daß er ſprach:
ich will König ſein über Alles, was mein Auge umfaßt! Aber in
des Säntis Tiefen hub ſich ein Donnern und Beben und der Fels-
grund regte ſich und Eisſtröme rannen hervor und deckten den Rieſen
ſammt Hütte und Stall und Vieh und Alm, und vom blauen Schnee
weht's jetzt noch frierend herunter, — ein Denkzeichen, daß neben dem
Alten der Berge Keiner zur Herrſchaft berufen!

Der Hirt ſchuf Ekkehard Vertrauen. Trotzige Kraft und gutes
Herz ſtrömte in ſeinen Worten. Sein Kind hatte einen Strauß
Alpenroſen gepflückt und reichte ſie Ekkehard dar.

Wie heißt du, fragte er.

Benedicta, ſprach ſie.

Das iſt ein guter Name, ſagte Ekkehard und ſteckte die Alpen-
roſen in den Gürtel ſeiner Kutte; ich bleibe bei euch!

Da ſchüttelte ihm der alte Senne die Rechte, daß ſie in ihren
Grundfeſten erbebte, dann griff er das Alphorn, das er an rohhäu-
tigem Riemen auf der Schulter trug, und blies ein ſeltſam klingendes
Zeichen. Aus Höhen und Tiefen klang's antwortend herüber, die
benachbarten Sennen kamen herbei, ſtarke, wilde Hirten, und ſtanden
zu dem Alten, den ſie in der Frühlingszeit, ſeiner Tüchtigkeit halber,
zum Alpmeiſter und Aufſeher über die Bergweiden der Ebenalp
erwählt.

Wir haben einen Bergbruder überkommen, ſprach er, es wird
Keiner von euch dawider ſchelten und toſen?261)

Und ſie erhoben Alle die Hände als Zeichen der Zuſtimmung und
gingen auf Ekkehard zu und hießen ihn willkommen, und er ward ge-
rührt und machte das Zeichen des Kreuzes über ſie.

So ward Ekkehard Einſiedel auf dem Wildkirchlein und wußte
eigentlich ſelber nicht wie. Der Senn von der Ebenalp hielt Wort
und half ihm, ſich einzurichten und ſtellte ihm drei Ziegen ein und
wies ihm den Pfad zwiſchen Kluft und Spalt zum Seealpſee hinun-
ter, wo die großen Forellen ſchwimmen, und ſchindelte ihm die Lücken
zu, die tropfend Gewäſſer und Unbill des Wetters in das Dach von
Gottſchalk's Blockhaus geſchlagen. Mälig gewöhnte ſich Ekkehard an
die Enge des Raumes vor ſeiner Behauſung, und wie der nächſte

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[325/0347] Alm und Weide und ſaß ein übermüthiger Mann drauf, der war ein Rieſe und ihm wuchſen die Heerden und der Stolz, daß er ſprach: ich will König ſein über Alles, was mein Auge umfaßt! Aber in des Säntis Tiefen hub ſich ein Donnern und Beben und der Fels- grund regte ſich und Eisſtröme rannen hervor und deckten den Rieſen ſammt Hütte und Stall und Vieh und Alm, und vom blauen Schnee weht's jetzt noch frierend herunter, — ein Denkzeichen, daß neben dem Alten der Berge Keiner zur Herrſchaft berufen! Der Hirt ſchuf Ekkehard Vertrauen. Trotzige Kraft und gutes Herz ſtrömte in ſeinen Worten. Sein Kind hatte einen Strauß Alpenroſen gepflückt und reichte ſie Ekkehard dar. Wie heißt du, fragte er. Benedicta, ſprach ſie. Das iſt ein guter Name, ſagte Ekkehard und ſteckte die Alpen- roſen in den Gürtel ſeiner Kutte; ich bleibe bei euch! Da ſchüttelte ihm der alte Senne die Rechte, daß ſie in ihren Grundfeſten erbebte, dann griff er das Alphorn, das er an rohhäu- tigem Riemen auf der Schulter trug, und blies ein ſeltſam klingendes Zeichen. Aus Höhen und Tiefen klang's antwortend herüber, die benachbarten Sennen kamen herbei, ſtarke, wilde Hirten, und ſtanden zu dem Alten, den ſie in der Frühlingszeit, ſeiner Tüchtigkeit halber, zum Alpmeiſter und Aufſeher über die Bergweiden der Ebenalp erwählt. Wir haben einen Bergbruder überkommen, ſprach er, es wird Keiner von euch dawider ſchelten und toſen? ²⁶¹⁾ Und ſie erhoben Alle die Hände als Zeichen der Zuſtimmung und gingen auf Ekkehard zu und hießen ihn willkommen, und er ward ge- rührt und machte das Zeichen des Kreuzes über ſie. So ward Ekkehard Einſiedel auf dem Wildkirchlein und wußte eigentlich ſelber nicht wie. Der Senn von der Ebenalp hielt Wort und half ihm, ſich einzurichten und ſtellte ihm drei Ziegen ein und wies ihm den Pfad zwiſchen Kluft und Spalt zum Seealpſee hinun- ter, wo die großen Forellen ſchwimmen, und ſchindelte ihm die Lücken zu, die tropfend Gewäſſer und Unbill des Wetters in das Dach von Gottſchalk's Blockhaus geſchlagen. Mälig gewöhnte ſich Ekkehard an die Enge des Raumes vor ſeiner Behauſung, und wie der nächſte

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/347>, abgerufen am 25.11.2024.