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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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guten Bissen und der heiligen Agnese vor den Mauern die Rede war.
Dann verstummte er. Sein Schnarchen tönte vernehmlich durch die
Steinwände zum Gefangenen herüber.

Die Burg lag still. Es ging auf Mitternacht. Ekkehard ruhte
in leisem Halbschlummer, da war's ihm als würde der Riegel sachte
zurückgeschoben: er blieb auf seinem Lager. Eine Gestalt trat ein,
eine weiche Hand fuhr über des Schlummernden Stirn. Er sprang auf.

Still! flüsterte die Eingetretene.

Wie Alles zu schlafen ging hatte Praxedis gewacht. Der schlechte
Kellermeister soll die Freude nicht haben, unsern schwermüthigen Leh-
rer zu züchtigen, das war ihr Denken. Frauenlist findet Mittel und
Wege zu dem, was sie ausgesonnen. Den grauen Mantel umgeschla-
gen, schlich sie herunter, es brauchte keiner besonderen Täuschungen.
Der Klosterbruder schlief als wie ein Gerechter. Hätte er nicht ge-
schlafen, so hätte ihn die Griechin durch einen Spuck scheu gemacht,
so war ihr Plan.

Ihr müßt fliehen! sprach sie zu Ekkehard. Sie drohen Euch das
Schlimmste.

Ich weiß es! sagte der Ueberraschte wehmüthig.

Auf denn!

Er schüttelte das Haupt: Ich will dulden, sprach er.

Seid kein Narr! flüsterte Praxedis. Erst habt Ihr Euer Haus
auf den schimmernden Regenbogen gezimmert, und nun es zusammen-
gefallen, wollt Ihr Euch auch noch mißhandeln lassen? Als wenn
die ein Recht hätten Euch zu geißeln und fortzuschleppen! und wollt
ihnen die Freude machen Eure Erniedrigung zu sehen .. 's wär'
freilich ein schönes Schauspiel, man würde es Euch gönnen! Einen
braven Mann sieht man nicht alle Tage hinrichten, hat einmal in
Constantinopel Einer zu mir gesagt, wie ich fragte, warum er so
springe.

Wohin soll ich mich wenden? fragte Ekkehard.

Nach der Reichenau nicht, und nach Euerem Kloster auch nicht,
sagte Praxedis. Es gibt noch manchen Unterschlupf auf der Welt.
Sie war ungeduldig worden, ergriff Ekkehard's Hand und zog ihn
mit sich. Vorwärts! raunte sie ihm zu. Er ließ sich von ihr führen.
Sie schlichen am schlafenden Wächter vorüber. Jetzt standen sie im

guten Biſſen und der heiligen Agneſe vor den Mauern die Rede war.
Dann verſtummte er. Sein Schnarchen tönte vernehmlich durch die
Steinwände zum Gefangenen herüber.

Die Burg lag ſtill. Es ging auf Mitternacht. Ekkehard ruhte
in leiſem Halbſchlummer, da war's ihm als würde der Riegel ſachte
zurückgeſchoben: er blieb auf ſeinem Lager. Eine Geſtalt trat ein,
eine weiche Hand fuhr über des Schlummernden Stirn. Er ſprang auf.

Still! flüſterte die Eingetretene.

Wie Alles zu ſchlafen ging hatte Praxedis gewacht. Der ſchlechte
Kellermeiſter ſoll die Freude nicht haben, unſern ſchwermüthigen Leh-
rer zu züchtigen, das war ihr Denken. Frauenliſt findet Mittel und
Wege zu dem, was ſie ausgeſonnen. Den grauen Mantel umgeſchla-
gen, ſchlich ſie herunter, es brauchte keiner beſonderen Täuſchungen.
Der Kloſterbruder ſchlief als wie ein Gerechter. Hätte er nicht ge-
ſchlafen, ſo hätte ihn die Griechin durch einen Spuck ſcheu gemacht,
ſo war ihr Plan.

Ihr müßt fliehen! ſprach ſie zu Ekkehard. Sie drohen Euch das
Schlimmſte.

Ich weiß es! ſagte der Ueberraſchte wehmüthig.

Auf denn!

Er ſchüttelte das Haupt: Ich will dulden, ſprach er.

Seid kein Narr! flüſterte Praxedis. Erſt habt Ihr Euer Haus
auf den ſchimmernden Regenbogen gezimmert, und nun es zuſammen-
gefallen, wollt Ihr Euch auch noch mißhandeln laſſen? Als wenn
die ein Recht hätten Euch zu geißeln und fortzuſchleppen! und wollt
ihnen die Freude machen Eure Erniedrigung zu ſehen .. 's wär'
freilich ein ſchönes Schauſpiel, man würde es Euch gönnen! Einen
braven Mann ſieht man nicht alle Tage hinrichten, hat einmal in
Conſtantinopel Einer zu mir geſagt, wie ich fragte, warum er ſo
ſpringe.

Wohin ſoll ich mich wenden? fragte Ekkehard.

Nach der Reichenau nicht, und nach Euerem Kloſter auch nicht,
ſagte Praxedis. Es gibt noch manchen Unterſchlupf auf der Welt.
Sie war ungeduldig worden, ergriff Ekkehard's Hand und zog ihn
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[315/0337] guten Biſſen und der heiligen Agneſe vor den Mauern die Rede war. Dann verſtummte er. Sein Schnarchen tönte vernehmlich durch die Steinwände zum Gefangenen herüber. Die Burg lag ſtill. Es ging auf Mitternacht. Ekkehard ruhte in leiſem Halbſchlummer, da war's ihm als würde der Riegel ſachte zurückgeſchoben: er blieb auf ſeinem Lager. Eine Geſtalt trat ein, eine weiche Hand fuhr über des Schlummernden Stirn. Er ſprang auf. Still! flüſterte die Eingetretene. Wie Alles zu ſchlafen ging hatte Praxedis gewacht. Der ſchlechte Kellermeiſter ſoll die Freude nicht haben, unſern ſchwermüthigen Leh- rer zu züchtigen, das war ihr Denken. Frauenliſt findet Mittel und Wege zu dem, was ſie ausgeſonnen. Den grauen Mantel umgeſchla- gen, ſchlich ſie herunter, es brauchte keiner beſonderen Täuſchungen. Der Kloſterbruder ſchlief als wie ein Gerechter. Hätte er nicht ge- ſchlafen, ſo hätte ihn die Griechin durch einen Spuck ſcheu gemacht, ſo war ihr Plan. Ihr müßt fliehen! ſprach ſie zu Ekkehard. Sie drohen Euch das Schlimmſte. Ich weiß es! ſagte der Ueberraſchte wehmüthig. Auf denn! Er ſchüttelte das Haupt: Ich will dulden, ſprach er. Seid kein Narr! flüſterte Praxedis. Erſt habt Ihr Euer Haus auf den ſchimmernden Regenbogen gezimmert, und nun es zuſammen- gefallen, wollt Ihr Euch auch noch mißhandeln laſſen? Als wenn die ein Recht hätten Euch zu geißeln und fortzuſchleppen! und wollt ihnen die Freude machen Eure Erniedrigung zu ſehen .. 's wär' freilich ein ſchönes Schauſpiel, man würde es Euch gönnen! Einen braven Mann ſieht man nicht alle Tage hinrichten, hat einmal in Conſtantinopel Einer zu mir geſagt, wie ich fragte, warum er ſo ſpringe. Wohin ſoll ich mich wenden? fragte Ekkehard. Nach der Reichenau nicht, und nach Euerem Kloſter auch nicht, ſagte Praxedis. Es gibt noch manchen Unterſchlupf auf der Welt. Sie war ungeduldig worden, ergriff Ekkehard's Hand und zog ihn mit ſich. Vorwärts! raunte ſie ihm zu. Er ließ ſich von ihr führen. Sie ſchlichen am ſchlafenden Wächter vorüber. Jetzt ſtanden ſie im

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/337>, abgerufen am 24.11.2024.