schallte des Kukuks Stimme durch die Stille. Herr Spazzo lachte. War's fröhliche Erinnerung oder sehnende Hoffnung der Zukunft, die sein Lächeln so süß machte? Er hielt sein Roß an.
Wann soll die Hochzeit sein? rief er zum Baum hinüber, drauf der Rufer saß.222) Er zählte die Rufe, aber der Kukuk war heute unermüdlich. Schon hatte Herr Spazzo zwölf gezählt, da begann seine Geduld auf die Neige zu gehen.
Schweig, schlechter Gauch! rief er.
Da tönte des Kukuks Ruf zum dreizehnten Male.
Der Jahre fünfundvierzig haben wir schon, und dreizehn macht achtundfünfzig, sprach Herr Spazzo zornig. Das gäb' späten Brautstand.
Der Kukuk rief zum vierzehnten. Ein anderer war vom Rufen wach geworden und ließ itzt auch seine Stimme erklingen, ein dritter stimmte ein, das hallte und schallte neckisch um den trunkenen Käm- merer herum und war nicht mehr zu zählen.
Da ging ihm die Geduld gänzlich aus.
Lügner seid ihr, und Ehebrecher, und Bäckerknechte alle zusammen! schalt er die Vögel, scheert euch zum Teufel.
Er spornte sein Roß zum Trab. Der Wald schloß sich dichter. Jetzt zogen die Wolken herauf, schwer und dunkel, sie zogen gegen den Mond. Es ward stockfinster; geisterhaft ragten die Tannen, Alles lag schwarz und still. Gerne hätte Herr Spazzo itzt noch den Kukuk gehört, der nächtliche Ruhestörer war fortgeflogen -- da ward's dem Heimreitenden unheimlich; eine ungestalte Wolke kam gegen den Mond geschlichen und hüllte ihn ganz ein, da fiel Herrn Spazzo ein, was ihm die Amme in erster Jugend erzählt, wie der böse Wolf Hati und Managarm der Mondhund dem leuchtenden Gestirn nachjagen, er sah wieder auf, da sah er den Wolf und den Mondhund deutlich am Himmel; itzt hielten sie den armen Tröster der Nacht im Rachen .. Herr Spazzo schauderte. Er zog sein Schwert. Vince luna! Siege, o Mond! schrie er mit heller Stimme und rasselte mit Schwert und Beinschienen, vince luna, vince luna!223)
Sein Geschrei war laut und sein ehern Gerassel scharf, aber die Wolkenungethüme ließen den Mond nicht, nur des Kämmerers Roß ward scheu und sprengte sausend mit ihm durch die Waldesnacht.
ſchallte des Kukuks Stimme durch die Stille. Herr Spazzo lachte. War's fröhliche Erinnerung oder ſehnende Hoffnung der Zukunft, die ſein Lächeln ſo ſüß machte? Er hielt ſein Roß an.
Wann ſoll die Hochzeit ſein? rief er zum Baum hinüber, drauf der Rufer ſaß.222) Er zählte die Rufe, aber der Kukuk war heute unermüdlich. Schon hatte Herr Spazzo zwölf gezählt, da begann ſeine Geduld auf die Neige zu gehen.
Schweig, ſchlechter Gauch! rief er.
Da tönte des Kukuks Ruf zum dreizehnten Male.
Der Jahre fünfundvierzig haben wir ſchon, und dreizehn macht achtundfünfzig, ſprach Herr Spazzo zornig. Das gäb' ſpäten Brautſtand.
Der Kukuk rief zum vierzehnten. Ein anderer war vom Rufen wach geworden und ließ itzt auch ſeine Stimme erklingen, ein dritter ſtimmte ein, das hallte und ſchallte neckiſch um den trunkenen Käm- merer herum und war nicht mehr zu zählen.
Da ging ihm die Geduld gänzlich aus.
Lügner ſeid ihr, und Ehebrecher, und Bäckerknechte alle zuſammen! ſchalt er die Vögel, ſcheert euch zum Teufel.
Er ſpornte ſein Roß zum Trab. Der Wald ſchloß ſich dichter. Jetzt zogen die Wolken herauf, ſchwer und dunkel, ſie zogen gegen den Mond. Es ward ſtockfinſter; geiſterhaft ragten die Tannen, Alles lag ſchwarz und ſtill. Gerne hätte Herr Spazzo itzt noch den Kukuk gehört, der nächtliche Ruheſtörer war fortgeflogen — da ward's dem Heimreitenden unheimlich; eine ungeſtalte Wolke kam gegen den Mond geſchlichen und hüllte ihn ganz ein, da fiel Herrn Spazzo ein, was ihm die Amme in erſter Jugend erzählt, wie der böſe Wolf Hati und Managarm der Mondhund dem leuchtenden Geſtirn nachjagen, er ſah wieder auf, da ſah er den Wolf und den Mondhund deutlich am Himmel; itzt hielten ſie den armen Tröſter der Nacht im Rachen .. Herr Spazzo ſchauderte. Er zog ſein Schwert. Vince luna! Siege, o Mond! ſchrie er mit heller Stimme und raſſelte mit Schwert und Beinſchienen, vince luna, vince luna!223)
Sein Geſchrei war laut und ſein ehern Geraſſel ſcharf, aber die Wolkenungethüme ließen den Mond nicht, nur des Kämmerers Roß ward ſcheu und ſprengte ſauſend mit ihm durch die Waldesnacht.
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ſchallte des Kukuks Stimme durch die Stille. Herr Spazzo lachte.
War's fröhliche Erinnerung oder ſehnende Hoffnung der Zukunft, die
ſein Lächeln ſo ſüß machte? Er hielt ſein Roß an.
Wann ſoll die Hochzeit ſein? rief er zum Baum hinüber, drauf
der Rufer ſaß.
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Er zählte die Rufe, aber der Kukuk war heute
unermüdlich. Schon hatte Herr Spazzo zwölf gezählt, da begann
ſeine Geduld auf die Neige zu gehen.
Schweig, ſchlechter Gauch! rief er.
Da tönte des Kukuks Ruf zum dreizehnten Male.
Der Jahre fünfundvierzig haben wir ſchon, und dreizehn macht
achtundfünfzig, ſprach Herr Spazzo zornig. Das gäb' ſpäten Brautſtand.
Der Kukuk rief zum vierzehnten. Ein anderer war vom Rufen
wach geworden und ließ itzt auch ſeine Stimme erklingen, ein dritter
ſtimmte ein, das hallte und ſchallte neckiſch um den trunkenen Käm-
merer herum und war nicht mehr zu zählen.
Da ging ihm die Geduld gänzlich aus.
Lügner ſeid ihr, und Ehebrecher, und Bäckerknechte alle zuſammen!
ſchalt er die Vögel, ſcheert euch zum Teufel.
Er ſpornte ſein Roß zum Trab. Der Wald ſchloß ſich dichter.
Jetzt zogen die Wolken herauf, ſchwer und dunkel, ſie zogen gegen
den Mond. Es ward ſtockfinſter; geiſterhaft ragten die Tannen, Alles
lag ſchwarz und ſtill. Gerne hätte Herr Spazzo itzt noch den Kukuk
gehört, der nächtliche Ruheſtörer war fortgeflogen — da ward's dem
Heimreitenden unheimlich; eine ungeſtalte Wolke kam gegen den Mond
geſchlichen und hüllte ihn ganz ein, da fiel Herrn Spazzo ein, was
ihm die Amme in erſter Jugend erzählt, wie der böſe Wolf Hati und
Managarm der Mondhund dem leuchtenden Geſtirn nachjagen, er ſah
wieder auf, da ſah er den Wolf und den Mondhund deutlich am
Himmel; itzt hielten ſie den armen Tröſter der Nacht im Rachen ..
Herr Spazzo ſchauderte. Er zog ſein Schwert. Vince luna! Siege,
o Mond! ſchrie er mit heller Stimme und raſſelte mit Schwert und
Beinſchienen, vince luna, vince luna!
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Sein Geſchrei war laut und ſein ehern Geraſſel ſcharf, aber die
Wolkenungethüme ließen den Mond nicht, nur des Kämmerers Roß
ward ſcheu und ſprengte ſauſend mit ihm durch die Waldesnacht.
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/287>, abgerufen am 21.11.2024.
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