Der Klostermaier that kund, wie er ihn auf handhafter That des Wettermachens betroffen, und fragte herum, da sprachen sie ihn schul- dig gesteinigt zu werden.
In die unheimliche Versammlung sprang Ekkehard. Die Män- ner geistlichen Standes waren dazumal minder verblendet, als etliche hundert Jahre später, wo Tausende unter gleich begründeter Anschuldi- gung auf dem Scheiterhaufen verenden mußten und der Staat sein "von Rechtswegen" drunter setzte und die Kirche ihren Segen dazu gab. Und Ekkehard, so sehr er sonst an zauberische Kunst glaubte, hatte selber einstmals im Kloster des frommen Bischof Agobard Schrift ge- gen unsinnige Volksmeinung von Hagel und Wetter abgeschrieben; zürnender Unwille schuf ihm Beredsamkeit.
Was thut ihr Unsinnige, die ihr richten wollet wo euch zu beten geziemt, daß ihr nicht selber möget gerichtet werden! Hat der Mann gefrevelt, so wartet bis zum Neumond, wenn der Leutpriester von Radolfszell das Sendgericht217) hält, dort mögen ihn die sieben Eid- männer verbotener Kunst zeihen, wie es des Kaisers und der Kirche Vorschrift!
Aber die Männer vom Schlangenhof trauten ihm nicht. Ein drohend Murren erhob sich.
Da gedachte Ekkehard in den wilden Gemüthern eine andere Saite anzuklingen.
Und glaubt ihr wirklich, ihr, die Söhne des Landes der Heiligen, der Gott wohlgefälligen schwäbischen Erde, daß ein so arm hergelau- fener Hunnenmensch Macht haben könnte, unsere Wolken zu be- schwören? Glaubt ihr, daß die Wolken ihm gehorchen? daß nicht vielmehr ein guter Hegauer Blitz ihm das Haupt zerschmettert hätte zur Strafe des Frevels, daß ein fremder Mann ihn angerufen?
Wenig fehlte, so hätte dieser Grund den heimathstolzen Gemüthern eingeleuchtet. Aber der Klostermaier rief: Der Donnerkäfer! der Donnerkäfer! wir haben ihn mit eigenen Augen zu seinen Füßen kriechen sehen! Da erscholl es von Neuem: Steiniget ihn! Ein Feld- stein flog herüber und schlug den Armen blutrünstig. Da warf sich Ekkehard unverzagt über seinen Täufling und schirmte ihn mit seinem eigenen Leib. Das wirkte.
Der Kloſtermaier that kund, wie er ihn auf handhafter That des Wettermachens betroffen, und fragte herum, da ſprachen ſie ihn ſchul- dig geſteinigt zu werden.
In die unheimliche Verſammlung ſprang Ekkehard. Die Män- ner geiſtlichen Standes waren dazumal minder verblendet, als etliche hundert Jahre ſpäter, wo Tauſende unter gleich begründeter Anſchuldi- gung auf dem Scheiterhaufen verenden mußten und der Staat ſein „von Rechtswegen“ drunter ſetzte und die Kirche ihren Segen dazu gab. Und Ekkehard, ſo ſehr er ſonſt an zauberiſche Kunſt glaubte, hatte ſelber einſtmals im Kloſter des frommen Biſchof Agobard Schrift ge- gen unſinnige Volksmeinung von Hagel und Wetter abgeſchrieben; zürnender Unwille ſchuf ihm Beredſamkeit.
Was thut ihr Unſinnige, die ihr richten wollet wo euch zu beten geziemt, daß ihr nicht ſelber möget gerichtet werden! Hat der Mann gefrevelt, ſo wartet bis zum Neumond, wenn der Leutprieſter von Radolfszell das Sendgericht217) hält, dort mögen ihn die ſieben Eid- männer verbotener Kunſt zeihen, wie es des Kaiſers und der Kirche Vorſchrift!
Aber die Männer vom Schlangenhof trauten ihm nicht. Ein drohend Murren erhob ſich.
Da gedachte Ekkehard in den wilden Gemüthern eine andere Saite anzuklingen.
Und glaubt ihr wirklich, ihr, die Söhne des Landes der Heiligen, der Gott wohlgefälligen ſchwäbiſchen Erde, daß ein ſo arm hergelau- fener Hunnenmenſch Macht haben könnte, unſere Wolken zu be- ſchwören? Glaubt ihr, daß die Wolken ihm gehorchen? daß nicht vielmehr ein guter Hegauer Blitz ihm das Haupt zerſchmettert hätte zur Strafe des Frevels, daß ein fremder Mann ihn angerufen?
Wenig fehlte, ſo hätte dieſer Grund den heimathſtolzen Gemüthern eingeleuchtet. Aber der Kloſtermaier rief: Der Donnerkäfer! der Donnerkäfer! wir haben ihn mit eigenen Augen zu ſeinen Füßen kriechen ſehen! Da erſcholl es von Neuem: Steiniget ihn! Ein Feld- ſtein flog herüber und ſchlug den Armen blutrünſtig. Da warf ſich Ekkehard unverzagt über ſeinen Täufling und ſchirmte ihn mit ſeinem eigenen Leib. Das wirkte.
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Der Kloſtermaier that kund, wie er ihn auf handhafter That des
Wettermachens betroffen, und fragte herum, da ſprachen ſie ihn ſchul-
dig geſteinigt zu werden.
In die unheimliche Verſammlung ſprang Ekkehard. Die Män-
ner geiſtlichen Standes waren dazumal minder verblendet, als etliche
hundert Jahre ſpäter, wo Tauſende unter gleich begründeter Anſchuldi-
gung auf dem Scheiterhaufen verenden mußten und der Staat ſein
„von Rechtswegen“ drunter ſetzte und die Kirche ihren Segen dazu gab.
Und Ekkehard, ſo ſehr er ſonſt an zauberiſche Kunſt glaubte, hatte
ſelber einſtmals im Kloſter des frommen Biſchof Agobard Schrift ge-
gen unſinnige Volksmeinung von Hagel und Wetter abgeſchrieben;
zürnender Unwille ſchuf ihm Beredſamkeit.
Was thut ihr Unſinnige, die ihr richten wollet wo euch zu beten
geziemt, daß ihr nicht ſelber möget gerichtet werden! Hat der Mann
gefrevelt, ſo wartet bis zum Neumond, wenn der Leutprieſter von
Radolfszell das Sendgericht
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hält, dort mögen ihn die ſieben Eid-
männer verbotener Kunſt zeihen, wie es des Kaiſers und der Kirche
Vorſchrift!
Aber die Männer vom Schlangenhof trauten ihm nicht. Ein
drohend Murren erhob ſich.
Da gedachte Ekkehard in den wilden Gemüthern eine andere Saite
anzuklingen.
Und glaubt ihr wirklich, ihr, die Söhne des Landes der Heiligen,
der Gott wohlgefälligen ſchwäbiſchen Erde, daß ein ſo arm hergelau-
fener Hunnenmenſch Macht haben könnte, unſere Wolken zu be-
ſchwören? Glaubt ihr, daß die Wolken ihm gehorchen? daß nicht
vielmehr ein guter Hegauer Blitz ihm das Haupt zerſchmettert hätte
zur Strafe des Frevels, daß ein fremder Mann ihn angerufen?
Wenig fehlte, ſo hätte dieſer Grund den heimathſtolzen Gemüthern
eingeleuchtet. Aber der Kloſtermaier rief: Der Donnerkäfer! der
Donnerkäfer! wir haben ihn mit eigenen Augen zu ſeinen Füßen
kriechen ſehen! Da erſcholl es von Neuem: Steiniget ihn! Ein Feld-
ſtein flog herüber und ſchlug den Armen blutrünſtig. Da warf ſich
Ekkehard unverzagt über ſeinen Täufling und ſchirmte ihn mit ſeinem
eigenen Leib. Das wirkte.
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/276>, abgerufen am 28.11.2024.
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