Moengal machte eine schlimme Geberde. Einen Stechpalmstock von der Hecke schneiden, rief er, oder eine brave Hasel, und rheinab- wärts ziehen, bis zwischen dem schwäbischen Holz und des welschen Schreibers Rücken nur noch eine Armslänge Entfernung ist! Dann aber ... er schloß seine Rede sinnbildlich.
Ihr seid grob, Leutpriester, sprach der Abt, und habet keinen Sinn für Gelehrsamkeit. So Etwas kann freilich nur ein eleganter Geist schreiben. Respect!
Hoiho! fing Moengal der Alte an, er war fuchswild geworden, Gelehrsamkeit? Aufgeblasene Lippen und dabei ein boshaftig Herz sind als wie ein irden Gefäß mit Silberschaum überzogen, spricht Salomo. Gelehrsamkeit? So gelehrt ist mein Pfarrwald auch, mit seinen Hagebuchen, der schreit auch hinaus, wie man in ihn hinein- geschrieen, und ist wenigstens ein lieblich Echo. Wir kennen die bel- gischen Pfauen! kommen anderwärts auch vor. Die Federn sind gestohlen, und was sie selber krähen, trotz Rad und Schweif und Regenbogen am Steiß, ist heiser und bleibt heiser, da hilft kein Hals- kragenblähen. Vor meiner großen Gesundkur hab' ich auch geglaubt, es sei gesungen statt gekrächzt, wenn Einer mit Grammatik und Dialectik die Backen aufblies, -- aber jetzt: Gut Nacht Marcianus Capella! heißt's bei uns in Radolf's Zelle!
Ihr werdet wohl bald an Euren Heimweg denken müssen, sprach der Abt, es zieht schon ganz schwarz über Konstanz hin.
Da merkte der Leutpriester, daß er mit seinen Ansichten von Ge- sundsein und von der Wissenschaft nicht an rechten Mann gerathen war. Er empfahl sich.
Hätt'st auch in deinem Kloster Benchor auf der grünen Insel bleiben können, irischer Hartknochen! dachte der Abt Wazmann und entließ ihn sehr kühl.
Rudimann! rief er dann in den dunkeln Gang hinaus. Der Ge- rufene erschien.
Ihr gedenket noch der Weinlese, redete ihn der Abt an, und des Streiches, den Euch ein gewisses Milchgesicht geschlagen, dem eine phantasiereiche Herzogin itzt gewisse Grundstücke zuwenden will ...
Ich gedenke des Streichs, sprach Rudimann verschämt schmunzelnd wie eine Jungfrau, die nach dem Geliebten gefragt wird.
Moengal machte eine ſchlimme Geberde. Einen Stechpalmſtock von der Hecke ſchneiden, rief er, oder eine brave Haſel, und rheinab- wärts ziehen, bis zwiſchen dem ſchwäbiſchen Holz und des welſchen Schreibers Rücken nur noch eine Armslänge Entfernung iſt! Dann aber ... er ſchloß ſeine Rede ſinnbildlich.
Ihr ſeid grob, Leutprieſter, ſprach der Abt, und habet keinen Sinn für Gelehrſamkeit. So Etwas kann freilich nur ein eleganter Geiſt ſchreiben. Reſpect!
Hoiho! fing Moengal der Alte an, er war fuchswild geworden, Gelehrſamkeit? Aufgeblaſene Lippen und dabei ein boshaftig Herz ſind als wie ein irden Gefäß mit Silberſchaum überzogen, ſpricht Salomo. Gelehrſamkeit? So gelehrt iſt mein Pfarrwald auch, mit ſeinen Hagebuchen, der ſchreit auch hinaus, wie man in ihn hinein- geſchrieen, und iſt wenigſtens ein lieblich Echo. Wir kennen die bel- giſchen Pfauen! kommen anderwärts auch vor. Die Federn ſind geſtohlen, und was ſie ſelber krähen, trotz Rad und Schweif und Regenbogen am Steiß, iſt heiſer und bleibt heiſer, da hilft kein Hals- kragenblähen. Vor meiner großen Geſundkur hab' ich auch geglaubt, es ſei geſungen ſtatt gekrächzt, wenn Einer mit Grammatik und Dialectik die Backen aufblies, — aber jetzt: Gut Nacht Marcianus Capella! heißt's bei uns in Radolf's Zelle!
Ihr werdet wohl bald an Euren Heimweg denken müſſen, ſprach der Abt, es zieht ſchon ganz ſchwarz über Konſtanz hin.
Da merkte der Leutprieſter, daß er mit ſeinen Anſichten von Ge- ſundſein und von der Wiſſenſchaft nicht an rechten Mann gerathen war. Er empfahl ſich.
Hätt'ſt auch in deinem Kloſter Benchor auf der grünen Inſel bleiben können, iriſcher Hartknochen! dachte der Abt Wazmann und entließ ihn ſehr kühl.
Rudimann! rief er dann in den dunkeln Gang hinaus. Der Ge- rufene erſchien.
Ihr gedenket noch der Weinleſe, redete ihn der Abt an, und des Streiches, den Euch ein gewiſſes Milchgeſicht geſchlagen, dem eine phantaſiereiche Herzogin itzt gewiſſe Grundſtücke zuwenden will ...
Ich gedenke des Streichs, ſprach Rudimann verſchämt ſchmunzelnd wie eine Jungfrau, die nach dem Geliebten gefragt wird.
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Moengal machte eine ſchlimme Geberde. Einen Stechpalmſtock
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wärts ziehen, bis zwiſchen dem ſchwäbiſchen Holz und des welſchen
Schreibers Rücken nur noch eine Armslänge Entfernung iſt! Dann
aber ... er ſchloß ſeine Rede ſinnbildlich.
Ihr ſeid grob, Leutprieſter, ſprach der Abt, und habet keinen
Sinn für Gelehrſamkeit. So Etwas kann freilich nur ein eleganter
Geiſt ſchreiben. Reſpect!
Hoiho! fing Moengal der Alte an, er war fuchswild geworden,
Gelehrſamkeit? Aufgeblaſene Lippen und dabei ein boshaftig Herz
ſind als wie ein irden Gefäß mit Silberſchaum überzogen, ſpricht
Salomo. Gelehrſamkeit? So gelehrt iſt mein Pfarrwald auch, mit
ſeinen Hagebuchen, der ſchreit auch hinaus, wie man in ihn hinein-
geſchrieen, und iſt wenigſtens ein lieblich Echo. Wir kennen die bel-
giſchen Pfauen! kommen anderwärts auch vor. Die Federn ſind
geſtohlen, und was ſie ſelber krähen, trotz Rad und Schweif und
Regenbogen am Steiß, iſt heiſer und bleibt heiſer, da hilft kein Hals-
kragenblähen. Vor meiner großen Geſundkur hab' ich auch geglaubt,
es ſei geſungen ſtatt gekrächzt, wenn Einer mit Grammatik und
Dialectik die Backen aufblies, — aber jetzt: Gut Nacht Marcianus
Capella! heißt's bei uns in Radolf's Zelle!
Ihr werdet wohl bald an Euren Heimweg denken müſſen, ſprach
der Abt, es zieht ſchon ganz ſchwarz über Konſtanz hin.
Da merkte der Leutprieſter, daß er mit ſeinen Anſichten von Ge-
ſundſein und von der Wiſſenſchaft nicht an rechten Mann gerathen
war. Er empfahl ſich.
Hätt'ſt auch in deinem Kloſter Benchor auf der grünen Inſel
bleiben können, iriſcher Hartknochen! dachte der Abt Wazmann und
entließ ihn ſehr kühl.
Rudimann! rief er dann in den dunkeln Gang hinaus. Der Ge-
rufene erſchien.
Ihr gedenket noch der Weinleſe, redete ihn der Abt an, und des
Streiches, den Euch ein gewiſſes Milchgeſicht geſchlagen, dem eine
phantaſiereiche Herzogin itzt gewiſſe Grundſtücke zuwenden will ...
Ich gedenke des Streichs, ſprach Rudimann verſchämt ſchmunzelnd
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/266>, abgerufen am 22.12.2024.
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