sie ritten an einem Castell vorüber, das sah stattlich in die Ge- wässer herunter, dann bog ihr Pfad um einen Bergrücken, da kam der Rhein in breiter Strömung daher und stürzte mit Hall und Schall und sprühendem Geschäume über dunkles zernagtes Gefels;194) per- lender Wasserstaub stäubte herüber und Alles stand in feuchtem Duft ... das Roß hielt an, als wolle es den gewaltigen Anblick bedachtsam in sich aufnehmen; Audifax sprang herab, hob die müde Hadumoth herunter, stellte die Hängkörbe zur Erde und ließ das brave Thier grasen.
Und die Kinder standen vor dem Fall des Stromes, Hadumoth hielt ihres Gefährten Rechte in ihrer Linken, lang und lautlos schau- ten sie hinein. Und die Sonne warf ihre ersten Strahlen über die stürzende Fluth, die fing sie auf und fügte sie zu farbigem Regen- bogen zusammen und spielte mit dem schillernden Licht ...
Audifax aber ging jetzt zu den Körben, nahm eine Truhe herfür und schlug sie auf -- es war eitel Gold und Geschmeide drin -- der Schatz, der langersehnte, war gehoben und war sein eigen, nicht durch Zauberformel und nächtige Beschwörung, eigen durch kräftig Rühren der Hände und Dreinschlagen und Nutzung des günstigen Augenblicks. Er schaute in den güldenen Flimmer: es überraschte ihn nicht, er wußte ja seit Monden, daß ihm solches beschieden war ... Von jeglicher Art der güldenen Stücke las er eines aus, von Ge- fäßen eines, von Ringen einen, von Münzen und Armspangen eine, und trug sie vor an's Ufer.
Hadumoth, sprach er, hier muß Gott sein, sein Regenbogen schwebt über dem Wasser. Ich will ihm ein Dankopfer bringen!
Er trat vor auf einen Felsblock am Rande des Stromes und schleuderte mit starkem Arm das Gefäß in die brausende Rheinfluth, und den Ring und die Münze und die Spange -- dann kniete er auf die Erde und Hadumoth kniete zu ihm und sie beteten eine lange Zeit und dankten Gott ...
ſie ritten an einem Caſtell vorüber, das ſah ſtattlich in die Ge- wäſſer herunter, dann bog ihr Pfad um einen Bergrücken, da kam der Rhein in breiter Strömung daher und ſtürzte mit Hall und Schall und ſprühendem Geſchäume über dunkles zernagtes Gefels;194) per- lender Waſſerſtaub ſtäubte herüber und Alles ſtand in feuchtem Duft ... das Roß hielt an, als wolle es den gewaltigen Anblick bedachtſam in ſich aufnehmen; Audifax ſprang herab, hob die müde Hadumoth herunter, ſtellte die Hängkörbe zur Erde und ließ das brave Thier graſen.
Und die Kinder ſtanden vor dem Fall des Stromes, Hadumoth hielt ihres Gefährten Rechte in ihrer Linken, lang und lautlos ſchau- ten ſie hinein. Und die Sonne warf ihre erſten Strahlen über die ſtürzende Fluth, die fing ſie auf und fügte ſie zu farbigem Regen- bogen zuſammen und ſpielte mit dem ſchillernden Licht ...
Audifax aber ging jetzt zu den Körben, nahm eine Truhe herfür und ſchlug ſie auf — es war eitel Gold und Geſchmeide drin — der Schatz, der langerſehnte, war gehoben und war ſein eigen, nicht durch Zauberformel und nächtige Beſchwörung, eigen durch kräftig Rühren der Hände und Dreinſchlagen und Nutzung des günſtigen Augenblicks. Er ſchaute in den güldenen Flimmer: es überraſchte ihn nicht, er wußte ja ſeit Monden, daß ihm ſolches beſchieden war ... Von jeglicher Art der güldenen Stücke las er eines aus, von Ge- fäßen eines, von Ringen einen, von Münzen und Armſpangen eine, und trug ſie vor an's Ufer.
Hadumoth, ſprach er, hier muß Gott ſein, ſein Regenbogen ſchwebt über dem Waſſer. Ich will ihm ein Dankopfer bringen!
Er trat vor auf einen Felsblock am Rande des Stromes und ſchleuderte mit ſtarkem Arm das Gefäß in die brauſende Rheinfluth, und den Ring und die Münze und die Spange — dann kniete er auf die Erde und Hadumoth kniete zu ihm und ſie beteten eine lange Zeit und dankten Gott ...
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ſie ritten an einem Caſtell vorüber, das ſah ſtattlich in die Ge-
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der Rhein in breiter Strömung daher und ſtürzte mit Hall und Schall
und ſprühendem Geſchäume über dunkles zernagtes Gefels;
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lender Waſſerſtaub ſtäubte herüber und Alles ſtand in feuchtem
Duft ... das Roß hielt an, als wolle es den gewaltigen Anblick
bedachtſam in ſich aufnehmen; Audifax ſprang herab, hob die müde
Hadumoth herunter, ſtellte die Hängkörbe zur Erde und ließ das
brave Thier graſen.
Und die Kinder ſtanden vor dem Fall des Stromes, Hadumoth
hielt ihres Gefährten Rechte in ihrer Linken, lang und lautlos ſchau-
ten ſie hinein. Und die Sonne warf ihre erſten Strahlen über die
ſtürzende Fluth, die fing ſie auf und fügte ſie zu farbigem Regen-
bogen zuſammen und ſpielte mit dem ſchillernden Licht ...
Audifax aber ging jetzt zu den Körben, nahm eine Truhe herfür
und ſchlug ſie auf — es war eitel Gold und Geſchmeide drin —
der Schatz, der langerſehnte, war gehoben und war ſein eigen, nicht
durch Zauberformel und nächtige Beſchwörung, eigen durch kräftig
Rühren der Hände und Dreinſchlagen und Nutzung des günſtigen
Augenblicks. Er ſchaute in den güldenen Flimmer: es überraſchte
ihn nicht, er wußte ja ſeit Monden, daß ihm ſolches beſchieden war ...
Von jeglicher Art der güldenen Stücke las er eines aus, von Ge-
fäßen eines, von Ringen einen, von Münzen und Armſpangen eine,
und trug ſie vor an's Ufer.
Hadumoth, ſprach er, hier muß Gott ſein, ſein Regenbogen ſchwebt
über dem Waſſer. Ich will ihm ein Dankopfer bringen!
Er trat vor auf einen Felsblock am Rande des Stromes und
ſchleuderte mit ſtarkem Arm das Gefäß in die brauſende Rheinfluth,
und den Ring und die Münze und die Spange — dann kniete er
auf die Erde und Hadumoth kniete zu ihm und ſie beteten eine lange
Zeit und dankten Gott ...
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/234>, abgerufen am 05.12.2024.
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