geben, eher heut als morgen, 's könnt' sonst zu spät werden. Behüet dich Gott, du bist ein tapfer Kind.
Ich dank' dir, sprach Hadumoth und drückte seine schwielige Hand. Warum gehst du nicht mit?
Ich komm' später! sagte der Fischer mit bedeutsamem Ton und stieg in seinen Kahn.
Am Eingang zum Thal war der Hunnen Lager geschlagen, wenig Gezelte und etliche große Hütten aus Buschwerk und Stroh. In Blockhäusern von Tannstämmen die Pferde. Es lehnte sich im Rücken an einen Berg, nach vorn war ein Graben gezogen als Schutzwehr, und mit Verhack, Pfählen und dazwischen geworfenen Felsblöcken, nach Art des hunnischen Landhags190) gesperrt. Bis weit hinaus ritten die Vorposten auf und nieder: halb war es das Bedürfniß der Ruhe nach Ritt und Kampf, halb ein Anschlag auf's Kloster des heiligen Fridolin drüben, was sie dort festhielt. Ein Theil der Mannschaft baute Schiffe und Flöße am Rhein.
In seinem Zelt lag Hornebog, der Führer seit Ellak's Fall. Decken und Polster waren aufgethürmt, er freute sich keiner Ruhe. Erica die Heideblume saß bei ihm und spielte mit einem güldenen Kleinod, das sie an seidener Schnur um den Hals trug.
Ich weiß nicht, sagte Hornebog zu ihr, es ist sehr ungemüthlich worden. Die Kahlgeschorenen am See haben zu wüthend drein ge- schlagen. Wir müssen sachter thun.191) Hier trau' ich auch nicht; 's ist mir zu ruhig, und Ruhe geht vor dem Sturm. Mit dir ist's auch nichts mehr, seit sie den Ellak erschlagen. Solltest mich jetzt lieben wie ihn als er der Erste war -- und bist wie ein ausgebrannt Kohlenfeuer.
Erica schnellte das Kleinod an seiner Schnur weit von sich, daß es tönend an die Brust zurückprallte, und summte was Hunnisches vor sich hin.
Da trat ein wachehaltender Kriegsmann in's Zelt, Hadumoth die Hirtin mit ihm und Snewelin von Ellwangen als Dollmetsch. Das Kind war in's Lager gekommen, durch Vorposten und Wacheruf un- verzagt durchschreitend, bis sie's festhielten. Snewelin trug Hadumoth's Begehr um den gefangenen Knaben vor; er war mitleidig und weich gestimmt als wär' er noch in der Heimath und begehe den Ascher-
geben, eher heut als morgen, 's könnt' ſonſt zu ſpät werden. Behüet dich Gott, du biſt ein tapfer Kind.
Ich dank' dir, ſprach Hadumoth und drückte ſeine ſchwielige Hand. Warum gehſt du nicht mit?
Ich komm' ſpäter! ſagte der Fiſcher mit bedeutſamem Ton und ſtieg in ſeinen Kahn.
Am Eingang zum Thal war der Hunnen Lager geſchlagen, wenig Gezelte und etliche große Hütten aus Buſchwerk und Stroh. In Blockhäuſern von Tannſtämmen die Pferde. Es lehnte ſich im Rücken an einen Berg, nach vorn war ein Graben gezogen als Schutzwehr, und mit Verhack, Pfählen und dazwiſchen geworfenen Felsblöcken, nach Art des hunniſchen Landhags190) geſperrt. Bis weit hinaus ritten die Vorpoſten auf und nieder: halb war es das Bedürfniß der Ruhe nach Ritt und Kampf, halb ein Anſchlag auf's Kloſter des heiligen Fridolin drüben, was ſie dort feſthielt. Ein Theil der Mannſchaft baute Schiffe und Flöße am Rhein.
In ſeinem Zelt lag Hornebog, der Führer ſeit Ellak's Fall. Decken und Polſter waren aufgethürmt, er freute ſich keiner Ruhe. Erica die Heideblume ſaß bei ihm und ſpielte mit einem güldenen Kleinod, das ſie an ſeidener Schnur um den Hals trug.
Ich weiß nicht, ſagte Hornebog zu ihr, es iſt ſehr ungemüthlich worden. Die Kahlgeſchorenen am See haben zu wüthend drein ge- ſchlagen. Wir müſſen ſachter thun.191) Hier trau' ich auch nicht; 's iſt mir zu ruhig, und Ruhe geht vor dem Sturm. Mit dir iſt's auch nichts mehr, ſeit ſie den Ellak erſchlagen. Sollteſt mich jetzt lieben wie ihn als er der Erſte war — und biſt wie ein ausgebrannt Kohlenfeuer.
Erica ſchnellte das Kleinod an ſeiner Schnur weit von ſich, daß es tönend an die Bruſt zurückprallte, und ſummte was Hunniſches vor ſich hin.
Da trat ein wachehaltender Kriegsmann in's Zelt, Hadumoth die Hirtin mit ihm und Snewelin von Ellwangen als Dollmetſch. Das Kind war in's Lager gekommen, durch Vorpoſten und Wacheruf un- verzagt durchſchreitend, bis ſie's feſthielten. Snewelin trug Hadumoth's Begehr um den gefangenen Knaben vor; er war mitleidig und weich geſtimmt als wär' er noch in der Heimath und begehe den Aſcher-
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geben, eher heut als morgen, 's könnt' ſonſt zu ſpät werden. Behüet
dich Gott, du biſt ein tapfer Kind.
Ich dank' dir, ſprach Hadumoth und drückte ſeine ſchwielige Hand.
Warum gehſt du nicht mit?
Ich komm' ſpäter! ſagte der Fiſcher mit bedeutſamem Ton und
ſtieg in ſeinen Kahn.
Am Eingang zum Thal war der Hunnen Lager geſchlagen, wenig
Gezelte und etliche große Hütten aus Buſchwerk und Stroh. In
Blockhäuſern von Tannſtämmen die Pferde. Es lehnte ſich im Rücken
an einen Berg, nach vorn war ein Graben gezogen als Schutzwehr,
und mit Verhack, Pfählen und dazwiſchen geworfenen Felsblöcken, nach
Art des hunniſchen Landhags
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geſperrt. Bis weit hinaus ritten
die Vorpoſten auf und nieder: halb war es das Bedürfniß der Ruhe
nach Ritt und Kampf, halb ein Anſchlag auf's Kloſter des heiligen
Fridolin drüben, was ſie dort feſthielt. Ein Theil der Mannſchaft
baute Schiffe und Flöße am Rhein.
In ſeinem Zelt lag Hornebog, der Führer ſeit Ellak's Fall.
Decken und Polſter waren aufgethürmt, er freute ſich keiner Ruhe.
Erica die Heideblume ſaß bei ihm und ſpielte mit einem güldenen
Kleinod, das ſie an ſeidener Schnur um den Hals trug.
Ich weiß nicht, ſagte Hornebog zu ihr, es iſt ſehr ungemüthlich
worden. Die Kahlgeſchorenen am See haben zu wüthend drein ge-
ſchlagen. Wir müſſen ſachter thun.
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Hier trau' ich auch nicht;
's iſt mir zu ruhig, und Ruhe geht vor dem Sturm. Mit dir iſt's
auch nichts mehr, ſeit ſie den Ellak erſchlagen. Sollteſt mich jetzt
lieben wie ihn als er der Erſte war — und biſt wie ein ausgebrannt
Kohlenfeuer.
Erica ſchnellte das Kleinod an ſeiner Schnur weit von ſich, daß
es tönend an die Bruſt zurückprallte, und ſummte was Hunniſches
vor ſich hin.
Da trat ein wachehaltender Kriegsmann in's Zelt, Hadumoth die
Hirtin mit ihm und Snewelin von Ellwangen als Dollmetſch. Das
Kind war in's Lager gekommen, durch Vorpoſten und Wacheruf un-
verzagt durchſchreitend, bis ſie's feſthielten. Snewelin trug Hadumoth's
Begehr um den gefangenen Knaben vor; er war mitleidig und weich
geſtimmt als wär' er noch in der Heimath und begehe den Aſcher-
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/229>, abgerufen am 05.12.2024.
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