Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.der da bezeugen! ich hab' meine Zunge nicht zum Herold meiner Die Herzogin war betroffen. Sie trug noch einen Mißmuth auf Ich wollt' Euch nicht kränken, sprach sie. Die Milde der Stimme klang ihm vorwurfsvoll, er zögerte die Hadumoth, das Hirtenkind, trat ein. Schüchtern stand sie am Was hast du, arm Kind? rief Frau Hadwig. Komm näher! Da ging die Hirtin vorwärts. Sie küßte der Herzogin Hand. Fürcht' dich nicht, sprach die Herzogin tröstend. Da fand sie Ich kann die Gänse nimmer hüten, sprach sie, ich muß fortgehen. Warum willst du fort, Kind? fragte die Herzogin, haben sie dir Er ist nicht mehr heimgekommen. Es sind viele nicht mehr heimgekommen; darum mußt du nicht Aber das Hirtenkind schüttelte sein junges Haupt. Audifax ist der da bezeugen! ich hab' meine Zunge nicht zum Herold meiner Die Herzogin war betroffen. Sie trug noch einen Mißmuth auf Ich wollt' Euch nicht kränken, ſprach ſie. Die Milde der Stimme klang ihm vorwurfsvoll, er zögerte die Hadumoth, das Hirtenkind, trat ein. Schüchtern ſtand ſie am Was haſt du, arm Kind? rief Frau Hadwig. Komm näher! Da ging die Hirtin vorwärts. Sie küßte der Herzogin Hand. Fürcht' dich nicht, ſprach die Herzogin tröſtend. Da fand ſie Ich kann die Gänſe nimmer hüten, ſprach ſie, ich muß fortgehen. Warum willſt du fort, Kind? fragte die Herzogin, haben ſie dir Er iſt nicht mehr heimgekommen. Es ſind viele nicht mehr heimgekommen; darum mußt du nicht Aber das Hirtenkind ſchüttelte ſein junges Haupt. Audifax iſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0223" n="201"/> der da bezeugen! ich hab' meine Zunge nicht zum Herold meiner<lb/> That ernannt.</p><lb/> <p>Die Herzogin war betroffen. Sie trug noch einen Mißmuth auf<lb/> dem Herzen, es zuckte und drängte, ihm zürnend Luft zu ſchaffen —<lb/> aber das Schwert Herrn Burkard's weckte mannigfache Gedanken, ſie<lb/> hielt den Groll an ſich und reichte Ekkehard die Hand.</p><lb/> <p>Ich wollt' Euch nicht kränken, ſprach ſie.</p><lb/> <p>Die Milde der Stimme klang ihm vorwurfsvoll, er zögerte die<lb/> dargebotene Rechte zu ergreifen. Schier hätt' er um Verzeihung ge-<lb/> beten für ſeine Rauheit, aber das Wort ſtockte ihm; — da ging die<lb/> Thüre des Saales auf, es ward ihm alles Weitere erſpart.</p><lb/> <p>Hadumoth, das Hirtenkind, trat ein. Schüchtern ſtand ſie am<lb/> Eingang, übernächtig und verweint das Antlitz; ſie getraute ſich nicht<lb/> zu reden.</p><lb/> <p>Was haſt du, arm Kind? rief Frau Hadwig. Komm näher!</p><lb/> <p>Da ging die Hirtin vorwärts. Sie küßte der Herzogin Hand.<lb/> Dann erſah ſie Ekkehard, deſſen geiſtlich Gewand ihr Scheu einflößte,<lb/> ſie nahte ſich auch ihm, ſeine Hand zu küſſen, ſie wollte reden, Schluch-<lb/> zen hemmte die Stimme.</p><lb/> <p>Fürcht' dich nicht, ſprach die Herzogin tröſtend. Da fand ſie<lb/> Worte.</p><lb/> <p>Ich kann die Gänſe nimmer hüten, ſprach ſie, ich muß fortgehen.<lb/> Du ſollſt mir ein Goldſtück ſchenken, ſo groß du eines haſt. Wenn<lb/> ich wieder heimkomm, will ich zeitlebens dafür ſchaffen. Ich kann<lb/> nichts dafür, daß ich fort muß.</p><lb/> <p>Warum willſt du fort, Kind? fragte die Herzogin, haben ſie dir<lb/> was Leides gethan?</p><lb/> <p>Er iſt nicht mehr heimgekommen.</p><lb/> <p>Es ſind viele nicht mehr heimgekommen; darum mußt du nicht<lb/> fort. Die draußen blieben, ſind bei Gott im Himmel und ſind in<lb/> einem ſchönen luſtigen Garten und wohlauf und haben's beſſer<lb/> denn wir.</p><lb/> <p>Aber das Hirtenkind ſchüttelte ſein junges Haupt. Audifax iſt<lb/> nicht bei Gott, ſprach's, er iſt bei den Hunnen. Ich hab' nach<lb/> ihm geſchaut drunten im Feld, er war nicht bei den todten Männern,<lb/> und des Kohlenbrenners Bub von Hohenſtoffeln, der auch mit den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [201/0223]
der da bezeugen! ich hab' meine Zunge nicht zum Herold meiner
That ernannt.
Die Herzogin war betroffen. Sie trug noch einen Mißmuth auf
dem Herzen, es zuckte und drängte, ihm zürnend Luft zu ſchaffen —
aber das Schwert Herrn Burkard's weckte mannigfache Gedanken, ſie
hielt den Groll an ſich und reichte Ekkehard die Hand.
Ich wollt' Euch nicht kränken, ſprach ſie.
Die Milde der Stimme klang ihm vorwurfsvoll, er zögerte die
dargebotene Rechte zu ergreifen. Schier hätt' er um Verzeihung ge-
beten für ſeine Rauheit, aber das Wort ſtockte ihm; — da ging die
Thüre des Saales auf, es ward ihm alles Weitere erſpart.
Hadumoth, das Hirtenkind, trat ein. Schüchtern ſtand ſie am
Eingang, übernächtig und verweint das Antlitz; ſie getraute ſich nicht
zu reden.
Was haſt du, arm Kind? rief Frau Hadwig. Komm näher!
Da ging die Hirtin vorwärts. Sie küßte der Herzogin Hand.
Dann erſah ſie Ekkehard, deſſen geiſtlich Gewand ihr Scheu einflößte,
ſie nahte ſich auch ihm, ſeine Hand zu küſſen, ſie wollte reden, Schluch-
zen hemmte die Stimme.
Fürcht' dich nicht, ſprach die Herzogin tröſtend. Da fand ſie
Worte.
Ich kann die Gänſe nimmer hüten, ſprach ſie, ich muß fortgehen.
Du ſollſt mir ein Goldſtück ſchenken, ſo groß du eines haſt. Wenn
ich wieder heimkomm, will ich zeitlebens dafür ſchaffen. Ich kann
nichts dafür, daß ich fort muß.
Warum willſt du fort, Kind? fragte die Herzogin, haben ſie dir
was Leides gethan?
Er iſt nicht mehr heimgekommen.
Es ſind viele nicht mehr heimgekommen; darum mußt du nicht
fort. Die draußen blieben, ſind bei Gott im Himmel und ſind in
einem ſchönen luſtigen Garten und wohlauf und haben's beſſer
denn wir.
Aber das Hirtenkind ſchüttelte ſein junges Haupt. Audifax iſt
nicht bei Gott, ſprach's, er iſt bei den Hunnen. Ich hab' nach
ihm geſchaut drunten im Feld, er war nicht bei den todten Männern,
und des Kohlenbrenners Bub von Hohenſtoffeln, der auch mit den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |