der da bezeugen! ich hab' meine Zunge nicht zum Herold meiner That ernannt.
Die Herzogin war betroffen. Sie trug noch einen Mißmuth auf dem Herzen, es zuckte und drängte, ihm zürnend Luft zu schaffen -- aber das Schwert Herrn Burkard's weckte mannigfache Gedanken, sie hielt den Groll an sich und reichte Ekkehard die Hand.
Ich wollt' Euch nicht kränken, sprach sie.
Die Milde der Stimme klang ihm vorwurfsvoll, er zögerte die dargebotene Rechte zu ergreifen. Schier hätt' er um Verzeihung ge- beten für seine Rauheit, aber das Wort stockte ihm; -- da ging die Thüre des Saales auf, es ward ihm alles Weitere erspart.
Hadumoth, das Hirtenkind, trat ein. Schüchtern stand sie am Eingang, übernächtig und verweint das Antlitz; sie getraute sich nicht zu reden.
Was hast du, arm Kind? rief Frau Hadwig. Komm näher!
Da ging die Hirtin vorwärts. Sie küßte der Herzogin Hand. Dann ersah sie Ekkehard, dessen geistlich Gewand ihr Scheu einflößte, sie nahte sich auch ihm, seine Hand zu küssen, sie wollte reden, Schluch- zen hemmte die Stimme.
Fürcht' dich nicht, sprach die Herzogin tröstend. Da fand sie Worte.
Ich kann die Gänse nimmer hüten, sprach sie, ich muß fortgehen. Du sollst mir ein Goldstück schenken, so groß du eines hast. Wenn ich wieder heimkomm, will ich zeitlebens dafür schaffen. Ich kann nichts dafür, daß ich fort muß.
Warum willst du fort, Kind? fragte die Herzogin, haben sie dir was Leides gethan?
Er ist nicht mehr heimgekommen.
Es sind viele nicht mehr heimgekommen; darum mußt du nicht fort. Die draußen blieben, sind bei Gott im Himmel und sind in einem schönen lustigen Garten und wohlauf und haben's besser denn wir.
Aber das Hirtenkind schüttelte sein junges Haupt. Audifax ist nicht bei Gott, sprach's, er ist bei den Hunnen. Ich hab' nach ihm geschaut drunten im Feld, er war nicht bei den todten Männern, und des Kohlenbrenners Bub von Hohenstoffeln, der auch mit den
der da bezeugen! ich hab' meine Zunge nicht zum Herold meiner That ernannt.
Die Herzogin war betroffen. Sie trug noch einen Mißmuth auf dem Herzen, es zuckte und drängte, ihm zürnend Luft zu ſchaffen — aber das Schwert Herrn Burkard's weckte mannigfache Gedanken, ſie hielt den Groll an ſich und reichte Ekkehard die Hand.
Ich wollt' Euch nicht kränken, ſprach ſie.
Die Milde der Stimme klang ihm vorwurfsvoll, er zögerte die dargebotene Rechte zu ergreifen. Schier hätt' er um Verzeihung ge- beten für ſeine Rauheit, aber das Wort ſtockte ihm; — da ging die Thüre des Saales auf, es ward ihm alles Weitere erſpart.
Hadumoth, das Hirtenkind, trat ein. Schüchtern ſtand ſie am Eingang, übernächtig und verweint das Antlitz; ſie getraute ſich nicht zu reden.
Was haſt du, arm Kind? rief Frau Hadwig. Komm näher!
Da ging die Hirtin vorwärts. Sie küßte der Herzogin Hand. Dann erſah ſie Ekkehard, deſſen geiſtlich Gewand ihr Scheu einflößte, ſie nahte ſich auch ihm, ſeine Hand zu küſſen, ſie wollte reden, Schluch- zen hemmte die Stimme.
Fürcht' dich nicht, ſprach die Herzogin tröſtend. Da fand ſie Worte.
Ich kann die Gänſe nimmer hüten, ſprach ſie, ich muß fortgehen. Du ſollſt mir ein Goldſtück ſchenken, ſo groß du eines haſt. Wenn ich wieder heimkomm, will ich zeitlebens dafür ſchaffen. Ich kann nichts dafür, daß ich fort muß.
Warum willſt du fort, Kind? fragte die Herzogin, haben ſie dir was Leides gethan?
Er iſt nicht mehr heimgekommen.
Es ſind viele nicht mehr heimgekommen; darum mußt du nicht fort. Die draußen blieben, ſind bei Gott im Himmel und ſind in einem ſchönen luſtigen Garten und wohlauf und haben's beſſer denn wir.
Aber das Hirtenkind ſchüttelte ſein junges Haupt. Audifax iſt nicht bei Gott, ſprach's, er iſt bei den Hunnen. Ich hab' nach ihm geſchaut drunten im Feld, er war nicht bei den todten Männern, und des Kohlenbrenners Bub von Hohenſtoffeln, der auch mit den
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That ernannt.
Die Herzogin war betroffen. Sie trug noch einen Mißmuth auf
dem Herzen, es zuckte und drängte, ihm zürnend Luft zu ſchaffen —
aber das Schwert Herrn Burkard's weckte mannigfache Gedanken, ſie
hielt den Groll an ſich und reichte Ekkehard die Hand.
Ich wollt' Euch nicht kränken, ſprach ſie.
Die Milde der Stimme klang ihm vorwurfsvoll, er zögerte die
dargebotene Rechte zu ergreifen. Schier hätt' er um Verzeihung ge-
beten für ſeine Rauheit, aber das Wort ſtockte ihm; — da ging die
Thüre des Saales auf, es ward ihm alles Weitere erſpart.
Hadumoth, das Hirtenkind, trat ein. Schüchtern ſtand ſie am
Eingang, übernächtig und verweint das Antlitz; ſie getraute ſich nicht
zu reden.
Was haſt du, arm Kind? rief Frau Hadwig. Komm näher!
Da ging die Hirtin vorwärts. Sie küßte der Herzogin Hand.
Dann erſah ſie Ekkehard, deſſen geiſtlich Gewand ihr Scheu einflößte,
ſie nahte ſich auch ihm, ſeine Hand zu küſſen, ſie wollte reden, Schluch-
zen hemmte die Stimme.
Fürcht' dich nicht, ſprach die Herzogin tröſtend. Da fand ſie
Worte.
Ich kann die Gänſe nimmer hüten, ſprach ſie, ich muß fortgehen.
Du ſollſt mir ein Goldſtück ſchenken, ſo groß du eines haſt. Wenn
ich wieder heimkomm, will ich zeitlebens dafür ſchaffen. Ich kann
nichts dafür, daß ich fort muß.
Warum willſt du fort, Kind? fragte die Herzogin, haben ſie dir
was Leides gethan?
Er iſt nicht mehr heimgekommen.
Es ſind viele nicht mehr heimgekommen; darum mußt du nicht
fort. Die draußen blieben, ſind bei Gott im Himmel und ſind in
einem ſchönen luſtigen Garten und wohlauf und haben's beſſer
denn wir.
Aber das Hirtenkind ſchüttelte ſein junges Haupt. Audifax iſt
nicht bei Gott, ſprach's, er iſt bei den Hunnen. Ich hab' nach
ihm geſchaut drunten im Feld, er war nicht bei den todten Männern,
und des Kohlenbrenners Bub von Hohenſtoffeln, der auch mit den
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/223>, abgerufen am 24.07.2024.
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