Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich bring' Euch Einen, der kann die Feldkessel fegen! rief der
hunnische Reiter und warf den Hirtenknaben vom Roß hinüber, daß
er der Alten vor die Füße flog in den strohumflochtenen Korb des
Wagens.

Willkommen, du giftiges Krötlein, rief sie grimmig, du sollst den
Lohn empfahen dafür, daß du den Kuttenmann auf meinen Fels ge-
wiesen! Sie hatte ihn erkannt, zerrte ihn an der Schlinge zu sich
und band ihn an des Wagens Gestell.

Audifax schwieg. Aber bittere Thränen perlten im Auge, er weinte,
nicht ob seiner Gefangenschaft, er weinte ob abermals getäuschter Hoff-
nung. O Hadumoth! seufzte er abermals. -- Verwichene Mitternacht
war er bei der jungen Hirtin gesessen, versteckt am glimmenden Heerd-
feuer: Du sollst fest werden, hatte Hadumoth gesagt, gefeyt gegen
Hieb und Stich! Sie hatte eine braune Schlange zerkocht und ihm
mit dem Fette Stirn und Schulter und Brust bestrichen: Morgen
Abend erwart ich dich hier am selben Plätzlein, du kommst mir heil
zurück. Kein Eisen ist wider Schlangenfett!

Und Audifax hatte ihr die Hand gegeben und war so wohlgemuth
mit seiner Sackpfeife ausgerückt in den Kampf -- und jetzt!..

Noch wogte der Feldstreit draußen im Thalgrund. Schier wankten
die schwäbischen Reihen, ermüdet des ungewohnten Fechtens. Bedenklich
schaute Simon Bardo drüber hin und schüttelte das Haupt: Die
schönste Stragetie, brummte er, ist vergeudet an diese Centauren, --
das sprengt ab und zu und schießt aus der Ferne, als wär' meine
dreifache Schlachtordnung für nichts da; es thäte wahrhaft Noth, daß
man des Kaiser Leo Buch über die Tactik ein eigen Kapitel vom
Hunnenangriff zufügte!

Er ritt zu den Mönchen und schied sie wieder in zwei Heerhaufen;
die von Sanct Gallen sollten zur Rechten, die Reichenauer zur Linken
des Heerbanntreffens vorrücken, dann schwenken, daß der Feind, den
Wald im Rücken, in weitem Halbkreis eingeschlossen sei. So wir sie
nicht einklemmen, halten sie nicht Stand, rief er und schwang sein
breites Schlachtschwert; auf und drauf denn!

Wildes Feuer leuchtete aus Aller Augen. Marschbereit standen
die Reihen. Jetzt warf sich noch ein Jeglicher in's Knie, griff eine
Scholle vom Boden auf und streute sie rückwärts über sein Haupt,

Ich bring' Euch Einen, der kann die Feldkeſſel fegen! rief der
hunniſche Reiter und warf den Hirtenknaben vom Roß hinüber, daß
er der Alten vor die Füße flog in den ſtrohumflochtenen Korb des
Wagens.

Willkommen, du giftiges Krötlein, rief ſie grimmig, du ſollſt den
Lohn empfahen dafür, daß du den Kuttenmann auf meinen Fels ge-
wieſen! Sie hatte ihn erkannt, zerrte ihn an der Schlinge zu ſich
und band ihn an des Wagens Geſtell.

Audifax ſchwieg. Aber bittere Thränen perlten im Auge, er weinte,
nicht ob ſeiner Gefangenſchaft, er weinte ob abermals getäuſchter Hoff-
nung. O Hadumoth! ſeufzte er abermals. — Verwichene Mitternacht
war er bei der jungen Hirtin geſeſſen, verſteckt am glimmenden Heerd-
feuer: Du ſollſt feſt werden, hatte Hadumoth geſagt, gefeyt gegen
Hieb und Stich! Sie hatte eine braune Schlange zerkocht und ihm
mit dem Fette Stirn und Schulter und Bruſt beſtrichen: Morgen
Abend erwart ich dich hier am ſelben Plätzlein, du kommſt mir heil
zurück. Kein Eiſen iſt wider Schlangenfett!

Und Audifax hatte ihr die Hand gegeben und war ſo wohlgemuth
mit ſeiner Sackpfeife ausgerückt in den Kampf — und jetzt!..

Noch wogte der Feldſtreit draußen im Thalgrund. Schier wankten
die ſchwäbiſchen Reihen, ermüdet des ungewohnten Fechtens. Bedenklich
ſchaute Simon Bardo drüber hin und ſchüttelte das Haupt: Die
ſchönſte Stragetie, brummte er, iſt vergeudet an dieſe Centauren, —
das ſprengt ab und zu und ſchießt aus der Ferne, als wär' meine
dreifache Schlachtordnung für nichts da; es thäte wahrhaft Noth, daß
man des Kaiſer Leo Buch über die Tactik ein eigen Kapitel vom
Hunnenangriff zufügte!

Er ritt zu den Mönchen und ſchied ſie wieder in zwei Heerhaufen;
die von Sanct Gallen ſollten zur Rechten, die Reichenauer zur Linken
des Heerbanntreffens vorrücken, dann ſchwenken, daß der Feind, den
Wald im Rücken, in weitem Halbkreis eingeſchloſſen ſei. So wir ſie
nicht einklemmen, halten ſie nicht Stand, rief er und ſchwang ſein
breites Schlachtſchwert; auf und drauf denn!

Wildes Feuer leuchtete aus Aller Augen. Marſchbereit ſtanden
die Reihen. Jetzt warf ſich noch ein Jeglicher in's Knie, griff eine
Scholle vom Boden auf und ſtreute ſie rückwärts über ſein Haupt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0210" n="188"/>
        <p>Ich bring' Euch Einen, der kann die Feldke&#x017F;&#x017F;el fegen! rief der<lb/>
hunni&#x017F;che Reiter und warf den Hirtenknaben vom Roß hinüber, daß<lb/>
er der Alten vor die Füße flog in den &#x017F;trohumflochtenen Korb des<lb/>
Wagens.</p><lb/>
        <p>Willkommen, du giftiges Krötlein, rief &#x017F;ie grimmig, du &#x017F;oll&#x017F;t den<lb/>
Lohn empfahen dafür, daß du den Kuttenmann auf meinen Fels ge-<lb/>
wie&#x017F;en! Sie hatte ihn erkannt, zerrte ihn an der Schlinge zu &#x017F;ich<lb/>
und band ihn an des Wagens Ge&#x017F;tell.</p><lb/>
        <p>Audifax &#x017F;chwieg. Aber bittere Thränen perlten im Auge, er weinte,<lb/>
nicht ob &#x017F;einer Gefangen&#x017F;chaft, er weinte ob abermals getäu&#x017F;chter Hoff-<lb/>
nung. O Hadumoth! &#x017F;eufzte er abermals. &#x2014; Verwichene Mitternacht<lb/>
war er bei der jungen Hirtin ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, ver&#x017F;teckt am glimmenden Heerd-<lb/>
feuer: Du &#x017F;oll&#x017F;t fe&#x017F;t werden, hatte Hadumoth ge&#x017F;agt, gefeyt gegen<lb/>
Hieb und Stich! Sie hatte eine braune Schlange zerkocht und ihm<lb/>
mit dem Fette Stirn und Schulter und Bru&#x017F;t be&#x017F;trichen: Morgen<lb/>
Abend erwart ich dich hier am &#x017F;elben Plätzlein, du komm&#x017F;t mir heil<lb/>
zurück. Kein Ei&#x017F;en i&#x017F;t wider Schlangenfett!</p><lb/>
        <p>Und Audifax hatte ihr die Hand gegeben und war &#x017F;o wohlgemuth<lb/>
mit &#x017F;einer Sackpfeife ausgerückt in den Kampf &#x2014; und jetzt!..</p><lb/>
        <p>Noch wogte der Feld&#x017F;treit draußen im Thalgrund. Schier wankten<lb/>
die &#x017F;chwäbi&#x017F;chen Reihen, ermüdet des ungewohnten Fechtens. Bedenklich<lb/>
&#x017F;chaute Simon Bardo drüber hin und &#x017F;chüttelte das Haupt: Die<lb/>
&#x017F;chön&#x017F;te Stragetie, brummte er, i&#x017F;t vergeudet an die&#x017F;e Centauren, &#x2014;<lb/>
das &#x017F;prengt ab und zu und &#x017F;chießt aus der Ferne, als wär' meine<lb/>
dreifache Schlachtordnung für nichts da; es thäte wahrhaft Noth, daß<lb/>
man des Kai&#x017F;er Leo Buch über die Tactik ein eigen Kapitel vom<lb/>
Hunnenangriff zufügte!</p><lb/>
        <p>Er ritt zu den Mönchen und &#x017F;chied &#x017F;ie wieder in zwei Heerhaufen;<lb/>
die von Sanct Gallen &#x017F;ollten zur Rechten, die Reichenauer zur Linken<lb/>
des Heerbanntreffens vorrücken, dann &#x017F;chwenken, daß der Feind, den<lb/>
Wald im Rücken, in weitem Halbkreis einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ei. So wir &#x017F;ie<lb/>
nicht einklemmen, halten &#x017F;ie nicht Stand, rief er und &#x017F;chwang &#x017F;ein<lb/>
breites Schlacht&#x017F;chwert; auf und drauf denn!</p><lb/>
        <p>Wildes Feuer leuchtete aus Aller Augen. Mar&#x017F;chbereit &#x017F;tanden<lb/>
die Reihen. Jetzt warf &#x017F;ich noch ein Jeglicher in's Knie, griff eine<lb/>
Scholle vom Boden auf und &#x017F;treute &#x017F;ie rückwärts über &#x017F;ein Haupt,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0210] Ich bring' Euch Einen, der kann die Feldkeſſel fegen! rief der hunniſche Reiter und warf den Hirtenknaben vom Roß hinüber, daß er der Alten vor die Füße flog in den ſtrohumflochtenen Korb des Wagens. Willkommen, du giftiges Krötlein, rief ſie grimmig, du ſollſt den Lohn empfahen dafür, daß du den Kuttenmann auf meinen Fels ge- wieſen! Sie hatte ihn erkannt, zerrte ihn an der Schlinge zu ſich und band ihn an des Wagens Geſtell. Audifax ſchwieg. Aber bittere Thränen perlten im Auge, er weinte, nicht ob ſeiner Gefangenſchaft, er weinte ob abermals getäuſchter Hoff- nung. O Hadumoth! ſeufzte er abermals. — Verwichene Mitternacht war er bei der jungen Hirtin geſeſſen, verſteckt am glimmenden Heerd- feuer: Du ſollſt feſt werden, hatte Hadumoth geſagt, gefeyt gegen Hieb und Stich! Sie hatte eine braune Schlange zerkocht und ihm mit dem Fette Stirn und Schulter und Bruſt beſtrichen: Morgen Abend erwart ich dich hier am ſelben Plätzlein, du kommſt mir heil zurück. Kein Eiſen iſt wider Schlangenfett! Und Audifax hatte ihr die Hand gegeben und war ſo wohlgemuth mit ſeiner Sackpfeife ausgerückt in den Kampf — und jetzt!.. Noch wogte der Feldſtreit draußen im Thalgrund. Schier wankten die ſchwäbiſchen Reihen, ermüdet des ungewohnten Fechtens. Bedenklich ſchaute Simon Bardo drüber hin und ſchüttelte das Haupt: Die ſchönſte Stragetie, brummte er, iſt vergeudet an dieſe Centauren, — das ſprengt ab und zu und ſchießt aus der Ferne, als wär' meine dreifache Schlachtordnung für nichts da; es thäte wahrhaft Noth, daß man des Kaiſer Leo Buch über die Tactik ein eigen Kapitel vom Hunnenangriff zufügte! Er ritt zu den Mönchen und ſchied ſie wieder in zwei Heerhaufen; die von Sanct Gallen ſollten zur Rechten, die Reichenauer zur Linken des Heerbanntreffens vorrücken, dann ſchwenken, daß der Feind, den Wald im Rücken, in weitem Halbkreis eingeſchloſſen ſei. So wir ſie nicht einklemmen, halten ſie nicht Stand, rief er und ſchwang ſein breites Schlachtſchwert; auf und drauf denn! Wildes Feuer leuchtete aus Aller Augen. Marſchbereit ſtanden die Reihen. Jetzt warf ſich noch ein Jeglicher in's Knie, griff eine Scholle vom Boden auf und ſtreute ſie rückwärts über ſein Haupt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/210
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/210>, abgerufen am 05.12.2024.