Knie und ging, Kyrie eleison murmelnd, in seine Zelle zurück. Bis in hellen Morgen hinein schlief er dort den Schlaf des Gerechten.
Die Sonne stund hoch am Himmel, da wandelte Heribald ver- gnüglich vor dem Kloster auf und nieder. Seit daß er sich von den Schulbänken weg der Vacanz hatte erfreuen mögen, war ihm wenig Gelegenheit zum Ausruhen mehr geworden. Ruhe ist der Seele größte Feindin! hatte Sanct Benedict gesagt und darum seinen Schülern streng vorgeschrieben, die Stunden des Tages, die nicht der Andacht galten, mit Arbeit der Hände auszufüllen. Heribald war keiner Kunst oder Handwerksgriffe kundig, darum hatten sie ihn zum Holzspalten und ähnlich nutzbringender Thätigkeit angehalten -- jetzt aber schritt er, die Arme gekreuzt, an den aufgebeugten Scheitern vorüber und schaute lächelnd nach einem Klosterfenster hinauf: So komm doch her- unter, Vater Rudimann! rief er, und halte den Heribald zum Holz- hauen an! Du hast ja so trefflich Aufsicht gehalten über die Brüder, und den Heribald so oft einen unnützen Knecht Gottes gescholten, wenn er den Wolken nachschaute statt die Axt zu führen, warum thust du nicht was deines Amtes?
Kein Echo gab dem Blödsinnigen Antwort; da zog er von den Scheitern der untersten einige heraus, rasselnd stürzte die hochgeschich- tete Beuge zusammen: fallet nur, fuhr er im Selbstgespräch fort, Heribald macht Feiertag heut und setzt nichts wieder auf. Der Abt ist durchgegangen, die Brüder sind durchgegangen, es geschieht ihnen Recht, wenn Alles zusammenstürzt.
Nach solch' löblicher Verrichtung wandte sich Heribald zum Kloster- garten. Eine anderweite Erwägung beschäftigte seinen Geist: er ge- dachte ein paar liebliche Stöcke Salates zu seinem Mittagsmahl zu schneiden und sie feiner zuzubereiten, als in Anwesenheit des Pater Küchenmeister je geschehen wäre. Lockend malte er sich die Arbeit aus, wie er das Oelkrüglein sonder Schonung angreifen und der größten Zwiebeln einige mitleidslos zerschneiden wollte: da wirbelte drüben am weißsandigen Ufer eine Staubwolke auf, Gestalten von Roß und Reitern wurden sichtbar ...
Seid ihr schon da? sprach der Mönch und schlug ein Kreuz, seine Lippen bewegten sich zu einem hastigen Gebete; aber bald lag die gewohnte Miene zufriedenen Lächelns wieder auf seinem Antlitz.
Knie und ging, Kyrie eleison murmelnd, in ſeine Zelle zurück. Bis in hellen Morgen hinein ſchlief er dort den Schlaf des Gerechten.
Die Sonne ſtund hoch am Himmel, da wandelte Heribald ver- gnüglich vor dem Kloſter auf und nieder. Seit daß er ſich von den Schulbänken weg der Vacanz hatte erfreuen mögen, war ihm wenig Gelegenheit zum Ausruhen mehr geworden. Ruhe iſt der Seele größte Feindin! hatte Sanct Benedict geſagt und darum ſeinen Schülern ſtreng vorgeſchrieben, die Stunden des Tages, die nicht der Andacht galten, mit Arbeit der Hände auszufüllen. Heribald war keiner Kunſt oder Handwerksgriffe kundig, darum hatten ſie ihn zum Holzſpalten und ähnlich nutzbringender Thätigkeit angehalten — jetzt aber ſchritt er, die Arme gekreuzt, an den aufgebeugten Scheitern vorüber und ſchaute lächelnd nach einem Kloſterfenſter hinauf: So komm doch her- unter, Vater Rudimann! rief er, und halte den Heribald zum Holz- hauen an! Du haſt ja ſo trefflich Aufſicht gehalten über die Brüder, und den Heribald ſo oft einen unnützen Knecht Gottes geſcholten, wenn er den Wolken nachſchaute ſtatt die Axt zu führen, warum thuſt du nicht was deines Amtes?
Kein Echo gab dem Blödſinnigen Antwort; da zog er von den Scheitern der unterſten einige heraus, raſſelnd ſtürzte die hochgeſchich- tete Beuge zuſammen: fallet nur, fuhr er im Selbſtgeſpräch fort, Heribald macht Feiertag heut und ſetzt nichts wieder auf. Der Abt iſt durchgegangen, die Brüder ſind durchgegangen, es geſchieht ihnen Recht, wenn Alles zuſammenſtürzt.
Nach ſolch' löblicher Verrichtung wandte ſich Heribald zum Kloſter- garten. Eine anderweite Erwägung beſchäftigte ſeinen Geiſt: er ge- dachte ein paar liebliche Stöcke Salates zu ſeinem Mittagsmahl zu ſchneiden und ſie feiner zuzubereiten, als in Anweſenheit des Pater Küchenmeiſter je geſchehen wäre. Lockend malte er ſich die Arbeit aus, wie er das Oelkrüglein ſonder Schonung angreifen und der größten Zwiebeln einige mitleidslos zerſchneiden wollte: da wirbelte drüben am weißſandigen Ufer eine Staubwolke auf, Geſtalten von Roß und Reitern wurden ſichtbar ...
Seid ihr ſchon da? ſprach der Mönch und ſchlug ein Kreuz, ſeine Lippen bewegten ſich zu einem haſtigen Gebete; aber bald lag die gewohnte Miene zufriedenen Lächelns wieder auf ſeinem Antlitz.
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Knie und ging, Kyrie eleison murmelnd, in ſeine Zelle zurück. Bis
in hellen Morgen hinein ſchlief er dort den Schlaf des Gerechten.
Die Sonne ſtund hoch am Himmel, da wandelte Heribald ver-
gnüglich vor dem Kloſter auf und nieder. Seit daß er ſich von den
Schulbänken weg der Vacanz hatte erfreuen mögen, war ihm wenig
Gelegenheit zum Ausruhen mehr geworden. Ruhe iſt der Seele größte
Feindin! hatte Sanct Benedict geſagt und darum ſeinen Schülern
ſtreng vorgeſchrieben, die Stunden des Tages, die nicht der Andacht
galten, mit Arbeit der Hände auszufüllen. Heribald war keiner Kunſt
oder Handwerksgriffe kundig, darum hatten ſie ihn zum Holzſpalten
und ähnlich nutzbringender Thätigkeit angehalten — jetzt aber ſchritt
er, die Arme gekreuzt, an den aufgebeugten Scheitern vorüber und
ſchaute lächelnd nach einem Kloſterfenſter hinauf: So komm doch her-
unter, Vater Rudimann! rief er, und halte den Heribald zum Holz-
hauen an! Du haſt ja ſo trefflich Aufſicht gehalten über die Brüder,
und den Heribald ſo oft einen unnützen Knecht Gottes geſcholten,
wenn er den Wolken nachſchaute ſtatt die Axt zu führen, warum thuſt
du nicht was deines Amtes?
Kein Echo gab dem Blödſinnigen Antwort; da zog er von den
Scheitern der unterſten einige heraus, raſſelnd ſtürzte die hochgeſchich-
tete Beuge zuſammen: fallet nur, fuhr er im Selbſtgeſpräch fort,
Heribald macht Feiertag heut und ſetzt nichts wieder auf. Der Abt
iſt durchgegangen, die Brüder ſind durchgegangen, es geſchieht ihnen
Recht, wenn Alles zuſammenſtürzt.
Nach ſolch' löblicher Verrichtung wandte ſich Heribald zum Kloſter-
garten. Eine anderweite Erwägung beſchäftigte ſeinen Geiſt: er ge-
dachte ein paar liebliche Stöcke Salates zu ſeinem Mittagsmahl zu
ſchneiden und ſie feiner zuzubereiten, als in Anweſenheit des Pater
Küchenmeiſter je geſchehen wäre. Lockend malte er ſich die Arbeit
aus, wie er das Oelkrüglein ſonder Schonung angreifen und der
größten Zwiebeln einige mitleidslos zerſchneiden wollte: da wirbelte
drüben am weißſandigen Ufer eine Staubwolke auf, Geſtalten von
Roß und Reitern wurden ſichtbar ...
Seid ihr ſchon da? ſprach der Mönch und ſchlug ein Kreuz,
ſeine Lippen bewegten ſich zu einem haſtigen Gebete; aber bald lag
die gewohnte Miene zufriedenen Lächelns wieder auf ſeinem Antlitz.
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/186>, abgerufen am 25.11.2024.
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