Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Ekkehard schritt auf dem rechten Flügel; wie sie an der Herzogin
vorüber kamen, traf ihn ein Blick aus den leuchtenden Augen, der
kaum der ganzen Schaar gegolten.

In drei Haufen folgten die Dienstmannen und aufgebotenen Heer-
bannleute; mächtige Stierhörner wurden geblasen, seltsam Rüstzeug
kam zum Vorschein, manch ein Waffenstück war schon in den Feld-
zügen des großen Kaiser Karl eingeweiht worden, Mancher aber trug
auch einen mächtigen Knittel und sonst nichts.

Herr Spazzo hatte indeß scharfen Auges in das Thal hinunter
geschaut. 's ist gut, daß wir gerade beisammen sind, ich glaub 's
gibt Arbeit! sprach er und deutete hinüber in die Tiefe, wo die Dä-
cher des Weilers Hilzingen hinter hügeligen Gründen aufstiegen. Ein
dunkler Streif zog sich heran ... Da hieß Herr Simon Bardo seine
Heerschaar halten und spähte nach der Richtung: Das sind keine
Hunnen, sie kommen unberitten. Zu größerer Fürsicht aber hieß er
seine Bogenschützen den Abhang des Berges besetzen.

Aber wie der fremde Zug näher rückte, ward auch in ihren Reihen
des heiligen Benedict Ordensgewand sichtbar, ein gülden Kreuz ragte
als Standarte aus den Lanzen, Kyrie eleison! klang ihre Litanei
den Berg herauf ... Meine Brüder! rief Ekkehard; da lösten sich
die Glieder der Reichenauer Cohorte, sie rannten den Berg hinunter
mit stürmischem Jubelschrei -- wie sie aneinander waren überall
freudiges Umarmen: Wiedersehen in Stunde der Gefahr ringt dem
Herzen ein fröhlicher Jauchzen ab denn sonst.

Arm in Arm mit den Reichenauern stiegen die fremden Gäste
den Berg empor, ihren Abt Cralo an der Spitze; auf schwerfälligem
Ochsenwagen in der Nachhut führten sie den blinden Thieto mit.
Gott zum Gruß, erlauchte Frau Base, sprach Abt Cralo und neigte
sich vor ihr; wer hätt' vor eines halben Jahres Frist gedacht, daß ich
mit dem gesammten Kloster Euren Besuch erwiedern würde? Aber
der Gott Israels spricht: ausziehen laß mein Volk, auf daß es mir
getreu bleibe!

Frau Hadwig reichte ihm bewegt vom Rosse herab die Hand.
Zeiten der Prüfung! sprach sie. Seid willkommen!

Verstärkt durch die neuen Ankömmlinge zog die hohentwieler Heer-
schaar in der Burg schirmende Mauern zurück. Praxedis war in den

Ekkehard ſchritt auf dem rechten Flügel; wie ſie an der Herzogin
vorüber kamen, traf ihn ein Blick aus den leuchtenden Augen, der
kaum der ganzen Schaar gegolten.

In drei Haufen folgten die Dienſtmannen und aufgebotenen Heer-
bannleute; mächtige Stierhörner wurden geblaſen, ſeltſam Rüſtzeug
kam zum Vorſchein, manch ein Waffenſtück war ſchon in den Feld-
zügen des großen Kaiſer Karl eingeweiht worden, Mancher aber trug
auch einen mächtigen Knittel und ſonſt nichts.

Herr Spazzo hatte indeß ſcharfen Auges in das Thal hinunter
geſchaut. 's iſt gut, daß wir gerade beiſammen ſind, ich glaub 's
gibt Arbeit! ſprach er und deutete hinüber in die Tiefe, wo die Dä-
cher des Weilers Hilzingen hinter hügeligen Gründen aufſtiegen. Ein
dunkler Streif zog ſich heran ... Da hieß Herr Simon Bardo ſeine
Heerſchaar halten und ſpähte nach der Richtung: Das ſind keine
Hunnen, ſie kommen unberitten. Zu größerer Fürſicht aber hieß er
ſeine Bogenſchützen den Abhang des Berges beſetzen.

Aber wie der fremde Zug näher rückte, ward auch in ihren Reihen
des heiligen Benedict Ordensgewand ſichtbar, ein gülden Kreuz ragte
als Standarte aus den Lanzen, Kyrie eleison! klang ihre Litanei
den Berg herauf ... Meine Brüder! rief Ekkehard; da lösten ſich
die Glieder der Reichenauer Cohorte, ſie rannten den Berg hinunter
mit ſtürmiſchem Jubelſchrei — wie ſie aneinander waren überall
freudiges Umarmen: Wiederſehen in Stunde der Gefahr ringt dem
Herzen ein fröhlicher Jauchzen ab denn ſonſt.

Arm in Arm mit den Reichenauern ſtiegen die fremden Gäſte
den Berg empor, ihren Abt Cralo an der Spitze; auf ſchwerfälligem
Ochſenwagen in der Nachhut führten ſie den blinden Thieto mit.
Gott zum Gruß, erlauchte Frau Baſe, ſprach Abt Cralo und neigte
ſich vor ihr; wer hätt' vor eines halben Jahres Friſt gedacht, daß ich
mit dem geſammten Kloſter Euren Beſuch erwiedern würde? Aber
der Gott Iſraels ſpricht: ausziehen laß mein Volk, auf daß es mir
getreu bleibe!

Frau Hadwig reichte ihm bewegt vom Roſſe herab die Hand.
Zeiten der Prüfung! ſprach ſie. Seid willkommen!

Verſtärkt durch die neuen Ankömmlinge zog die hohentwieler Heer-
ſchaar in der Burg ſchirmende Mauern zurück. Praxedis war in den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0178" n="156"/>
        <p>Ekkehard &#x017F;chritt auf dem rechten Flügel; wie &#x017F;ie an der Herzogin<lb/>
vorüber kamen, traf ihn ein Blick aus den leuchtenden Augen, der<lb/>
kaum der ganzen Schaar gegolten.</p><lb/>
        <p>In drei Haufen folgten die Dien&#x017F;tmannen und aufgebotenen Heer-<lb/>
bannleute; mächtige Stierhörner wurden gebla&#x017F;en, &#x017F;elt&#x017F;am Rü&#x017F;tzeug<lb/>
kam zum Vor&#x017F;chein, manch ein Waffen&#x017F;tück war &#x017F;chon in den Feld-<lb/>
zügen des großen Kai&#x017F;er Karl eingeweiht worden, Mancher aber trug<lb/>
auch einen mächtigen Knittel und &#x017F;on&#x017F;t nichts.</p><lb/>
        <p>Herr Spazzo hatte indeß &#x017F;charfen Auges in das Thal hinunter<lb/>
ge&#x017F;chaut. 's i&#x017F;t gut, daß wir gerade bei&#x017F;ammen &#x017F;ind, ich glaub 's<lb/>
gibt Arbeit! &#x017F;prach er und deutete hinüber in die Tiefe, wo die Dä-<lb/>
cher des Weilers Hilzingen hinter hügeligen Gründen auf&#x017F;tiegen. Ein<lb/>
dunkler Streif zog &#x017F;ich heran ... Da hieß Herr Simon Bardo &#x017F;eine<lb/>
Heer&#x017F;chaar halten und &#x017F;pähte nach der Richtung: Das &#x017F;ind keine<lb/>
Hunnen, &#x017F;ie kommen unberitten. Zu größerer Für&#x017F;icht aber hieß er<lb/>
&#x017F;eine Bogen&#x017F;chützen den Abhang des Berges be&#x017F;etzen.</p><lb/>
        <p>Aber wie der fremde Zug näher rückte, ward auch in ihren Reihen<lb/>
des heiligen Benedict Ordensgewand &#x017F;ichtbar, ein gülden Kreuz ragte<lb/>
als Standarte aus den Lanzen, <hi rendition="#aq">Kyrie eleison!</hi> klang ihre Litanei<lb/>
den Berg herauf ... Meine Brüder! rief Ekkehard; da lösten &#x017F;ich<lb/>
die Glieder der Reichenauer Cohorte, &#x017F;ie rannten den Berg hinunter<lb/>
mit &#x017F;türmi&#x017F;chem Jubel&#x017F;chrei &#x2014; wie &#x017F;ie aneinander waren überall<lb/>
freudiges Umarmen: Wieder&#x017F;ehen in Stunde der Gefahr ringt dem<lb/>
Herzen ein fröhlicher Jauchzen ab denn &#x017F;on&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Arm in Arm mit den Reichenauern &#x017F;tiegen die fremden Gä&#x017F;te<lb/>
den Berg empor, ihren Abt Cralo an der Spitze; auf &#x017F;chwerfälligem<lb/>
Och&#x017F;enwagen in der Nachhut führten &#x017F;ie den blinden Thieto mit.<lb/>
Gott zum Gruß, erlauchte Frau Ba&#x017F;e, &#x017F;prach Abt Cralo und neigte<lb/>
&#x017F;ich vor ihr; wer hätt' vor eines halben Jahres Fri&#x017F;t gedacht, daß ich<lb/>
mit dem ge&#x017F;ammten Klo&#x017F;ter Euren Be&#x017F;uch erwiedern würde? Aber<lb/>
der Gott I&#x017F;raels &#x017F;pricht: ausziehen laß mein Volk, auf daß es mir<lb/>
getreu bleibe!</p><lb/>
        <p>Frau Hadwig reichte ihm bewegt vom Ro&#x017F;&#x017F;e herab die Hand.<lb/>
Zeiten der Prüfung! &#x017F;prach &#x017F;ie. Seid willkommen!</p><lb/>
        <p>Ver&#x017F;tärkt durch die neuen Ankömmlinge zog die hohentwieler Heer-<lb/>
&#x017F;chaar in der Burg &#x017F;chirmende Mauern zurück. Praxedis war in den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0178] Ekkehard ſchritt auf dem rechten Flügel; wie ſie an der Herzogin vorüber kamen, traf ihn ein Blick aus den leuchtenden Augen, der kaum der ganzen Schaar gegolten. In drei Haufen folgten die Dienſtmannen und aufgebotenen Heer- bannleute; mächtige Stierhörner wurden geblaſen, ſeltſam Rüſtzeug kam zum Vorſchein, manch ein Waffenſtück war ſchon in den Feld- zügen des großen Kaiſer Karl eingeweiht worden, Mancher aber trug auch einen mächtigen Knittel und ſonſt nichts. Herr Spazzo hatte indeß ſcharfen Auges in das Thal hinunter geſchaut. 's iſt gut, daß wir gerade beiſammen ſind, ich glaub 's gibt Arbeit! ſprach er und deutete hinüber in die Tiefe, wo die Dä- cher des Weilers Hilzingen hinter hügeligen Gründen aufſtiegen. Ein dunkler Streif zog ſich heran ... Da hieß Herr Simon Bardo ſeine Heerſchaar halten und ſpähte nach der Richtung: Das ſind keine Hunnen, ſie kommen unberitten. Zu größerer Fürſicht aber hieß er ſeine Bogenſchützen den Abhang des Berges beſetzen. Aber wie der fremde Zug näher rückte, ward auch in ihren Reihen des heiligen Benedict Ordensgewand ſichtbar, ein gülden Kreuz ragte als Standarte aus den Lanzen, Kyrie eleison! klang ihre Litanei den Berg herauf ... Meine Brüder! rief Ekkehard; da lösten ſich die Glieder der Reichenauer Cohorte, ſie rannten den Berg hinunter mit ſtürmiſchem Jubelſchrei — wie ſie aneinander waren überall freudiges Umarmen: Wiederſehen in Stunde der Gefahr ringt dem Herzen ein fröhlicher Jauchzen ab denn ſonſt. Arm in Arm mit den Reichenauern ſtiegen die fremden Gäſte den Berg empor, ihren Abt Cralo an der Spitze; auf ſchwerfälligem Ochſenwagen in der Nachhut führten ſie den blinden Thieto mit. Gott zum Gruß, erlauchte Frau Baſe, ſprach Abt Cralo und neigte ſich vor ihr; wer hätt' vor eines halben Jahres Friſt gedacht, daß ich mit dem geſammten Kloſter Euren Beſuch erwiedern würde? Aber der Gott Iſraels ſpricht: ausziehen laß mein Volk, auf daß es mir getreu bleibe! Frau Hadwig reichte ihm bewegt vom Roſſe herab die Hand. Zeiten der Prüfung! ſprach ſie. Seid willkommen! Verſtärkt durch die neuen Ankömmlinge zog die hohentwieler Heer- ſchaar in der Burg ſchirmende Mauern zurück. Praxedis war in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/178
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/178>, abgerufen am 22.11.2024.