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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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der dunklen Tannenwälder schaute in plumper Steile der Fels von
Hohenkrähen zu ihr herüber.

Der Hirtenbub war vorhin da, er hat Leute hinüber bestellt, sprach
Praxedis.

Der Nachmittag ist mild und sonnig geworden, sagte die Herzogin,
laß die Pferde rüsten, wir wollen hinüber reiten und sehen was sie
treiben. Oder -- ich hab' vergessen, daß du dich über die Mühsal
beklagt im Sattel zu sitzen, da wir vom heiligen Gallus heimkehrten:
ich werd' alleine ausreiten ..

Ekkehard hatte sich auf dem Hohenkrähen den Schauplatz des nächt-
lichen Gelages betrachtet. Wenig Spuren waren übrig. Das Erdreich
um den Eichbaum war röthlich angefeuchtet. Reste von Kohlen und
Asche deuteten auf den Feuerplatz. In den Aesten der Eiche sah er
mit Befremden da und dort kleine Wachsbilder von menschlichen Glied-
maßen versteckt hangen, Füße und Hände, Abbilder von Pferden und
Kühen, -- Gelöbnisse für Heilung von Krankheit an Menschen und
Thier, die der bäuerliche Aberglaube damals noch am altersgeweihten
Baume lieber löste als in der Kirche des Thales.

Zwei Männer mit Haugeräthe kamen heran. Wir sind bestellt,
sprachen sie. Vom Hohentwiel? fragte Ekkehard. -- Wir arbeiten
der Herrschaft, unser Sitz ist drüben am Hohenhöwen, wo der Rauch
der Kohlenmeiler aufsteigt.

Gut, sagte Ekkehard, ihr sollt mir die Eiche hier fällen. Die
Männer sahen ihn verlegen an. Vorwärts, rief er, und sputet euch!
Bis die Nacht anbricht, muß sie umgehauen liegen.

Da gingen die Zwei mit ihren Beilen zu der Eiche hin. Mit
offenem Munde standen sie vor dem stolzen Baum. Einer ließ sein
Beil zur Erde fallen.

Kommt dir der Platz nicht bekannt vor, Chomuli? frug er seinen
Nebenmann.

Warum bekannt, Woveli?

Der Holzhacker deutete nach Sonnenaufgang, setzte die geballte Rechte
an den Mund, hob sie als wenn er trinke und sprach: Darum, Chomuli.

Da sah der Andere nach Ekkehard hinunter und zwinkte mit dem Aug':
Wir wissen von Nichts; Woveli! Aber Er wird's wissen, Chomuli,
sprach der Erste. Abwarten, Woveli, sagte der Andre.

der dunklen Tannenwälder ſchaute in plumper Steile der Fels von
Hohenkrähen zu ihr herüber.

Der Hirtenbub war vorhin da, er hat Leute hinüber beſtellt, ſprach
Praxedis.

Der Nachmittag iſt mild und ſonnig geworden, ſagte die Herzogin,
laß die Pferde rüſten, wir wollen hinüber reiten und ſehen was ſie
treiben. Oder — ich hab' vergeſſen, daß du dich über die Mühſal
beklagt im Sattel zu ſitzen, da wir vom heiligen Gallus heimkehrten:
ich werd' alleine ausreiten ..

Ekkehard hatte ſich auf dem Hohenkrähen den Schauplatz des nächt-
lichen Gelages betrachtet. Wenig Spuren waren übrig. Das Erdreich
um den Eichbaum war röthlich angefeuchtet. Reſte von Kohlen und
Aſche deuteten auf den Feuerplatz. In den Aeſten der Eiche ſah er
mit Befremden da und dort kleine Wachsbilder von menſchlichen Glied-
maßen verſteckt hangen, Füße und Hände, Abbilder von Pferden und
Kühen, — Gelöbniſſe für Heilung von Krankheit an Menſchen und
Thier, die der bäuerliche Aberglaube damals noch am altersgeweihten
Baume lieber löste als in der Kirche des Thales.

Zwei Männer mit Haugeräthe kamen heran. Wir ſind beſtellt,
ſprachen ſie. Vom Hohentwiel? fragte Ekkehard. — Wir arbeiten
der Herrſchaft, unſer Sitz iſt drüben am Hohenhöwen, wo der Rauch
der Kohlenmeiler aufſteigt.

Gut, ſagte Ekkehard, ihr ſollt mir die Eiche hier fällen. Die
Männer ſahen ihn verlegen an. Vorwärts, rief er, und ſputet euch!
Bis die Nacht anbricht, muß ſie umgehauen liegen.

Da gingen die Zwei mit ihren Beilen zu der Eiche hin. Mit
offenem Munde ſtanden ſie vor dem ſtolzen Baum. Einer ließ ſein
Beil zur Erde fallen.

Kommt dir der Platz nicht bekannt vor, Chomuli? frug er ſeinen
Nebenmann.

Warum bekannt, Woveli?

Der Holzhacker deutete nach Sonnenaufgang, ſetzte die geballte Rechte
an den Mund, hob ſie als wenn er trinke und ſprach: Darum, Chomuli.

Da ſah der Andere nach Ekkehard hinunter und zwinkte mit dem Aug':
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[112/0134] der dunklen Tannenwälder ſchaute in plumper Steile der Fels von Hohenkrähen zu ihr herüber. Der Hirtenbub war vorhin da, er hat Leute hinüber beſtellt, ſprach Praxedis. Der Nachmittag iſt mild und ſonnig geworden, ſagte die Herzogin, laß die Pferde rüſten, wir wollen hinüber reiten und ſehen was ſie treiben. Oder — ich hab' vergeſſen, daß du dich über die Mühſal beklagt im Sattel zu ſitzen, da wir vom heiligen Gallus heimkehrten: ich werd' alleine ausreiten .. Ekkehard hatte ſich auf dem Hohenkrähen den Schauplatz des nächt- lichen Gelages betrachtet. Wenig Spuren waren übrig. Das Erdreich um den Eichbaum war röthlich angefeuchtet. Reſte von Kohlen und Aſche deuteten auf den Feuerplatz. In den Aeſten der Eiche ſah er mit Befremden da und dort kleine Wachsbilder von menſchlichen Glied- maßen verſteckt hangen, Füße und Hände, Abbilder von Pferden und Kühen, — Gelöbniſſe für Heilung von Krankheit an Menſchen und Thier, die der bäuerliche Aberglaube damals noch am altersgeweihten Baume lieber löste als in der Kirche des Thales. Zwei Männer mit Haugeräthe kamen heran. Wir ſind beſtellt, ſprachen ſie. Vom Hohentwiel? fragte Ekkehard. — Wir arbeiten der Herrſchaft, unſer Sitz iſt drüben am Hohenhöwen, wo der Rauch der Kohlenmeiler aufſteigt. Gut, ſagte Ekkehard, ihr ſollt mir die Eiche hier fällen. Die Männer ſahen ihn verlegen an. Vorwärts, rief er, und ſputet euch! Bis die Nacht anbricht, muß ſie umgehauen liegen. Da gingen die Zwei mit ihren Beilen zu der Eiche hin. Mit offenem Munde ſtanden ſie vor dem ſtolzen Baum. Einer ließ ſein Beil zur Erde fallen. Kommt dir der Platz nicht bekannt vor, Chomuli? frug er ſeinen Nebenmann. Warum bekannt, Woveli? Der Holzhacker deutete nach Sonnenaufgang, ſetzte die geballte Rechte an den Mund, hob ſie als wenn er trinke und ſprach: Darum, Chomuli. Da ſah der Andere nach Ekkehard hinunter und zwinkte mit dem Aug': Wir wiſſen von Nichts; Woveli! Aber Er wird's wiſſen, Chomuli, ſprach der Erſte. Abwarten, Woveli, ſagte der Andre.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/134>, abgerufen am 25.11.2024.