der Herbst verweht, und daß ihr Denken und Thun nur eine Spanne weit reicht; dann kommen Andere und reden in andern Zungen und schaffen in andern Formen; Heiliges wird geächtet, Geächtetes heilig, neue Götter steigen auf den Thron: wohl ihnen, wenn er nicht über allzuviel Opfern sich aufrichtet ...
Ekkehard deutete das Dasein des Römersteins in der Waldfrau Hütte anders.
Den Mann auf dem Stier betet Ihr an, rief er heftig. Die Waldfrau griff einen Stab, der am Heerde stand, nahm ein Messer und schnitt zwei Kerbschnitte hinein: Die zweite Beschimpfung, die Ihr mir anthut! sprach sie dumpf. Was haben wir mit dem Stein- bild zu schaffen?
So redet, sagte der Mönch, wie kommt der Stein in Eure Hütte.
Weil er unss gedauert hat, sagte die Waldfrau. Das mögt Ihr nicht verstehen, die Ihr das Haupt kahl geschoren traget. Der Stein ist draus gestanden auf dem Felsvorsprung, es war ein zugerichteter Platz und wird Mancher in alten Tagen dort gekniet haben, aber itzt hat sich Keiner mehr um ihn gekümmert, die Leute des Waldes haben Holzäpfel drauf gedörrt und Späne drauf gespalten, wie's kam, und des Regens Unbill hat die Bilder verwaschen. Der Stein dauert mich, hat meine Mutter gesagt, er war einmal was Heiliges; aber die Knochen Derer, die den Mann drauf gekannt und verehrt haben und den Stein, sind längst weiß gebleicht, -- es wird ihn frieren den Mann mit dem fliegenden Mantel. Da haben wir ihn ausgehoben und an Heerd gestellt: er hat uns noch kein Leid's gebracht. -- Wir wissen, wie es den alten Göttern zu Muth ist, unsere gelten auch nicht mehr. Laßt Ihr dem Stein seine Ruhe!
Eure Götter? fuhr Ekkehard in seinem Fragen fort -- wer sind Eure Götter?
Das müßt Ihr wissen, sprach die Alte. Ihr habt sie vertrieben und in See gebannt: in der Fluthen Tiefe liegt Alles begraben, der Hort alter Zeit und die alten Götter, wir sehen sie nicht mehr und wissen nur noch die Plätze, wo unsere Väter sie verehrt, eh' der Franke kam und die Männer in den Kutten. Aber wenn der Wind die Wipfel des Eichbaums droben schüttelt, dann kommt's wie Stimmen durch die Lüfte, das ist ihr Klagen -- und in gefeiten Nächten rauscht
der Herbſt verweht, und daß ihr Denken und Thun nur eine Spanne weit reicht; dann kommen Andere und reden in andern Zungen und ſchaffen in andern Formen; Heiliges wird geächtet, Geächtetes heilig, neue Götter ſteigen auf den Thron: wohl ihnen, wenn er nicht über allzuviel Opfern ſich aufrichtet ...
Ekkehard deutete das Daſein des Römerſteins in der Waldfrau Hütte anders.
Den Mann auf dem Stier betet Ihr an, rief er heftig. Die Waldfrau griff einen Stab, der am Heerde ſtand, nahm ein Meſſer und ſchnitt zwei Kerbſchnitte hinein: Die zweite Beſchimpfung, die Ihr mir anthut! ſprach ſie dumpf. Was haben wir mit dem Stein- bild zu ſchaffen?
So redet, ſagte der Mönch, wie kommt der Stein in Eure Hütte.
Weil er unſs gedauert hat, ſagte die Waldfrau. Das mögt Ihr nicht verſtehen, die Ihr das Haupt kahl geſchoren traget. Der Stein iſt draus geſtanden auf dem Felsvorſprung, es war ein zugerichteter Platz und wird Mancher in alten Tagen dort gekniet haben, aber itzt hat ſich Keiner mehr um ihn gekümmert, die Leute des Waldes haben Holzäpfel drauf gedörrt und Späne drauf geſpalten, wie's kam, und des Regens Unbill hat die Bilder verwaſchen. Der Stein dauert mich, hat meine Mutter geſagt, er war einmal was Heiliges; aber die Knochen Derer, die den Mann drauf gekannt und verehrt haben und den Stein, ſind längſt weiß gebleicht, — es wird ihn frieren den Mann mit dem fliegenden Mantel. Da haben wir ihn ausgehoben und an Heerd geſtellt: er hat uns noch kein Leid's gebracht. — Wir wiſſen, wie es den alten Göttern zu Muth iſt, unſere gelten auch nicht mehr. Laßt Ihr dem Stein ſeine Ruhe!
Eure Götter? fuhr Ekkehard in ſeinem Fragen fort — wer ſind Eure Götter?
Das müßt Ihr wiſſen, ſprach die Alte. Ihr habt ſie vertrieben und in See gebannt: in der Fluthen Tiefe liegt Alles begraben, der Hort alter Zeit und die alten Götter, wir ſehen ſie nicht mehr und wiſſen nur noch die Plätze, wo unſere Väter ſie verehrt, eh' der Franke kam und die Männer in den Kutten. Aber wenn der Wind die Wipfel des Eichbaums droben ſchüttelt, dann kommt's wie Stimmen durch die Lüfte, das iſt ihr Klagen — und in gefeiten Nächten rauſcht
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der Herbſt verweht, und daß ihr Denken und Thun nur eine Spanne
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ſchaffen in andern Formen; Heiliges wird geächtet, Geächtetes heilig,
neue Götter ſteigen auf den Thron: wohl ihnen, wenn er nicht über
allzuviel Opfern ſich aufrichtet ...
Ekkehard deutete das Daſein des Römerſteins in der Waldfrau
Hütte anders.
Den Mann auf dem Stier betet Ihr an, rief er heftig. Die
Waldfrau griff einen Stab, der am Heerde ſtand, nahm ein Meſſer
und ſchnitt zwei Kerbſchnitte hinein: Die zweite Beſchimpfung, die
Ihr mir anthut! ſprach ſie dumpf. Was haben wir mit dem Stein-
bild zu ſchaffen?
So redet, ſagte der Mönch, wie kommt der Stein in Eure Hütte.
Weil er unſs gedauert hat, ſagte die Waldfrau. Das mögt Ihr
nicht verſtehen, die Ihr das Haupt kahl geſchoren traget. Der Stein
iſt draus geſtanden auf dem Felsvorſprung, es war ein zugerichteter
Platz und wird Mancher in alten Tagen dort gekniet haben, aber itzt
hat ſich Keiner mehr um ihn gekümmert, die Leute des Waldes haben
Holzäpfel drauf gedörrt und Späne drauf geſpalten, wie's kam, und
des Regens Unbill hat die Bilder verwaſchen. Der Stein dauert
mich, hat meine Mutter geſagt, er war einmal was Heiliges; aber die
Knochen Derer, die den Mann drauf gekannt und verehrt haben und
den Stein, ſind längſt weiß gebleicht, — es wird ihn frieren den
Mann mit dem fliegenden Mantel. Da haben wir ihn ausgehoben
und an Heerd geſtellt: er hat uns noch kein Leid's gebracht. — Wir
wiſſen, wie es den alten Göttern zu Muth iſt, unſere gelten auch
nicht mehr. Laßt Ihr dem Stein ſeine Ruhe!
Eure Götter? fuhr Ekkehard in ſeinem Fragen fort — wer ſind
Eure Götter?
Das müßt Ihr wiſſen, ſprach die Alte. Ihr habt ſie vertrieben
und in See gebannt: in der Fluthen Tiefe liegt Alles begraben, der
Hort alter Zeit und die alten Götter, wir ſehen ſie nicht mehr und
wiſſen nur noch die Plätze, wo unſere Väter ſie verehrt, eh' der Franke
kam und die Männer in den Kutten. Aber wenn der Wind die
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/131>, abgerufen am 25.11.2024.
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