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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Ekkehard war indeß draußen abgestiegen und hatte sein Roß an
eine Tanne gebunden. Jetzt trat er über die Schwelle; scheu ging
Audifax hinter ihm drein. Die Waldfrau warf das Gewand über
den Stein, faltete die Hände in ihren Schoß und sah starr dem ein-
tretenden Mann im Mönchsgewand entgegen. Sie stand nicht auf.

Gelobt sei Jesus Christ! sprach Ekkehard als Gruß und Ablenkung
etwaigen Zaubers. Unwillkürlich schlug er den Daumen der Rechten
ein und schloß die Hand, er fürchtete das böse Auge128) und seine Ge-
walt; Audifax hatte ihm erzählt, die Leute sagten von ihr, daß sie mit
einem Blick ein ganzes Grasfeld dürre zu machen vermöge.

Sie antwortete nicht auf den Gruß.

Was schafft Ihr Gutes? hub Ekkehard das Gespräch an.

Einen Rock bessern, sprach die Alte, er ist schadhaft geworden.

Ihr sucht auch Kräuter?

Such' auch Kräuter. Seid Ihr ein Kräutermann? Dort liegen
viele: Habichtskraut und Schneckenklee, Bocksbart und Mäuseohr, auch
dürrer Waldmeister, so Ihr begehrt.

Ich bin kein Kräutermann, sprach Ekkehard. Was macht Ihr mit
den Kräutern.

Braucht Ihr zu fragen, wozu Kräuter gut sind? sprach die Alte,
Euer Einer weiß das auch. Es stünd' schlimm um kranke Menschen
und krankes Thier, und schlimm um Abwehr nächtiger Unholde und
Stillung liebender Sehnsucht, wenn keine Kräuter wären.

Und Ihr seid getauft? fuhr Ekkehard ungeduldig fort.

Sie werden mich auch getauft haben ...

Und wenn Ihr getauft seid, rief er mit erhobener Stimme, und
dem Teufel versagt habt und allen seinen Werken und allen seinen
Gezierden, was soll das? Er deutete mit seinem Stab nach den
Pferdeschädeln an der Wand und stieß einen heftig an, daß er herunter-
fiel und in Stücke brach: die weißen Zähne rollten auf dem Fuß-
boden umher.

Der Schädel eines Rosses, antwortete die Alte gelassen, den Ihr
jetzt zertrümmert habt. Es war ein junges Thier, Ihr könnt's am
Gebiß noch sehen.

Und der Rosse Fleisch schmeckt Euch? frug Ekkehard.

Ekkehard war indeß draußen abgeſtiegen und hatte ſein Roß an
eine Tanne gebunden. Jetzt trat er über die Schwelle; ſcheu ging
Audifax hinter ihm drein. Die Waldfrau warf das Gewand über
den Stein, faltete die Hände in ihren Schoß und ſah ſtarr dem ein-
tretenden Mann im Mönchsgewand entgegen. Sie ſtand nicht auf.

Gelobt ſei Jeſus Chriſt! ſprach Ekkehard als Gruß und Ablenkung
etwaigen Zaubers. Unwillkürlich ſchlug er den Daumen der Rechten
ein und ſchloß die Hand, er fürchtete das böſe Auge128) und ſeine Ge-
walt; Audifax hatte ihm erzählt, die Leute ſagten von ihr, daß ſie mit
einem Blick ein ganzes Grasfeld dürre zu machen vermöge.

Sie antwortete nicht auf den Gruß.

Was ſchafft Ihr Gutes? hub Ekkehard das Geſpräch an.

Einen Rock beſſern, ſprach die Alte, er iſt ſchadhaft geworden.

Ihr ſucht auch Kräuter?

Such' auch Kräuter. Seid Ihr ein Kräutermann? Dort liegen
viele: Habichtskraut und Schneckenklee, Bocksbart und Mäuſeohr, auch
dürrer Waldmeiſter, ſo Ihr begehrt.

Ich bin kein Kräutermann, ſprach Ekkehard. Was macht Ihr mit
den Kräutern.

Braucht Ihr zu fragen, wozu Kräuter gut ſind? ſprach die Alte,
Euer Einer weiß das auch. Es ſtünd' ſchlimm um kranke Menſchen
und krankes Thier, und ſchlimm um Abwehr nächtiger Unholde und
Stillung liebender Sehnſucht, wenn keine Kräuter wären.

Und Ihr ſeid getauft? fuhr Ekkehard ungeduldig fort.

Sie werden mich auch getauft haben ...

Und wenn Ihr getauft ſeid, rief er mit erhobener Stimme, und
dem Teufel verſagt habt und allen ſeinen Werken und allen ſeinen
Gezierden, was ſoll das? Er deutete mit ſeinem Stab nach den
Pferdeſchädeln an der Wand und ſtieß einen heftig an, daß er herunter-
fiel und in Stücke brach: die weißen Zähne rollten auf dem Fuß-
boden umher.

Der Schädel eines Roſſes, antwortete die Alte gelaſſen, den Ihr
jetzt zertrümmert habt. Es war ein junges Thier, Ihr könnt's am
Gebiß noch ſehen.

Und der Roſſe Fleiſch ſchmeckt Euch? frug Ekkehard.

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[107/0129] Ekkehard war indeß draußen abgeſtiegen und hatte ſein Roß an eine Tanne gebunden. Jetzt trat er über die Schwelle; ſcheu ging Audifax hinter ihm drein. Die Waldfrau warf das Gewand über den Stein, faltete die Hände in ihren Schoß und ſah ſtarr dem ein- tretenden Mann im Mönchsgewand entgegen. Sie ſtand nicht auf. Gelobt ſei Jeſus Chriſt! ſprach Ekkehard als Gruß und Ablenkung etwaigen Zaubers. Unwillkürlich ſchlug er den Daumen der Rechten ein und ſchloß die Hand, er fürchtete das böſe Auge ¹²⁸⁾ und ſeine Ge- walt; Audifax hatte ihm erzählt, die Leute ſagten von ihr, daß ſie mit einem Blick ein ganzes Grasfeld dürre zu machen vermöge. Sie antwortete nicht auf den Gruß. Was ſchafft Ihr Gutes? hub Ekkehard das Geſpräch an. Einen Rock beſſern, ſprach die Alte, er iſt ſchadhaft geworden. Ihr ſucht auch Kräuter? Such' auch Kräuter. Seid Ihr ein Kräutermann? Dort liegen viele: Habichtskraut und Schneckenklee, Bocksbart und Mäuſeohr, auch dürrer Waldmeiſter, ſo Ihr begehrt. Ich bin kein Kräutermann, ſprach Ekkehard. Was macht Ihr mit den Kräutern. Braucht Ihr zu fragen, wozu Kräuter gut ſind? ſprach die Alte, Euer Einer weiß das auch. Es ſtünd' ſchlimm um kranke Menſchen und krankes Thier, und ſchlimm um Abwehr nächtiger Unholde und Stillung liebender Sehnſucht, wenn keine Kräuter wären. Und Ihr ſeid getauft? fuhr Ekkehard ungeduldig fort. Sie werden mich auch getauft haben ... Und wenn Ihr getauft ſeid, rief er mit erhobener Stimme, und dem Teufel verſagt habt und allen ſeinen Werken und allen ſeinen Gezierden, was ſoll das? Er deutete mit ſeinem Stab nach den Pferdeſchädeln an der Wand und ſtieß einen heftig an, daß er herunter- fiel und in Stücke brach: die weißen Zähne rollten auf dem Fuß- boden umher. Der Schädel eines Roſſes, antwortete die Alte gelaſſen, den Ihr jetzt zertrümmert habt. Es war ein junges Thier, Ihr könnt's am Gebiß noch ſehen. Und der Roſſe Fleiſch ſchmeckt Euch? frug Ekkehard.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/129>, abgerufen am 24.11.2024.