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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mein Kind, wenn Ihnen nicht wohl ist, da steht ungarisch Wasser, ich will Sie anstreichen, oder streichen Sie sich selber an! Ich kann so was gar nicht gut! Hat Sie der Delinquent so angegriffen? Nun, darum wird ja gehangen! Oder haben Sie sonst was auf dem Herzen? Reden Sie doch! Ist es vorüber? Nicht wahr, es ist besser!

Ja! sagte Isabella mit erzwungenem Muthe, und sie mußte sogar lächeln über das Ja, daß ihr besser sei. Sie fühlte sich aber von ihrer vermeinten Höhe und Größe, von ihrer Jugend und Schönheit, von ihrem beneideten Zustande bis unter das Glück dieser alten dicken Frau gesunken, und sie drückte ihr mit dem kleinen zarten Händchen voll Gönnen des Glückes die volle fleischige Hand. Also darum hatte sie so einsam leben müssen am Tage! so verlassen die Abende! Darum entbehrte sie, weil eine Andere es hatte, was sie wünschte -- Gemahl und Kinder!

Aber sie mußte ihre schöne Feindin doch einmal sehen, sie mußte seine Kinder doch einmal an ihren Busen drücken, und koste es ihr das Herz; denn die Ruhe konnte es nicht mehr gelten. Vielleicht gab es ihr Ruhe und stilles Bescheiden wieder. Sie sagte also mit dem Tone der Wahrheit kleinlaut zu der Alten: Sie haben nicht ganz Unrecht, mich drückt wohl etwas sehr, so jung ich bin; denn ich bin schon eine Wittwe, oder mein Mann will mich dazu machen -- oder sich zum Wittwer -- o Gott! und wenn ich wüßte, daß die da

mein Kind, wenn Ihnen nicht wohl ist, da steht ungarisch Wasser, ich will Sie anstreichen, oder streichen Sie sich selber an! Ich kann so was gar nicht gut! Hat Sie der Delinquent so angegriffen? Nun, darum wird ja gehangen! Oder haben Sie sonst was auf dem Herzen? Reden Sie doch! Ist es vorüber? Nicht wahr, es ist besser!

Ja! sagte Isabella mit erzwungenem Muthe, und sie mußte sogar lächeln über das Ja, daß ihr besser sei. Sie fühlte sich aber von ihrer vermeinten Höhe und Größe, von ihrer Jugend und Schönheit, von ihrem beneideten Zustande bis unter das Glück dieser alten dicken Frau gesunken, und sie drückte ihr mit dem kleinen zarten Händchen voll Gönnen des Glückes die volle fleischige Hand. Also darum hatte sie so einsam leben müssen am Tage! so verlassen die Abende! Darum entbehrte sie, weil eine Andere es hatte, was sie wünschte — Gemahl und Kinder!

Aber sie mußte ihre schöne Feindin doch einmal sehen, sie mußte seine Kinder doch einmal an ihren Busen drücken, und koste es ihr das Herz; denn die Ruhe konnte es nicht mehr gelten. Vielleicht gab es ihr Ruhe und stilles Bescheiden wieder. Sie sagte also mit dem Tone der Wahrheit kleinlaut zu der Alten: Sie haben nicht ganz Unrecht, mich drückt wohl etwas sehr, so jung ich bin; denn ich bin schon eine Wittwe, oder mein Mann will mich dazu machen — oder sich zum Wittwer — o Gott! und wenn ich wüßte, daß die da

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/83>, abgerufen am 10.05.2024.