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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Düvecke durch die Gassen der ihr neuen Stadt nach dem Schlosse gingen.

Obgleich noch nicht die Zeit angegangen, wo das Volk seinen guten todten König zum letzten Mal sehen durfte, ließen doch alle Wachen sie mit dem kleinen Hans Faaburg durch die Vorhalle, die Corridors, die noch schwach erleuchteten stillen Zimmer, bis in den gewölbten, schwarz ausgeschlagenen Saal. Düvecke ward geblendet von dem Glanz der vielen Wachskerzen auf silbernen Leuchtern, die sich stufenweise erhoben -- um eine traumähnliche Gestalt, die sie erst ganz nahe erkannte als die letzte Entpuppung eines Menschen, der einer ihrer Könige geheißen; denn zu seinen Füßen standen die Wappenschilder der drei Königreiche, und zu seinem Haupte auf sammtenen Kissen hier die Krone, dort Scepter und Schwert.

Wer aber steht auch dort mit dem schönen blassen Gesicht, das blanke Schwert nachlässig oder lebensmüde im Arm? frug sich Düvecke. Und mit einer Mischung von Schreck und Bedauern, worein ein himmlischer Funken von Neigung fiel, sah sie . . . es war ihr guter oder böser Geist . . . es war ihr Torbern!

Ihr Begleiter winkte ihm, und Torbern ging ab von seiner Wache, ging schweigend fern und trat an die Thüre des Saales. Jedoch blieb noch eine verhüllte weibliche Gestalt, die Wittwe des Königs, die sie in ihrem Schweigen und verdeckt von den Vorhängen des Fensterbogens nicht bemerkten.

Düvecke durch die Gassen der ihr neuen Stadt nach dem Schlosse gingen.

Obgleich noch nicht die Zeit angegangen, wo das Volk seinen guten todten König zum letzten Mal sehen durfte, ließen doch alle Wachen sie mit dem kleinen Hans Faaburg durch die Vorhalle, die Corridors, die noch schwach erleuchteten stillen Zimmer, bis in den gewölbten, schwarz ausgeschlagenen Saal. Düvecke ward geblendet von dem Glanz der vielen Wachskerzen auf silbernen Leuchtern, die sich stufenweise erhoben — um eine traumähnliche Gestalt, die sie erst ganz nahe erkannte als die letzte Entpuppung eines Menschen, der einer ihrer Könige geheißen; denn zu seinen Füßen standen die Wappenschilder der drei Königreiche, und zu seinem Haupte auf sammtenen Kissen hier die Krone, dort Scepter und Schwert.

Wer aber steht auch dort mit dem schönen blassen Gesicht, das blanke Schwert nachlässig oder lebensmüde im Arm? frug sich Düvecke. Und mit einer Mischung von Schreck und Bedauern, worein ein himmlischer Funken von Neigung fiel, sah sie . . . es war ihr guter oder böser Geist . . . es war ihr Torbern!

Ihr Begleiter winkte ihm, und Torbern ging ab von seiner Wache, ging schweigend fern und trat an die Thüre des Saales. Jedoch blieb noch eine verhüllte weibliche Gestalt, die Wittwe des Königs, die sie in ihrem Schweigen und verdeckt von den Vorhängen des Fensterbogens nicht bemerkten.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/53>, abgerufen am 28.11.2024.