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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sprach der Zweite. Und der Herzog soll das letzte Jahr über, das er bei unserem Höchstseligen zugebracht -- denn der brave Mann ist gewiß selig, da er die Kirchenvereinigung mit den Moskowitern vorhatte und das latrarische Concilium in Deutschland abgesungen wissen wollte -- sich barbarisch gut auf allen Seiten gewiesen haben, so daß den Leuten vor Erstaunen die Augen stehen geblieben sind; und zuletzt hat er gar mit dem Vater eine Reichsreise gemacht, um ihm zu helfen beim Richten.

Ich hab' es gehört! sprach ein Dritter.

Warum auch der alte Herr so lange gelebt! Wie sie von Ripen abreiten, kommen sie an ein geschwollenes Wasser. Der Herzog giebt seinem Schimmel die Sporen und will hinüber setzen. Der alte Herr schreit, daß sein Rappe mit durchgehe! aber der Herr Sohn reitet und setzt. Weiter also hat er nichts gethan! Er hat also seinen Vater nicht geradezu ersäuft! Aber der Rappe darf nicht setzen, und ist doch im Rennen, und rennt mit dem alten Vater bis an den Hals in das eiskalte Wasser -- --

Daß mir die Haut schaudert! -- sprach der Erste.

In Aalburg ist er gestorben, drei Viertel auf Sechs; ich habe die ersten erschrecklich barmherzigen Glocken läuten gehört! Er hat es im Kalender gelesen: Es wird dies Jahr ein Großer sterben -- und da hat er denn müssen sterben!

Der Kalender trifft ein. Gott gebe das Neujahr

sprach der Zweite. Und der Herzog soll das letzte Jahr über, das er bei unserem Höchstseligen zugebracht — denn der brave Mann ist gewiß selig, da er die Kirchenvereinigung mit den Moskowitern vorhatte und das latrarische Concilium in Deutschland abgesungen wissen wollte — sich barbarisch gut auf allen Seiten gewiesen haben, so daß den Leuten vor Erstaunen die Augen stehen geblieben sind; und zuletzt hat er gar mit dem Vater eine Reichsreise gemacht, um ihm zu helfen beim Richten.

Ich hab' es gehört! sprach ein Dritter.

Warum auch der alte Herr so lange gelebt! Wie sie von Ripen abreiten, kommen sie an ein geschwollenes Wasser. Der Herzog giebt seinem Schimmel die Sporen und will hinüber setzen. Der alte Herr schreit, daß sein Rappe mit durchgehe! aber der Herr Sohn reitet und setzt. Weiter also hat er nichts gethan! Er hat also seinen Vater nicht geradezu ersäuft! Aber der Rappe darf nicht setzen, und ist doch im Rennen, und rennt mit dem alten Vater bis an den Hals in das eiskalte Wasser — —

Daß mir die Haut schaudert! — sprach der Erste.

In Aalburg ist er gestorben, drei Viertel auf Sechs; ich habe die ersten erschrecklich barmherzigen Glocken läuten gehört! Er hat es im Kalender gelesen: Es wird dies Jahr ein Großer sterben — und da hat er denn müssen sterben!

Der Kalender trifft ein. Gott gebe das Neujahr

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/51>, abgerufen am 10.05.2024.