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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Rache, Haß und Wehmuth. Er kniete erst hin, dann sank er um, und so lag er vom Monde beschienen auf den kalten Steinen des Estrichs, unbekümmert um sich und die Welt. Und eine Eule setzte sich, nach Fraße spürend, auf das eiserne Geländer des Altans. Ihre Augen funkelten, sie kreischte drei Mal. Er erschrak, scheuchte sie fort und verließ mit Hast den ihm schrecklichen Ort.

Die bei Gelegenheit der Ankunft des Herzogs zusammengelaufenen Menschen waren nach seiner Begrüßung nicht wieder einzeln in ihre Häuser heimgegangen, sondern, aufgeregt wie sie worden, schaarenweise in ihren sonntäglichen Vergnügungsorten eingekehrt. Und so war denn auch der Frau Sigbritte bestes Haus gedrängt voll bis in die Nacht gewesen.

Jetzt saß sie am Tisch vor dem Licht und zählte das aus der Tasche ausgeschüttete Geld. An einer andern Tafel fern hinter ihr saßen zwei einfach gekleidete Herren im Dunkeln, die unlängst erst gekommen waren. Frau Sigbritte schien sich nicht um sie zu bekümmern; ihre Züge waren aber seelenvergnügt.

Da öffnete sich die Thür der Nebenstube, und im weißen Nachtkleide, einen Leuchter mit brennendem Licht in der Hand, trat ihre Tochter Düvecke herein und leise an ihren Tisch. Das Gesicht der Mutter nahm gleichsam eine höchst unzufriedene, zornige Maske vor, und sie sah die Tochter nicht an. Dagegen lächelte das schöne Kind so sanft, so mild um Verzeihung bittend,

Rache, Haß und Wehmuth. Er kniete erst hin, dann sank er um, und so lag er vom Monde beschienen auf den kalten Steinen des Estrichs, unbekümmert um sich und die Welt. Und eine Eule setzte sich, nach Fraße spürend, auf das eiserne Geländer des Altans. Ihre Augen funkelten, sie kreischte drei Mal. Er erschrak, scheuchte sie fort und verließ mit Hast den ihm schrecklichen Ort.

Die bei Gelegenheit der Ankunft des Herzogs zusammengelaufenen Menschen waren nach seiner Begrüßung nicht wieder einzeln in ihre Häuser heimgegangen, sondern, aufgeregt wie sie worden, schaarenweise in ihren sonntäglichen Vergnügungsorten eingekehrt. Und so war denn auch der Frau Sigbritte bestes Haus gedrängt voll bis in die Nacht gewesen.

Jetzt saß sie am Tisch vor dem Licht und zählte das aus der Tasche ausgeschüttete Geld. An einer andern Tafel fern hinter ihr saßen zwei einfach gekleidete Herren im Dunkeln, die unlängst erst gekommen waren. Frau Sigbritte schien sich nicht um sie zu bekümmern; ihre Züge waren aber seelenvergnügt.

Da öffnete sich die Thür der Nebenstube, und im weißen Nachtkleide, einen Leuchter mit brennendem Licht in der Hand, trat ihre Tochter Düvecke herein und leise an ihren Tisch. Das Gesicht der Mutter nahm gleichsam eine höchst unzufriedene, zornige Maske vor, und sie sah die Tochter nicht an. Dagegen lächelte das schöne Kind so sanft, so mild um Verzeihung bittend,

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[0019] Rache, Haß und Wehmuth. Er kniete erst hin, dann sank er um, und so lag er vom Monde beschienen auf den kalten Steinen des Estrichs, unbekümmert um sich und die Welt. Und eine Eule setzte sich, nach Fraße spürend, auf das eiserne Geländer des Altans. Ihre Augen funkelten, sie kreischte drei Mal. Er erschrak, scheuchte sie fort und verließ mit Hast den ihm schrecklichen Ort. Die bei Gelegenheit der Ankunft des Herzogs zusammengelaufenen Menschen waren nach seiner Begrüßung nicht wieder einzeln in ihre Häuser heimgegangen, sondern, aufgeregt wie sie worden, schaarenweise in ihren sonntäglichen Vergnügungsorten eingekehrt. Und so war denn auch der Frau Sigbritte bestes Haus gedrängt voll bis in die Nacht gewesen. Jetzt saß sie am Tisch vor dem Licht und zählte das aus der Tasche ausgeschüttete Geld. An einer andern Tafel fern hinter ihr saßen zwei einfach gekleidete Herren im Dunkeln, die unlängst erst gekommen waren. Frau Sigbritte schien sich nicht um sie zu bekümmern; ihre Züge waren aber seelenvergnügt. Da öffnete sich die Thür der Nebenstube, und im weißen Nachtkleide, einen Leuchter mit brennendem Licht in der Hand, trat ihre Tochter Düvecke herein und leise an ihren Tisch. Das Gesicht der Mutter nahm gleichsam eine höchst unzufriedene, zornige Maske vor, und sie sah die Tochter nicht an. Dagegen lächelte das schöne Kind so sanft, so mild um Verzeihung bittend,

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:50:59Z)

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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/19>, abgerufen am 28.04.2024.