Keinen Gott mehr! Du Elend! du bist mein Gott; du gebietest, Laut gebietest du mir den Tod! Jch gehorche! So stirb denn, Stirb, Verlorner! --
Stirb! -- vor dem schrecklichen Worte schaudert seine Menschheit -- aber bald erhält die Verzweiflung wieder die Oberhand, und giebt dem Entschluß zum Sterben unerschütterliche Festigkeit.
Du bebst? Hier stürmts! Noch immer empöret Sich das Leben in dir! es ringt, zu leben! Ver- räther! Du willst leben? gebrandmarkt vor allen, die jemals verriethen, Du? -- Er breitet vor mir wie ein weiteröfne- tes Grab sich Fürchterlich aus! Er ist der bängste der bangen Gedanken, Die ein Sterbender jemals empfand: Jch hab' ihn verrathen! -- Stirb! Die Seele, die dir nach dem Tode noch elend zurückbleibt. Tödte sie auch! O die du in mir, als wärst du unsterblich, Dich erhebst, vernimm dein Schicksal, Seele des Todten! Sieh ich verwünsche dich auch der Vernichtung! --
So
Keinen Gott mehr! Du Elend! du biſt mein Gott; du gebieteſt, Laut gebieteſt du mir den Tod! Jch gehorche! So ſtirb denn, Stirb, Verlorner! —
Stirb! — vor dem ſchrecklichen Worte ſchaudert ſeine Menſchheit — aber bald erhaͤlt die Verzweiflung wieder die Oberhand, und giebt dem Entſchluß zum Sterben unerſchuͤtterliche Feſtigkeit.
Du bebſt? Hier ſtuͤrmts! Noch immer empoͤret Sich das Leben in dir! es ringt, zu leben! Ver- raͤther! Du willſt leben? gebrandmarkt vor allen, die jemals verriethen, Du? — Er breitet vor mir wie ein weiteroͤfne- tes Grab ſich Fuͤrchterlich aus! Er iſt der baͤngſte der bangen Gedanken, Die ein Sterbender jemals empfand: Jch hab' ihn verrathen! — Stirb! Die Seele, die dir nach dem Tode noch elend zuruͤckbleibt. Toͤdte ſie auch! O die du in mir, als waͤrſt du unſterblich, Dich erhebſt, vernimm dein Schickſal, Seele des Todten! Sieh ich verwuͤnſche dich auch der Vernichtung! —
So
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Keinen Gott mehr! Du Elend! du biſt mein
Gott; du gebieteſt,
Laut gebieteſt du mir den Tod! Jch gehorche!
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Stirb, Verlorner! —
Stirb! — vor dem ſchrecklichen Worte
ſchaudert ſeine Menſchheit — aber bald erhaͤlt die
Verzweiflung wieder die Oberhand, und giebt dem
Entſchluß zum Sterben unerſchuͤtterliche Feſtigkeit.
Du bebſt? Hier ſtuͤrmts! Noch immer
empoͤret
Sich das Leben in dir! es ringt, zu leben! Ver-
raͤther!
Du willſt leben? gebrandmarkt vor allen, die
jemals verriethen,
Du? — Er breitet vor mir wie ein weiteroͤfne-
tes Grab ſich
Fuͤrchterlich aus! Er iſt der baͤngſte der bangen
Gedanken,
Die ein Sterbender jemals empfand: Jch hab'
ihn verrathen! —
Stirb! Die Seele, die dir nach dem Tode noch
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Toͤdte ſie auch! O die du in mir, als waͤrſt du
unſterblich,
Dich erhebſt, vernimm dein Schickſal, Seele
des Todten!
Sieh ich verwuͤnſche dich auch der Vernichtung! —
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/35>, abgerufen am 22.11.2024.
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