Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Neun und zwanzigste Unterhaltung.
Ueber
Verdruß, Aergerniß und Kränkung.

Nirgends zeigt sich der schädliche Einfluß der
unangenehmen Affekten auf die Gesundheit des
Menschen mehr, nirgends schneller, nirgends
auch bey geringen Graden des Affekts wirksamer,
als in dem Verdruß, der Aergerniß und der Krän-
kung. Traurigkeit, Furcht, Schreck und Zorn
sind ebenfalls dem Körper sehr nachtheilig, und
zeigen, wenn sie zu einem gewissen Grad anschwel-
len, Zerstörung drohende Wirkungen; indeß
gehen sie doch alle mehr nach außen zu, und füh-
ren nicht das heimliche Gift bey sich, wodurch
die genannten Affekten das Mark des Lebens, die
feinsten, innersten Theile des Körpers angreifen.
Die übrigen Affekten der Unlust schwächen ihre
intensive Kraft dadurch, daß sie dieselbe zu einer
ausgebreitetern, offenern Wirksamkeit vertheilen;
der Traurige gießt seinen Kummer durch das
Auge; der Zornige seine Hitze durch Mund und
Nase aus; der Verdruß hingegen, so wie Aer-
gerniß und Kränkung halten sich ganz nach innen
zu, und geben ihr Daseyn durch nichts, als das
von der innern Vergiftung mit allen Farben an-

ge-
Rr

Neun und zwanzigſte Unterhaltung.
Ueber
Verdruß, Aergerniß und Kraͤnkung.

Nirgends zeigt ſich der ſchaͤdliche Einfluß der
unangenehmen Affekten auf die Geſundheit des
Menſchen mehr, nirgends ſchneller, nirgends
auch bey geringen Graden des Affekts wirkſamer,
als in dem Verdruß, der Aergerniß und der Kraͤn-
kung. Traurigkeit, Furcht, Schreck und Zorn
ſind ebenfalls dem Koͤrper ſehr nachtheilig, und
zeigen, wenn ſie zu einem gewiſſen Grad anſchwel-
len, Zerſtoͤrung drohende Wirkungen; indeß
gehen ſie doch alle mehr nach außen zu, und fuͤh-
ren nicht das heimliche Gift bey ſich, wodurch
die genannten Affekten das Mark des Lebens, die
feinſten, innerſten Theile des Koͤrpers angreifen.
Die uͤbrigen Affekten der Unluſt ſchwaͤchen ihre
intenſive Kraft dadurch, daß ſie dieſelbe zu einer
ausgebreitetern, offenern Wirkſamkeit vertheilen;
der Traurige gießt ſeinen Kummer durch das
Auge; der Zornige ſeine Hitze durch Mund und
Naſe aus; der Verdruß hingegen, ſo wie Aer-
gerniß und Kraͤnkung halten ſich ganz nach innen
zu, und geben ihr Daſeyn durch nichts, als das
von der innern Vergiftung mit allen Farben an-

ge-
Rr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0341" n="625"/><lb/>
      <div n="1">
        <head>Neun und zwanzig&#x017F;te Unterhaltung.<lb/>
Ueber<lb/><hi rendition="#b">Verdruß, Aergerniß und Kra&#x0364;nkung.</hi></head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">N</hi>irgends zeigt &#x017F;ich der &#x017F;cha&#x0364;dliche Einfluß der<lb/>
unangenehmen Affekten auf die Ge&#x017F;undheit des<lb/>
Men&#x017F;chen mehr, nirgends &#x017F;chneller, nirgends<lb/>
auch bey geringen Graden des Affekts wirk&#x017F;amer,<lb/>
als in dem Verdruß, der Aergerniß und der Kra&#x0364;n-<lb/>
kung. Traurigkeit, Furcht, Schreck und Zorn<lb/>
&#x017F;ind ebenfalls dem Ko&#x0364;rper &#x017F;ehr nachtheilig, und<lb/>
zeigen, wenn &#x017F;ie zu einem gewi&#x017F;&#x017F;en Grad an&#x017F;chwel-<lb/>
len, Zer&#x017F;to&#x0364;rung drohende Wirkungen; indeß<lb/>
gehen &#x017F;ie doch alle mehr nach außen zu, und fu&#x0364;h-<lb/>
ren nicht das heimliche Gift bey &#x017F;ich, wodurch<lb/>
die genannten Affekten das Mark des Lebens, die<lb/>
fein&#x017F;ten, inner&#x017F;ten Theile des Ko&#x0364;rpers angreifen.<lb/>
Die u&#x0364;brigen Affekten der Unlu&#x017F;t &#x017F;chwa&#x0364;chen ihre<lb/>
inten&#x017F;ive Kraft dadurch, daß &#x017F;ie die&#x017F;elbe zu einer<lb/>
ausgebreitetern, offenern Wirk&#x017F;amkeit vertheilen;<lb/>
der Traurige gießt &#x017F;einen Kummer durch das<lb/>
Auge; der Zornige &#x017F;eine Hitze durch Mund und<lb/>
Na&#x017F;e aus; der Verdruß hingegen, &#x017F;o wie Aer-<lb/>
gerniß und Kra&#x0364;nkung halten &#x017F;ich ganz nach innen<lb/>
zu, und geben ihr Da&#x017F;eyn durch nichts, als das<lb/>
von der innern Vergiftung mit allen Farben an-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Rr</fw><fw place="bottom" type="catch">ge-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[625/0341] Neun und zwanzigſte Unterhaltung. Ueber Verdruß, Aergerniß und Kraͤnkung. Nirgends zeigt ſich der ſchaͤdliche Einfluß der unangenehmen Affekten auf die Geſundheit des Menſchen mehr, nirgends ſchneller, nirgends auch bey geringen Graden des Affekts wirkſamer, als in dem Verdruß, der Aergerniß und der Kraͤn- kung. Traurigkeit, Furcht, Schreck und Zorn ſind ebenfalls dem Koͤrper ſehr nachtheilig, und zeigen, wenn ſie zu einem gewiſſen Grad anſchwel- len, Zerſtoͤrung drohende Wirkungen; indeß gehen ſie doch alle mehr nach außen zu, und fuͤh- ren nicht das heimliche Gift bey ſich, wodurch die genannten Affekten das Mark des Lebens, die feinſten, innerſten Theile des Koͤrpers angreifen. Die uͤbrigen Affekten der Unluſt ſchwaͤchen ihre intenſive Kraft dadurch, daß ſie dieſelbe zu einer ausgebreitetern, offenern Wirkſamkeit vertheilen; der Traurige gießt ſeinen Kummer durch das Auge; der Zornige ſeine Hitze durch Mund und Naſe aus; der Verdruß hingegen, ſo wie Aer- gerniß und Kraͤnkung halten ſich ganz nach innen zu, und geben ihr Daſeyn durch nichts, als das von der innern Vergiftung mit allen Farben an- ge- Rr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/341
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/341>, abgerufen am 22.11.2024.